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AfD beendet Parteitag in Riesa im Streit

Die AfD wählt in Riesa zwar einen neuen Vorstand. Doch bei der Europapolitik kann sie sich nicht einigen. Es kommt zum Zoff auf offener Bühne.

Von Thilo Alexe
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Auf offener Bühne und vor Fernsehkameras streitet die AfD um die Europapolitik. Ergebnis: offen.
Auf offener Bühne und vor Fernsehkameras streitet die AfD um die Europapolitik. Ergebnis: offen. © dpa/Kay Nietfeld

Die Frage lässt aufhorchen. Ein Delegierter will von Alice Weidel wissen, wie sie es mit dem Thema AfD und Regieren hält. Die Fraktionschefin der Partei antwortet prompt: "Ich glaube, dass wir zuerst in ostdeutschen Bundesländern in die Regierungsverantwortung kommen werden." Einen programmatischen Weg dorthin beschreibt Weidel bei ihrem Bewerbungsauftritt auf dem Riesaer Bundesparteitag freilich nicht. Sie geht vielmehr davon aus, dass Frust über Inflation und steigende Preise der Partei die Wähler in Scharen zutreibt.

Damit umschreibt die 43-Jährige , die ihre Ambitionen lange bedeckt hält und dann mit stabiler Zwei-Drittel-Mehrheit zur AfD-Chefin gewählt wird, den Grundkonflikt der Partei. Soll sie sich zwischen Magdeburg und Dresden irgendwann als CDU-Partner anbieten oder zumindest eine konservative Regierung dulden? Oder schwenkt sie vollends auf das ein, was der thüringische AfD-Chef Björn Höcke in Riesa als "dissidente Partei" beschreibt?

Chrupalla mit magerem Wahlergebnis

Nach Ansicht von Sachsens Landeschef Jörg Urban ist die AfD "schon lange" keine reine Protestkraft mehr: "Wir sind Opposition." Bundeschef Tino Chrupalla (47), der mit magerem Ergebnis in einer Doppelspitze bestätigt wird, umschreibt den Kurs so: "Wir sind keine zweite FDP. Wir sind auch keine zweite CDU." Die AfD mache nicht mit bei "Impfpflicht, Krieg und offenen Grenzen". Wobei sie mitmacht, klärt der auf Personal- und Strukturfragen ausgerichtete Parteitag nur am Rand. In einer Resolution fordert die Partei auf sächsische Initiative den Bau neuer Atomkraftwerke.

Chrupalla, dem Delegierte zumindest eine Teilverantwortung für das ramponierte AfD-Image, sinkende Mitgliederzahlen sowie eine Serie von zehn Wahlen mit Verlusten anhaften, schafft es, insgesamt acht Vertraute eines vor zwei Wochen vorgestellten Teams im Vorstand durchzusetzen. Die Delegierten wählen neben der Doppelspitze den Thüringer Stefan Brandner zu einem der Vizechefs. Die baden-württembergische Abgeordnete Christina Baum spricht von "gesundem Nationalstolz", der verschüttet worden sei in "Trümmern einer jahrzehntelangen Schuldhaftigkeit". Auch sie schafft es in das vierzehn Mitglieder zählende Gremium. Für den sachsen-anhaltinischen Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, ehemals im sächsischen Vorstand und damaliger Unterstützer des offiziell aufgelösten "Flügels", geht vom Parteitag ein "wunderbares personalpolitisches Signal" aus.

Greift Höcke in zwei Jahren nach dem Parteivorsitz?

Rund um die dreitägige Zusammenkunft kursieren mehrere Lesarten. Klar ist, dass Anhänger des ausgetretenen Jörg Meuthen nicht mehr im Vorstand sind. Die "Ära Meuthen" sei beendet, jubelt Chrupalla. Meuthen-Vertraute wie die hessische Parlamentarierin Joana Cotar treten gar nicht erst an. Offensichtlich ist zudem, dass Höcke, den Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang als Rechtsextremist bezeichnete, über Vertraute wie die Bundestagsabgeordnete Baum Zugriff auf die Vorstandsarbeit hat. Der Thüringer plädiert für die in Riesa beschlossene Möglichkeit einer Einerspitze, aber eben erst in zwei Jahren. Die Vermutung: Dann greift Höcke nach dem Vorsitz. Der sagt, es sei noch "zu früh" für einen allein an der Spitze.

Doch es ist nicht so, dass vergleichsweise Moderate komplett abgestraft werden. Norbert Kleinwächter etwa erzielt einen Achtungserfolg gegen Chrupalla. Der brandenburgische Abgeordnete, nach Selbsteinschätzung "kein Lagerhengst", charakterisiert die AfD als bürgerlich, konservativ und liberal. "Wir vertreten eigentlich die Mehrheit", die wisse es nur noch nicht. Er erntet beachtlichen Applaus. Wohl auch von jenen, die einen harten Asylkurs fordern. Er wende sich dagegen, dass "jeden Tag hunderte Merkel-Migranten" als "Dank für illegale Einwanderung" die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Kleinwächter erhält mehr als ein Drittel der Stimmen gegen den eigentlich gesetzten Amtsinhaber.

AfD-Parteitag in Riesa läuft am Sonntag aus dem Ruder

Zoff bleibt also in Riesa nicht aus. Der Europaabgeordnete Nicolaus Fest, der gegen Weidel unterliegt, spricht unter Anspielung auf interne Spitznamen vom Streit "Zeltpinkler gegen Jogginghosen". Am Sonntag läuft der Parteitag aus dem Ruder. Höcke präsentiert eine Europaresolution. Darin wird vor "Globalisten" gewarnt, denen der Nationalstaat als "Gegenspieler multinationaler Konzerne und supranationaler Organisationen ein Dorn im Auge" sei. Die Eurozone soll aufgelöst werden. Geplant ist, wie ein Delegierter sagt, eine Art Ersatz-Nato – ein Bündnis aus nationalen Armeen. Zudem werden gute Beziehungen zu Russland betont.

Es gibt keine Einigung, Delegierte brüllen sich an. Nach Stunden holt Chrupalla sieben Landeschefs auf die Bühne und verspricht, dass sich der Bundesvorstand rasch mit der Causa befasst. Er kämpft quasi schon kurz nach der Wahl um sein Amt. Der Kompromiss kommt durch, danach endet der Parteitag vorzeitig. Weidel spricht von einer intensiven Veranstaltung. Die AfD wirkt gespalten.