Wer wird Jörg Meuthens Nachfolger in der AfD?

Berlin. Nach dem Austritt des Vorsitzenden Jörg Meuthen aus der AfD sortiert sich die Partei. In diesem Jahr will sie den Vorstand wählen und den für Dezember vergangenen Jahres geplanten Parteitag nachholen, der wegen Corona abgesagt worden war. Es gilt als sicher, dass der aus der Lausitz stammende Ko-Chef Tino Chrupalla erneut kandidiert. Doch wer nimmt die Position von Meuthen ein, der ohnehin nicht mehr angetreten wäre?
Aus der Deckung gewagt hat sich die hessische Bundestagsabgeordnete Joana Cotar. Sie bewarb sich bereits zusammen mit dem ehemaligen Generalleutnant Joachim Wundrak als Spitzenduo für die Bundestagswahl. Die beiden unterlagen aber intern deutlich gegen Chrupalla und Alice Weidel. Cotar gilt als Vertreterin des bisherigen Meuthen-Lagers. Sie sagte in einem Interview mit Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft: "Es muss uns gelingen, einen Konsensbundesvorstand zu finden, der sich weniger streitet." In diesem wolle sie eine "führende Rolle übernehmen".
Bleibt die AfD bei einer Doppelspitze?
Beobachter schätzen ihre Chancen als gering ein. Vieles hängt davon ab, wer kandidiert – und ob die AfD überhaupt bei einer Doppelspitze bleibt. Chrupalla jedenfalls sieht, wie er dem ZDF sagte, den Abgang Meuthens mit Erleichterung. Mit dem Schritt habe dieser "die Spaltung der AfD beendet". Chrupalla kündigte an, er werde die Partei jetzt "zusammenführen, zusammenhalten". Das klingt nicht unbedingt danach, dass er eine Meuthen-Vertraute an seiner Seite will.
Der Ex-Chef legte am Wochenende nach und postete: "Große Teile der Partei und mit ihr etliche ihrer führenden Repräsentanten haben sich für einen immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmteren Kurs, für politische Positionen und verbale Entgleisungen entschieden, die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben." Meuthen hatte mehrfach für gemäßigteres Auftreten und eine Regierungsbeteiligung geworben. Beobachter kritisieren aber, dass auch er beim Kyffhäuser-Treffen des später als rechtsextremistisch eingestuften Flügels teilgenommen und sich nach der umstrittenen Dresdner Rede von Björn Höcke hinter den Thüringer gestellt hatte.
Tritt Björn Höcke an?
Spannend ist, ob Höcke selbst antritt. Auf Twitter wünschte Thüringens AfD-Chef Meuthen "privat und beruflich die Zufriedenheit, die er in der Partei nicht finden konnte". Beim Parteitag 2021 in Dresden hatte er scharfzüngig konstatiert, dass Meuthen "nicht das politisch-historisch-philosophische Tiefenbewusstsein besitzt, um diese Partei in ihrer Lage zu führen".
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hält es nur für eine Frage der Zeit, dass Höcke "den Parteivorsitz auch auf der Bundesebene an sich zieht". Der Flügel, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sei weiter aktiv. Das werde für den Umgang der Sicherheitsbehörden mit der AfD voraussichtlich nicht folgenlos bleiben. Der Gesamtpartei droht die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als Verdachtsfall.
Derweil zieht Meuthen, dem wegen einer Spendenaffäre der Verlust der Immunität als EU-Abgeordneter droht, den Unmut der Sachsen-AfD auf sich. Seine öffentliche Kritik an Parteikollegen habe "mehr und mehr Schaden angerichtet". Meuthens Austritt sei "kein großer Verlust".