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Schlecht für die AfD - gut für die Demokratie

Das Konzept der Radikalisierung geht bei der AfD nur inhaltlich auf. Bei den Wählern punktet die Partei damit immer weniger. Der Zenit der AfD ist überschritten - und das ist auch gut so.

Von Oliver Reinhard
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Ein Faschist ist der kommende starke Mann der AfD, deren Höckisierung immer weiter voranschreitet.
Ein Faschist ist der kommende starke Mann der AfD, deren Höckisierung immer weiter voranschreitet. © dpa

Wer zuletzt im Osterzgebirge unterwegs war, sah überall Blau. Vereinzelt hingen dort auch andersfarbige Plakate, etwa vom Schallplattenunterhalter der Freien Wähler oder vom Mann fürs Linke. Doch die Lufthoheit bei den Kommunalwahlen hatte eindeutig der Kandidat der AfD. Genutzt hat es ihr letztlich nichts. Trotz aller Mühen beim Plakatieren und Werbegetrommel in den sozialen Medien trug der vergleichsweise unsichtbare CDU-Landrat erneut den Sieg davon. Das gleiche Schicksal wie ihrem Hoffnungsträger im Gebirge widerfuhr den AfD-Kandidaten im ganzen Land.

Wenn bei den nächsten Wahlgängen nicht das Unwahrscheinliche doch noch eintritt, wird die Partei keinen einzigen Landrats- oder Bürgermeistersessel erobert haben. Es ist nur eines von mehreren Anzeichen dafür, dass die AfD auf dem absteigenden Ast ist, schon seit einiger Zeit, sogar in ihrer Hochburg Sachsen. Und das ist gut so. Denn die Rechtsradikalisierung der „Alternative“ nimmt stetig zu. Wie sehr der rassistisch und faschistisch durchwirkte Björn Höcke sie am Nasenring durch die Manege in Richtung seines rechtsextremen Flügels zog, war auf dem Parteitag in Riesa unübersehbar.

Ein Faschist ist der kommende starke Mann der AfD

Der Thüringer West-Import der AfD, daran gibt es kaum noch Zweifel, ist ihr kommender starker Mann. Allerdings: Die Höckisierung der Partei mag inhaltlich funktionieren in dem Sinne, dass sie ihr ein noch schärferes Profil verleiht. Doch vertiefen sich dadurch, auch das zeigte Riesa, die inneren Grabenkämpfe, wird die Zerreißprobe immer strapaziöser, ohne dass die Rechtsextremisierung sich im Zustrom neuer Kameraden oder in Gewinnen bei Wahlen niederschlagen würde. Im Gegenteil ging die Mitgliederzahl der AfD auf 30.000 zurück, verlor sie bei der Bundestagswahl sowie den letzten neun Landtagswahlen an Zuspruch.

Selbst im Osten schrumpft ihr Stimmanteil überall, wenngleich weniger stark als im Westen. Auch wenn die Partei in Sachsen mancherorts vorläufig weiterhin enorme Prozentzahlen holt und zehn von den 16 Direktmandaten gewann: 1,5 Punkte weniger bei der Bundestagswahl sind für ihre Hochburg, in der es für die AfD bis dahin immer nur bergauf gegangen war, ein Alarmzeichen: Der Zenit ist überschritten. Trotz sattem Rückenwind durch die Coronapolitik-Protestwelle, auf der die „Alternative“ konsequent reitet.

Das einzig Alternative an der Partei ist ihr Name

Jedoch gibt es für massenhafte Empörung vorläufig offenbar keine ausreichende Motivation mehr. Die Coronapolitik bleibt trotz steigender Inzidenz liberal, die allgemeine Impfpflicht ist vom Tisch, die einrichtungsbezogene ausgehöhlt. Und am Ukraine-Krieg trägt die Bundesregierung nun wirklich keine Schuld. Zudem kann man Kanzler Scholz wahrlich keine „Kriegstreiberei“ attestieren, die sich unter Russlandfreundinnen und -freunden sowie traditionellen Pazifistinnen und Pazifisten in Empörung und AfD-Gewogenheit ummünzen ließe.

Umso klarer und immer unverstellter fällt auf: Das Einzige, was die Partei als Alternative kennzeichnet, ist ihr Name. Alternative Konzepte und Inhalte hat sie nicht zu bieten. Es sei denn, man hält Ultranationalismus, Egoismus, Ausgrenzung von Minderheiten, Homophobie, reaktionäre Rollenklischees und überhaupt das jeweilige Gegenteil dessen, was als ethisch und moralisch relevant gilt und dem „Mainstream“ als Wertekanon zugeschrieben wird, für tragfähige politische und gesellschaftliche Konzepte.

In Sachsen hat die AfD Konkurrenz am braunen Rand

Ganz abgesehen davon, dass die Partei durch Hass, Hetze und Vulgarität die Streitkultur in Deutschland nachhaltig ruiniert hat: Sie weist bei kaum einem ihrer zentralen Kritik-Ansätze ein Alleinstellungsmerkmal auf. Auch nicht beim Verständnis für verunsicherte Bürger, die sich um die Zukunft sorgen und ihr Kreuz nur bei der AfD machen, damit ihr Protest möglichst vernehmbar wird.

Als Unzufriedenheits- und Empörungsventil mag die Partei weiterhin ihre Bedeutung haben. Als politische Alternative wird sie umso wert- und anziehungskraftloser, desto extremistischer sie wird. Zumal ihr am extremen rechten Rand des Freistaates mit den Freien Sachsen eine Konkurrenz entstanden ist, die ihr die härtesten Antidemokraten bis hin zu Neonazis schon erfolgreich wegfischt.

Die bürgerliche Fassade wird endgültig zusammenbrechen

So paradox es zunächst klingen mag: Tatsächliche Demokratinnen und Demokraten sollten Björn Höcke und dessen Flügel fest die Daumen drücken. Denn mit den von ihren eigenen Mitgliedern in Riesa düpierten Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla lässt sich die fadenscheinige bürgerliche Fassade so eben noch aufrechterhalten. Mit Höcke wird das endgültig nicht mehr gehen.

Mit ihm wird die AfD vollends im Faschismus ankommen und sich darüber vielleicht sogar zerlegen. Das wird die Partei hier im Osten nicht so bald in die Einstelligkeit stürzen wie im Westen. Doch auch wenn man sie weiterhin nicht unterschätzen darf: Ihre Radikalisierung wird die AfD weiter schwächen und die demokratische Zivilgesellschaft dadurch stärken.