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Beschluss zur Beobachtung der AfD vertagt

Der Verfassungsschutz will die AfD als Verdachtsfall beobachten. Doch eine Entscheidung darüber soll es erst nach der Bundestagswahl geben.

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Die AfD hatte sich bereits im Januar vorsorglich an das Kölner Verwaltungsgericht gewandt, um eine mögliche Einstufung als Verdachtsfall zu verhindern.
Die AfD hatte sich bereits im Januar vorsorglich an das Kölner Verwaltungsgericht gewandt, um eine mögliche Einstufung als Verdachtsfall zu verhindern. © Daniel Karmann/dpa

Köln/Berlin. Ob der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ins Visier nehmen darf, wird vor der Bundestagswahl nicht mehr geklärt. Das Kölner Verwaltungsgericht teilte am Donnerstag mit, aufgrund der hohen Komplexität des Verfahrens und aus «Respekt vor der Entscheidung der Wähler» werde in dem dazu seit Januar laufenden Eilverfahren vor dem 26. September kein Beschluss gefasst.

Die AfD hatte sich bereits im Januar vorsorglich an das Gericht gewandt, um eine mögliche Einstufung als Verdachtsfall zu verhindern. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, informierte seinerseits die Verfassungsschützer der Länder in einer Videokonferenz intern über eine Hochstufung der Partei zum Verdachtsfall. Öffentlich gab er dazu nichts bekannt. Als die Information über die Landesbehörden dennoch an die Öffentlichkeit drang, verbot das Gericht dem Verfassungsschutz, die Einordnung, Beobachtung, Behandlung oder Prüfung der Partei als «Verdachtsfall» vor Abschluss des Eilverfahrens öffentlich oder nicht öffentlich bekanntzugeben.

Auch Entscheidung über zweiten Eilantrag vertagt

Wie das Gericht am Donnerstag weiter mitteilte, soll auch über einen zweiten Eilantrag, mit dem die Partei dem Verfassungsschutz verbieten lassen will, die Zahl der Anhänger des «Flügels» mit rund 7.000 anzugeben, nun erst nach der Wahl entschieden werden. Der Verfassungsschutz beobachtet den informellen Zusammenschluss, der seiner Ansicht nach fortbesteht, seit einigen Monaten nicht mehr als Verdachtsfall, sondern inzwischen als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg hatte in einem Urteil vom vergangenen Jahr keinen Grund für eine Beanstandung dieser Schätzung des Personenpotenzials des «Flügels» gesehen.

Grundlage der vom Verfassungsschutz angestrebten Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall ist ein umfangreiches Gutachten zur AfD. Darin geht es unter anderem um die Frage, wie viel Einfluss der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestufte «Flügel» in der Partei hat. Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hatte das Netzwerk im Sommer 2015 gegründet. Im vergangenen Frühjahr wurde der Zusammenschluss nach Druck aus dem Bundesvorstand der AfD formal aufgelöst.

«Die Kammer beabsichtigt, im ersten Quartal des Jahres 2022 Entscheidungen in den Verfahren der Hauptsache nach mündlicher Verhandlung zu treffen und dabei über die Eilverfahren mitzuentscheiden», gab das Kölner Gericht nun bekannt. Zu Begründung hieß es, angesichts der Bedeutung der Verfahren reiche eine «summarische Prüfung der Tatsachenlage» nicht aus.

Beobachtung nur ohne nachrichtendienstliche Mittel

Das bedeutet, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gesamtpartei vorerst nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf. Dazu gehören der Einsatz sogenannter V-Leute und andere Methoden der heimlichen Informationsbeschaffung. Vor Abschluss des Verfahrens darf die Behörde zudem keine öffentlichen Einschätzungen zur AfD abzugeben. Das gilt jedoch nicht für den «Flügel» und für mehrere Landesverbände der Partei, die vom Verfassungsschutz bereits beobachtet werden.

Haldenwang, hatte im vergangenen Dezember in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur gesagt: «Unser gesetzlicher Auftrag ist auch, die Bevölkerung über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu informieren. Das ist eine der Lehren aus der Weimarer Republik, die ja auch an ihren Parteien gescheitert ist. Auch im Vorfeld einer Wahl müssen wir die Öffentlichkeit informieren dürfen, wenn wir verfassungsfeindliche Bestrebungen jeglicher Art wahrnehmen.»

Die AfD zeigte sich erfreut über den neuen Zeitplan des Gerichts. «Dem Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt bis ins Jahr 2022 hinein verboten, die AfD als Verdachtsfall zu beobachten – das begrüßen wir sehr», sagte der Parteivorsitzende Jörg Meuthen. «Denn eine solche ungerechtfertigte Beobachtung würde absehbar öffentlich werden und der AfD massiv schaden – gerade im Wahlkampf.»

Nach dpa-Informationen hatte das Gericht den Verfahrensbeteiligten im Juni bereits vorgeschlagen, mit Blick auf den Umfang der Akten und wegen der bevorstehenden Wahl auf Entscheidungen im Eilverfahren jetzt zu verzichten und direkt mit einer mündlichen Verhandlung im ersten Quartal 2022 weiterzumachen. Dem Vernehmen nach war die AfD dafür, der Verfassungsschutz lehnte ab. (dpa)