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"Kretschmer agiert wie ein Geisterfahrer"

Nach der Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl ging Marco Wanderwitz auf Tauchstation. Mit ungewöhnlich heftiger Kritik an Ministerpräsident Kretschmer meldet er sich jetzt zurück.

Von Karin Schlottmann
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Ministerpräsident Michael Kretschmer (li) und der CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021, Marko Wanderwitz. Seit der Wahl verbindet die beiden nicht mehr viel.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (li) und der CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021, Marko Wanderwitz. Seit der Wahl verbindet die beiden nicht mehr viel. © Jan Woitas/dpa

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz hat die Aussagen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zu Russland mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert. Er wünsche sich, dass Kretschmer in sich gehe und seine Positionen hinterfrage, sagte Wanderwitz in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung. "Er agiert wie ein Geisterfahrer, der aber glaubt, nicht er, sondern alle anderen würden in die falsche Richtung fahren."

Wer wie Kretschmer als CDU-Politiker von AfD und Linken gelobt werde, habe etwas falsch gemacht. In der gegenwärtigen Krise sei es problematisch, wenn die Auffassungen der Bundespartei und des sächsischen Landesvorsitzenden völlig konträr seien, sagte Wanderwitz.

Wanderwitz war bis zur Bundestagswahl 2021 Ostbeauftragter und einer der schärfsten Kritiker der AfD in seiner Partei. Zum Missfallen vieler in der CDU warf er den Ostdeutschen wegen ihres Wahlverhaltens vor, "diktatursozialisiert" und in der Demokratie nicht angekommen zu sein. Seine Kritiker machten ihn daraufhin nach der verlorenen Bundestagswahl für die Verluste mitverantwortlich.

Wanderwitz: Sachsen-CDU werde von Kretschmer quasi in Geiselhaft genommen

Während viele Kandidaten es nicht in den Bundestag schafften, zog der über die Landesliste abgesicherte Wanderwitz trotz der eigenen Niederlage in seinem Wahlkreis wieder in das Parlament ein. Den Vorsitz der CDU-Landesgruppe, der Zusammenschluss der sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten, musste Wanderwitz auf Druck von Kretschmer abgeben. Auch seine Lebensgefährtin, die CDU-Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas (Vogtland), hielt Kretschmer wegen der persönlichen Verbindung nicht für geeignet.

Anschließend zog sich Wanderwitz aus der Öffentlichkeit weitestgehend zurück. "Ich tue keinem mehr was", sagte er in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit. Dann wenige Tage später die Kehrtwende. Er wolle zu Hause noch in den Spiegel gucken können, sagte er auf SZ-Anfrage zum Motiv für seinen Sinneswandel und die deutlichen Worte an die Adresse Kretschmers. Dessen Position führe zu einer völligen Isolierung der sächsischen CDU in der Bundespartei, sie werde von Kretschmer quasi in Geiselhaft genommen, kritisierte er.

Kretschmer hat sich wiederholt gegen die Russland-Sanktionen ausgesprochen, ein Festhalten an russischen Gaslieferungen gefordert und für ein "Einfrieren" des Krieges mit der Ukraine geworben. In seiner Partei vertritt er damit eine Mindermeinung, in der Bevölkerung in Sachsen stößt er eher auf Zustimmung. Wanderwitz räumte ein, dass seine Haltung im Landesverband "randständiger" sei als in der Bundes-CDU. "Wenn es Leute wie mich aber nicht geben würde, dann wären wir nicht Volkspartei."

Inwiefern Wanderwitz von seiner Basis unterstützt wird, könnte sich am 9. Dezember zeigen. Die CDU im Kreisverband Zwickau kommt zu ihren Parteitag zusammen, um einen neuen Vorstand zu wählen. Wanderwitz ist Vorsitzender. Die Wahl dürfte interessant werden im Hinblick auf den derzeitigen innerparteilichen Konflikt. Ob er wieder antrete als Kreisvorsitzender, ließ Wanderwitz am Mittwoch offen. Er habe sich noch nicht entschieden.