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Sachsens Grüne bereiten sich auf Landtagswahl vor: "Wir sind der Antrieb"

In Bautzen steht das Superwahljahr 2024 im Fokus. Zwei Minister signalisieren Bereitschaft zur Spitzenkandidatur. Die Partei will weiter regieren.

Von Thilo Alexe & Fionn Klose
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Die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen Christin Furtenbacher (links) neben der Bundesvorsitzenden Ricarda Lang in der Stadthalle Krone in Bautzen.
Die Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen Christin Furtenbacher (links) neben der Bundesvorsitzenden Ricarda Lang in der Stadthalle Krone in Bautzen. © dpa

Bautzen. Wer erinnert sich noch an die Debatten, die die grüne Seele strapazierten? Soll man überhaupt regieren in Sachsen, und wenn ja, dann mit Sicherheit nicht mit der CDU? 2014 schließlich sondierte die Ökopartei, intern umstritten, mit der Sachsen-Union – ergebnislos. Seither hat sich vieles verändert, personell wie machttaktisch. Die Grünen sind gewachsen, nicht nur in den Zentren. Seit 2019 koalieren sie mit CDU und SPD, es knirscht zwar, doch das Regierenwollen ist mittlerweile im Selbstverständnis der Partei verankert.

Seit dem Wochenende sogar noch tiefer. Auf dem Landesparteitag in Bautzen verabschiedeten die mehr als 100 Delegierten einen Antrag, der eineinhalb Jahre vor der kommenden Landtagswahl sagt: Wir wollen auch danach weiterregieren. "An unsere erfolgreiche Regierungsarbeit wollen wir Bündnisgrüne auch über das Jahr 2024 hinaus anknüpfen", heißt es darin. Zudem werden Verfahrensfragen zu eventuellen Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen geregelt.

Das zeugt von Selbstvertrauen. Und ist nach jetzigem Stand eine frühe Festlegung auf das Fortführen der Keniakoalition. "Wir wollen weiterhin Verantwortung übernehmen", sagte die grüne Justizministerin Katja Meier. Und ihr für Umwelt zuständiger Kabinettskollege Wolfram Günther betonte: "Wir wollen dieses Land verändern." Die Grünen mühen sich, sich als Motor für notwendige Veränderungen darzustellen. Kritik an der CDU gehört dazu, auch um den im Wahlkampf drohenden Vorwurf zu entkräften, wer grün wähle, wähle auch schwarz.

Katja Meier, Justizministerin von Sachsen, und Wolfram Günther (beide Bündnis90/Die Grünen), Umweltminister von Sachsen, stehen mit einem Newton-Pendel auf dem Landesparteitag ihrer Partei in der Stadthalle Krone auf der Bühne.
Katja Meier, Justizministerin von Sachsen, und Wolfram Günther (beide Bündnis90/Die Grünen), Umweltminister von Sachsen, stehen mit einem Newton-Pendel auf dem Landesparteitag ihrer Partei in der Stadthalle Krone auf der Bühne. © dpa

Fraktionschefin Franziska Schubert bündelte das etwa in diesem Satz, der auf prominente CDU-Vertreter gemünzt sein dürfte: "Wer den Leuten nur sagt, was sie hören wollen, aber ihnen keinen Weg aufzeigt, der kriegt vielleicht billig erkauften Applaus – löst aber damit keine einzige Aufgabe". Und Landeschefin Christin Furtenbacher beschwor die Funktion Grünen als "Brandmauer gegen rechts". Sie sprach von Parteien, die "vor Ort die Brandmauer Stück für Stück wegbröckeln lassen". Das "Märchen" vom "CDU-Wählen, um AfD zu verhindern" werde dem Koalitionspartner niemand mehr abkaufen.

Trotz aller Abgrenzung: An der inhaltlich mitunter weit entfernt liegenden CDU führt für die Grünen voraussichtlich kein Weg vorbei. Kritik daran? Kaum. Immerhin fragte die Landesvorsitzende der Grünen Jugend, Charlotte Henke, warum die Partei nicht den Wahlkampf abwartet? "Es heißt nicht, dass ihr euch einer immer rechter werdenden CDU beugen müsst", rief sie den Delegierten zu.

Überraschend klärte der Parteitag sogar die Spitzenkandidaturen, auch wenn die auf einer weiteren Landesdelegiertenkonferenz noch bestätigt werden müssen. Für ihre Reden erhielten die Minister Meier und Günther langen Applaus, beide sagten wortgleich, sie wollten "an vorderster Front" im Wahlkampf aktiv sein. Bereits 2019 hatten sie als Duo Präsenz gezeigt. Als sie im aufbrandenden Applaus auch noch Fraktionschefin Schubert auf die Bühne der Stadthalle Krone baten, schien klar: Diese drei werden die ersten Plätze auf der Landesliste besetzen.

Anna Cavazzini kandidiert für Europawahl

"Wir sind der Antrieb", sagte Meier, die zudem betonte, dass sich die Koalition jeden Tag aufs Neue zusammenraufen müsse. Günther verwies auf das "ambitionierte" Klimaprogramm Sachsens und ließ keinen Zweifel, dass der Braunkohleausstieg schon aus wirtschaftlichen Gründen vor 2038 vollzogen werde. Die Partei, die nach 8,6 Prozent 2019 zweistellig werden will, müsse den Strukturwandel voranbringen und für grüne Energie sorgen: "Der Druck ist riesig." Furtenbacher zählte lokale Erfolge wie das Glyphosatverbot im Vogtlandkreis auf. Die Leipziger Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta warb dafür, dass Sachsen doch noch dem Härtefallfonds für DDR-Renten beitritt. "Wir sind auch eine ostdeutsche Partei." Ein Antrag des Parteinachwuchses, den Verfassungsschutz abzuschaffen, wurde erwartungsgemäß nicht beschlossen – sondern in ein Arbeitsgremium überwiesen.

Anna Cavazzini will für die Europawahl 2024 antreten.
Anna Cavazzini will für die Europawahl 2024 antreten. © PR/Martin Jehnichen

Einer der Tagesordnungspunkte war die Abstimmung über die Spitzenkandidatin Anna Cavazzini, die für die Europawahl 2024 antreten will. Seit Juli 2019 sitzt sie für die Grünen im Europäischen Parlament und ist seit November 2020 Vorsitzende des Binnenmarkt- und Verbraucherschutzausschusses. Dort verhandelte sie beispielsweise am einheitlichen Standard für Ladekabel für Smartphones und andere Geräte mit, der ab 2024 gilt.

Nun will sie sich für einen der vorderen Listenplätze bewerben. Mit 98,1 Prozent stimmten die Delegierten für eine erneute Kandidatur Cavazzinis für die Wahl zur europäischen Abgeordneten.

Grünen-Chefin Ricarda Lang verkündet Verlobung

Abseits des Landesparteitages gab es auch noch was zu feiern. Grünen-Chefin Ricarda Lang hat bei Twitter und Instagram ihre Verlobung verkündet. Ein mit einem Herzchen dekoriertes "Verlobt" stand bei Instagram über einem Foto des Paares, Lang trug dabei einen Ring am Finger. Ihr Verlobter Florian Wilsch gab den Beitrag überschrieben mit "private Neuigkeiten:" weiter. Zu den Details gab es zunächst keine Informationen. Zu den ersten Gratulanten in den sozialen Medien gehörten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), SPD-Chef Lars Klingbeil und die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.

Ricarda Lang wurde am 17. Januar 1994 in Filderstadt bei Stuttgart geboren. Sie ist seit etwa einem Jahrzehnt Grünen-Mitglied, war vor ihrer Wahl zur Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen bereits Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend, stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin.

Florian Wilsch war vor einigen Jahren Vorstandssprecher der Grünen Jugend Bayern. Im vergangenen Jahr sagte Lang dem Magazin "Bunte" über ihn: "Mein Freund, mit dem ich seit fünf Jahren zusammen bin, ist eine große Stütze für mich und gibt mir auch in schwierigen Zeiten Kraft." (mit dpa)