Die Linke sucht ihre Haltung zu Russland

Das Papier rüttelt an Grundsätzen. Der ostdeutsche Linkenpolitiker Matthias Höhn fordert seine Partei zu einer Diskussion über Sicherheitspolitik auf. Der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt regt in einem siebenseitigen Dokument die Abkehr von lang eingeübten Mustern an. „Altes Blockdenken genügt schon lange nicht mehr“, schreibt der 45-Jährige. „Es wird höchste Zeit, dass die Linke Antworten findet, die jenseits ausgedienter Freund-Feind-Bilder zu finden sind.“
Höhn ist sicherheitspolitischer Sprecher der Bundestagslinken, das Wort des früheren Geschäftsführers der Partei hat intern Gewicht. Das erklärt womöglich auch die teils heftigen Reaktionen auf sein Papier. Höhn spricht aus, was er als Versäumnis empfindet.
Die Partei soll kritisch sein in alle Richtungen und sich nicht ausschließlich an den USA abarbeiten. „Ein nicht-mandatierter amerikanischer Luftschlag in Syrien, ein Einmarsch türkischer Truppen in ein Nachbarland oder der Einsatz von verbotenem Nervengift in Russland – wer glaubwürdig sein und Vertrauen aufbauen will, darf nicht mit zweierlei Maß messen.“
"Ablehnung ist kein Konzept"
Ohne den Namen auszusprechen, spielt Höhn damit auf den Anschlag auf Kremlkritiker Alexej Nawalny an. Prominente Linke wie etwa der außenpolitische Fraktionssprecher Gregor Gysi oder Wirtschaftsexperte Klaus Ernst äußerten Zweifel an der Verantwortung russischer Geheimdienste für die Gift-Attacke.
Die Grünen forderten sogar den Stopp der Gaspipeline Nord Stream 2. Die Linke drängt auf den Weiterbau. Nicht nur das zeigt: In der Außenpolitik sind die Unterschiede zu SPD und Grünen beachtlich – und damit ein bedeutendes Hindernis für eine Koalition nach der Bundestagswahl im Herbst.
Höhn rührt noch an anderen Grundpositionen der Partei. Dass die Fraktion nahezu „keiner Beschaffung für die Bundeswehr, von der persönlichen Ausrüstung bis zum Kampfflugzeug, zugestimmt“ habe, empfindet er als Ausdruck strategischer Schwäche: „Diese pauschale Ablehnung ist kein sicherheitspolitisches Konzept.“ Höhn plädiert zudem für ein festes Bundeswehrbudget und Blauhelmeinsätze: „Internationale Sicherheit wird nur im internationalen Verbund gelingen.“
Nein zu Krieg und Waffendeals
In der Partei löst das kritische Reaktionen aus. Die radikale Kommunistische Plattform wirft Höhn vor, er wolle eine andere Partei: „Eine, die imperialen Interessen Deutschlands mit Verständnis begegnet“. Der Vorstand der Linken distanziert sich von Höhns Vorstoß, den der Parlamentarier als „Diskussionsangebot“ versteht.
In einem Beschluss heißt es: „Der Parteivorstand sieht keinen Anlass, von den friedenspolitischen Positionen der Partei abzurücken.“ Diese Einschätzung teilt auch die sächsische Linkenspitze, wie Landeschef Stefan Hartmann auf Anfrage mitteilt.
An diesem Mittwoch will Höhn mit Dresdner Linken im Rahmen einer Online-Runde über Sicherheitspolitik diskutieren. In seinem Papier stellt er klar, dass er das Nein zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr, zum scheinbar ungebremsten Geschäft mit Waffen und zu stets wachsenden Verteidigungsetats als wichtige Leitsätze sieht. Unterhalb derer gebe es in der Linken jedoch „durchaus auseinanderlaufende Positionen“. „Die Partei vermeidet eine Diskussion darüber“, bemängelt Höhn.
Womöglich erhält er Unterstützung von jenen Realpolitikern, die bislang öffentlich schweigen. Aufschluss darüber dürfte es Ende Februar geben: Beim Parteitag will Höhn einer von mehreren Vizechefs werden.