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Merkel scheitert mit Russland-Vorschlag

Die Bundeskanzlerin scheitert mit ihrem Vorschlag, einen Gipfel mit Wladimir Putin zu veranstalten. An den Kremlchef werden dagegen harte Drohungen gerichtet.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich aber beim EU-Gipfel nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, auch wieder Spitzentreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Auge zu fassen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich aber beim EU-Gipfel nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, auch wieder Spitzentreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Auge zu fassen. © Stephanie Lecocq/Pool EPA/AP/dpa

Die EU-Staaten wollen künftig deutlich härter auf "böswillige" Handlungen Russlands reagieren. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auf ihrem Gipfel am Freitag in Brüssel, dafür einen Plan für Strafmaßnahmen erstellen zu lassen, der auch Wirtschaftssanktionen umfasst. Es bedürfe "einer entschlossenen und koordinierten Reaktion der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf jede weitere böswillige, rechtswidrige und disruptive Aktivität Russlands". Die EU müsse ihre Instrumente dafür voll nutzen.

Nicht verständigen konnten sich die 27 Mitgliedsländer hingegen darauf, neben den Sanktionsdrohungen auch neue Gesprächsangebote an Russlands Präsident Wladimir Putin zu senden - zum Beispiel, um bei Themen wie dem Klimaschutz Möglichkeiten für mehr Zusammenarbeit auszuloten. Dafür hatte sich vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stark gemacht.

"Ich persönlich hätte hier mir einen mutigeren Schritt gewünscht", sagte Merkel am frühen Freitag nach den Beratungen. Auf ein sofortiges Treffen auf Chefebene - also mit Putin - habe man sich aber nicht einigen können. Merkel hatte argumentiert, es reiche nicht aus, wenn nur US-Präsident Joe Biden mit dem Kremlchef spreche. Die EU müsse auch Gesprächsformate schaffen. Anders werde man Konflikte nicht lösen. Nach dem Gipfel sprach sie von einer "sehr ausführlichen und auch nicht einfachen Diskussion".

Osteuropäer lehnen Gespräche ab

Nach Angaben von Diplomaten waren vor allem osteuropäische EU-Staaten wie Polen, Lettland, Estland und Litauen gegen ein Gesprächsangebot an Putin. Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins warnte, Zugeständnisse ohne Gegenleistung sehe der Kreml nicht als Zeichen von Stärke.

Merkel sagte dazu nach dem Gipfel: "Ich will ausdrücklich sagen, dass ich solche Gespräche mit dem russischen Präsidenten nicht in der Form von Belohnung oder Nicht-Belohnung sehe, sondern ich glaube, dass wir uns darauf besinnen müssen, dass auch im Kalten Krieg unter den schwierigsten Bedingungen (...) immer Gesprächskanäle da waren." Und es sei besser, wenn die EU gemeinsam mit Russland spreche, als wenn jedes Land das für sich tue. "Denn wir wollen ja auch eine geeinte Meinung in unserem Verhältnis bezüglich Russland haben", sagte Merkel.

Russland reagierte mit Bedauern auf den Ausgang des EU-Gipfels. Leider habe sich eine Reihe von EU-Staaten gegen den Dialog mit Russland ausgesprochen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Zugleich erklärte er, dass Putin weiter an einer Zusammenarbeit zwischen Moskau und Brüssel interessiert sei.

Ungarns Gesetz zu Homosexualität sorgt für heftigen Streit

Neben der Russland-Politik sorgte auch das neue ungarische Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transsexualität für Streit. Viele Staats- und Regierungschefs gingen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hinter verschlossenen Türen hart an. Einige stellten nach Angaben von Diplomaten sogar in Frage, ob Ungarn bei der Fortsetzung seiner aktuellen Politik noch einen Platz in der EU haben kann oder brachten die Kürzung von EU-Geldern über den neuen Rechtsstaatsmechanismus ins Spiel. Merkel bestätigte eine "kontroverse, aber sehr ehrliche Diskussion". Solche Gespräche würden häufiger gebraucht, denn es zeigten sich unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft Europas - und das betreffe nicht nur Ungarn.

Orban wies den Vorwurf zurück, dass das Gesetz sexuelle Minderheiten diskriminiere. Doch die meisten seiner EU-Kollegen sehen das anders. Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel, der mit einem Mann verheiratet ist, sagte nach Angaben von Teilnehmern: "Meine Mutter hasst es, dass ich schwul bin, damit muss ich leben. Und jetzt schreiben Sie das in ein Gesetz."

Das ungarische Gesetz verbietet Publikationen, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen. Merkel und viele ihrer EU-Kollegen sehen europäische Grundwerte in Gefahr.

Keine großen Fortschritte gab es bei Fragen zum Umgang mit neuen Coronavirus-Varianten und mit der Türkei. So blieb offen, ob die Mitgliedstaaten künftig in der Lage sein werden, Reisebeschränkungen einheitlicher zu gestalten und besser zu koordinieren. Mit Blick auf die Türkei beteuern die Staats- und Regierungschefs den Willen zur verstärkten Zusammenarbeit bei bestimmten Themen unter bestimmten Bedingungen. Wann Gespräche über die angedachte Modernisierung der Zollunion aufgenommen werden könnten, wurde allerdings mangels Einigkeit offen gelassen.

Eine klares Signal gab es dagegen für weitere Hilfen für die Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien. Die EU-Kommission soll dafür nun einen konkreten Vorschlag erarbeiten. Erwogen wird ein Betrag von 3,5 Milliarden Euro bis 2024. (dpa)