Lindners glamouröse Hochzeit ist das falsche Signal

Von Stephan-Andreas Casdorff
Das verstehe noch jemand. Olaf Scholz, der Bundeskanzler, stimmt die Bürgerinnen und Bürger angesichts des Ukraine-Kriegs auf anhaltend hohe Preise ein. Und darauf, dass "die aktuelle Krise nicht in wenigen Monaten vorübergehen" wird. Insgesamt spricht er von einer "historischen Herausforderung".
Damit nicht genug: Christian Lindner, Finanzminister, warnt vor einer "ernstzunehmenden Wirtschaftskrise" und "drei bis vier, vielleicht fünf Jahren der Knappheit". Die Rede ist jetzt insgesamt viel von Verzicht. Dem "Spiegel" zufolge besonders für Langzeitarbeitslose. Deren Hilfsgelder will Lindner in den kommenden Jahren wohl drastisch kürzen.
Okay, verstanden: Die Zeiten werden entbehrungsreich. Doch das gilt eben nicht für jeden. Für Lindner - und Scholz - jedenfalls schon mal nicht. Denn mitten in der Inflation feiert der Finanzminister, unter den 140 Eingeladenen der Kanzler, eine dreitägige Hochzeit auf Sylt. Und was für eine. Das wird keine kleine Nummer.
Nur kein Neid, richtig. Wer hat, der hat, wer kann, der kann – kann sich das leisten. Die "Sansibar" am Strand, die "Vogelkoje" in Kampen, Trauung in der pittoresken Kirche in Keitum (obwohl beide nicht mehr in der Kirche sind): Heirat in der Traumkulisse. Privatsache? Ja, schon – aber eine mit öffentlicher Wirkung.
Mangelndes Fingerspitzengefühl
Manchmal, nicht wahr, wird das Private politisch. In diesen Zeiten Champagner-Sausen, Preise von 590 Euro pro Nacht im Spa Resort (auch wenn die Hochzeitsgäste das selbst zahlen), Anreisen mit dem Flugzeug – das zeugt von wenig Fingerspitzengefühl.
Christian Linder ist Bundesminister, nicht allein Minister für die, die sich weiter 5-Sterne-Aufenthalte auf Sylt leisten können. Da wäre Wirtschaftsliberalität aber falsch verstanden. Wie das wirkt: unsensibel und politisch unklug. Unverständlich, dass ausgerechnet Lindner so was macht, ist er doch sonst sehr so auf seine Außenwirkung bedacht.
Wer mit ernstem Gesicht von einer Wirtschaftskrise spricht, der sollte es ernst meinen – und auch bei sich ernst machen. Am besten, am klügsten mit wenigstens noch einem kleinen bisschen mehr an eigenem Verzicht. Zuweilen ist Politik dann doch Führen durch Vorbild. Was für eines soll das sein?
- Hinweis: In einer früheren Version des Artikels haben wir Christian Lindner fälschlicherweise als Vizekanzler bezeichnet. Wir bitten den inzwischen korrigierten Fehler zu entschuldigen.