Update Sachsen
Merken

Kretschmer: "Die Menschen wollen niedrige Energiepreise"

Sachsens Regierungschef erneuert seine Kritik am Kurs des Bundes und wird vom Ex-Ostbeauftragten Wanderwitz scharf angegangen. Das wiederum gefällt dem scheidenden ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). © Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht einen möglichen Wegfall der Gasumlage als richtigen Schritt an, kritisiert jedoch, dass es bisher keine andere Lösung zur Rettung angeschlagener Energieunternehmen gebe. "Die Dinge sind nicht durchdacht", wirft Kretschmer der Bundesregierung am Mittwochmorgen in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk vor.

Die ab dem 1. Oktober geltende Gasumlage ist eine zusätzliche Abgabe für Gaskunden. Mit dem Geld sollen Gasimporteure entlastet werden. Weil der Staat beim Großkonzern Uniper einsteigt, wäre es möglich, dass ein staatliches Unternehmen mit Steuermitteln gestützt werden könnte. Aus diesem Grund will die Berliner Ampel die Umlage auch schnell wieder loswerden. Unter anderem der sächsische Gaskonzern VNG hatte sich allerdings bereits auf Gelder daraus beworben.

Mit Blick auf andere Länder in Europa, sagt Kretschmer, tue Deutschland nicht genug, um die Energiepreise zu senken und damit Bevölkerung wie Wirtschaft zu entlasten. Das geplante dritte Entlastungspaket gegen die Folgen der Energiekrise, um das es am Mittwoch bei einem Treffen der Ministerpräsidenten geht, genügten nicht. "Wir haben keine Preisdeckel, wir haben keine Lösungen. Wir haben eine Bundesregierung, die sich nicht einigen kann."

Schließlich erneuert Kretschmer seine Forderung, alles an Möglichkeiten bei der Energieerzeugung "in die Waagschale" zu werfen. "Die Menschen wollen niedrige Energiepreise." Neben längeren Laufzeiten bei den drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerken oder der Förderung von Gas im eigenen Land sieht Kretschmer auch deshalb weiterhin in Russland einen Partner für die Zukunft. "Wir müssen ein Interesse daran haben, dass nach diesem Krieg, vielleicht auch nach Putin, es wieder ein anderes Miteinander gibt."

Kretschmer kritisiert Ankündigungen zu Atomkraftwerken

Kretschmer kritisierte zudem die Ankündigungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über einen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken im ersten Quartal 2023 als unzureichend. Es sei Ideologie, "dass der Bundeswirtschaftsminister nicht für die Atomkraftwerke jetzt ein generelles Weiterlaufen verfügt, dass er nicht den Preis im Blick hat oder die Versorgungssicherheit, sondern so eine temporäre Lösung anstrebt". Habeck sei nicht beim Thema, was die Menschen beschäftige, nämlich den steigenden Preisen, kritisierte Kretschmer im Deutschlandfunk.

Habeck geht davon aus, dass die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim "wohl" im ersten Quartal 2023 am Netz bleiben. Er machte am Dienstag in Berlin deutlich, die Entwicklung am französischen Strommarkt sei deutlich schlechter als prognostiziert. Habeck hatte Anfang September den Plan für eine sogenannte Einsatzreserve der beiden Atomkraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg angekündigt. Das dritte noch aktive Atomkraftwerk Emsland soll nicht Teil dieser Reserve sein und fristgerecht zum Jahresende abgeschaltet werden.

Wanderwitz: Kretschmers Russland-Position problematisch

Insbesondere Kretschmers Russlandpolitik polarisiert seit Monaten. Nun hat der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz die Positionen der sächsischen CDU unter Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisiert. "Wenn man als CDU-Politiker vom AfD-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht namentlich gelobt wird, hat man etwas verkehrt gemacht", sagt der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung im Interview mit der "Leipziger Volkszeitung".

Ohne Kretschmers Position gebe es kein "Russland-Problem" in der CDU, sagte Wanderwitz. "Dann könnte man uns nicht vorwerfen, auch wir hätten einen dezidierten Russland-Versteher in unseren Reihen." Eine Personaldebatte in der sächsischen CDU wolle er aber nicht mit seiner Kritik anstoßen.

Die Kritik von Wanderwitz gefällt auch dem scheidenden ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. Auf Twitter legte dieser nach. "Endlich kriegt Putin-Fan & Russland-Anbeter MP Kretschmer in die Fresse auch aus den eigenen Reihen. Danke lieber Marco Wanderwitz für Ihre klaren Worte", schreibt Melnyk, der für seine scharfzüngigen Aussagen bekannt ist. Schon oft hat er Kretschmer für dessen Russland-Politik auf Twitter angegangen. Melnykist seit knapp acht Jahren Botschafter der Ukraine in Deutschland, soll aber im Oktober nach Kiew abberufen werden, wo er ins ukrainische Außenministerium wechseln soll. (SZ/fad/dpa)