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Umsturz-Pläne: Kretschmer für mehr Befugnisse von Polizei und Justiz

Nach den Razzien in der Reichsbürgerszene fordert Sachsens Ministerpräsident konsequentes Vorgehen gegen die "Feinde der Demokratie". Auch andere Politiker äußern sich.

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Michael Kretschmer fordert konsequenteres Vorgehen des Rechtsstaats gegen Reichbürger und andere Demokratiefeinde.
Michael Kretschmer fordert konsequenteres Vorgehen des Rechtsstaats gegen Reichbürger und andere Demokratiefeinde. © Archivbild: kairospress

Freiberg/Dresden. Nach dem Bekanntwerden von Umsturzplänen sogenannter Reichsbürger haben sich haben sich auch sächsische Politiker zu den bundesweiten Razzien geäußert.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte mehr Befugnisse für Polizei und Justiz. Die Bevölkerung stehe oft kopfschüttelnd daneben, dass unter dem Deckmantel des Datenschutzes vieles nicht möglich sei und Unsicherheiten in Kauf genommen würden, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur am Rande eines Besuches bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Freiberg: "Wir sind eine Demokratie, wir sind ein Rechtsstaat. Die Dinge werden alle mit Richtervorbehalt geklärt. Deswegen muss man mehr Instrumente freigeben."

Kretschmer zufolge dürfe sich die Bundesregierung dabei nicht ständig gegenseitig die Beine stellen. "Die Sicherheit Deutschlands geht vor." Das habe die Razzia am Mittwoch gezeigt. Solchen Leute müsse man hart und entschieden entgegentreten. Dazu brauchten Polizei und Justiz die Instrumente.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und Michael Kretschmer am Mittwoch in Freiberg.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r.) und Michael Kretschmer am Mittwoch in Freiberg. © dpa/Jan Woitas

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwochmorgen 25 Menschen aus der Szene der "Reichsbürger" festnehmen lassen. Auch in Sachsen gab es dabei Festnahmen.

Kretschmer wertete das Vorgehen der Behörden als Beleg dafür, dass die Demokratie und der Rechtsstaat wehrhaft sind. "Es gibt Feinde der Demokratie, unseres Zusammenlebens, die sich zusammenrotten."

Man müsse dem Staat die Möglichkeit geben, diese auch wirkungsvoll zu verfolgen. Dazu brauche man neben Technik und Personal vor allem eine rechtliche Klärung, was möglich ist. "Diese Verbrecher halten sich an keine Konventionen." Deutschland dürfe sich nicht "blind machen". Eine Erfahrung aus der Zeitenwende sei auch, dass man die Demokratie schützen müsse: "Wir müssen wehrhaft sein."

Steinmeier sieht "neues Niveau"

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der derzeit seine Geschäfte im sächsischen Freiberg führt, zeigte sich besorgt. Steinmeier sagte dem Radiosender MDR Aktuell, er kenne das, was den Ermittlern vorliege, noch nicht im Detail. Es sei "allerdings ein neues Niveau". Sollte sich bestätigen, dass terroristische Straftaten in Vorbereitung seien, "dann muss auch gehandelt werden, dann muss auch das Strafrecht Grenzen setzen". Deutschland sei eine liberale Demokratie. "Aber diese liberale Demokratie muss auch eine wehrhafte sein."

"Die Wehrhaftigkeit der Demokratie beweist sich auch darin, dass sich diejenigen, die anderer Meinung sind, die ein liberales, ein demokratisches, ein offenes Deutschland wollen, lauter äußern, als das gelegentlich der Fall ist", betonte der Bundespräsident und verwies auf die Gesprächskultur in den sozialen Medien. Dort seien jeden Tag Hass und Hetze zu erleben: "Ich wünschte mir manchmal, dass auch Teilnehmer in den sozialen Medien hier Grenzen setzen und sagen: Das ist etwas, das so unerträglich ist, das will ich nicht lesen, geschweige denn klicken."

Innenminister Schuster: Kein Platz für Extremisten

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) äußerte sich so: „Das ist ein starker Ermittlungserfolg, der auch unsere sächsische Null-Toleranz-Politik gegenüber jeder Form von Extremismus wirkungsvoll unterstützt. Ich danke den Sicherheitsbehörden besonders für das Erkennen der netzwerkartigen Strukturen.

Die Ermittlungen zeigen einmal mehr, dass wir es hier nicht mit ‚harmlosen Wirrköpfen‘ zu tun haben. Sie sind bereit, ihre kruden Narrative, Verschwörungsideologien oder ‚Tag-X-Fantasien‘, mit Waffengewalt in die Tat umzusetzen. Unsere Strategie mit dem neuen Expertennetzwerk in Sachsen zielt deshalb darauf ab, Extremismus in keiner Form auch nur einen Millimeter Raum zu bieten.“

Sächsische Politikerin: Fall hat "beängstigende" Ausmaße

Auch andere Politiker in Sachsen äußerten sich zu den Razzien. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag forderte ebenfalls ein konsequentes Vorgehen: "Mit Blick auf Tatverdächtige aus Sachsen gilt es nun, die entsprechenden Netzwerke und das verfassungsfeindliche Geflecht von Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und der AfD im Freistaat umfassend."

Für die Innenexpertin der sächsischen Linksfraktion, Kerstin Köditz, hat „der Fall beängstigende Ausmaße“. Er sei ein Beleg für das Gewaltpotenzial, „das von sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen, völkischen Nationalisten und radikalisierten ‚Querdenkern‘ ausgeht – besonders dort, wo sie sich zusammenschließen“. Wichtig sei, dass der Rechtsstaat konsequent einschreite. Dazu gehöre auch, das „komplette Netzwerk, das mutmaßlich in Teile der AfD heineinreicht, umfassend auszuleuchten“, betonte Köditz.

Albrecht Pallas, Innenexperte der sächsischen SPD-Landtagsfraktion, bezeichnete den Blick auf die Berufsstände einiger Verdächtiger als „besorgniserregend“. So seien eine Richterin und ein Elitesoldat darunter. „Das zeigt den dringenden Handlungsbedarf, Verfassungsfeinde aus dem Staatsdienst fernzuhalten oder zu entfernen“, betonte Pallas. (SZ/dpa)