Versuchter Mord? Großprozess gegen linksextreme Bande beginnt in Dresden
Dresden. Wenn am Dienstag in Dresden ein für knapp zwei Jahre geplanter Prozess beginnt, wird das auch eine Art Neuaufführung eines bereits bekannten Stückes: Es geht um die linksextreme Bande, die vor allem von Leipzig aus Jagd auf tatsächliche und vermeintliche Neonazis gemacht hat. Und den Kronzeugen, der mal dazu gehört hat. All das ist vor dem Oberlandesgericht (OLG) schon einmal verhandelt worden – und unter anderem die Linksextremistin Lina E. zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden.
Vieles wird aber neu sein, wenn nun sechs weitere Männer und eine Frau auf der Anklagebank sitzen, weil sie Teil derselben Gruppe gewesen sein sollen oder sie unterstützt haben.
Und das liegt vor allem an dem Hauptangeklagten: Johann G. Er bringt Dinge mit, die im ersten Prozess kaum eine Rolle gespielt haben: einschlägige Vorstrafen und Hafterfahrung. Ein mehr als vier Jahre langes Leben im Untergrund. Und – das zusammen mit zwei anderen Angeklagten – einen noch einmal schwereren Vorwurf: versuchter Mord.
Rechtsextreme Vergeltung nach Attacke in Dessau-Roßlau
Das wirft der Generalbundesanwalt Johann G. etwa wegen einer Attacke im Januar 2019 am Bahnhof in Dessau-Roßlau vor. Dort waren vier Teilnehmer einer rechtsextremen Demonstration heftig angegriffen worden, den Ermittlern zufolge auch mit einem Hammer und einer Eisenstange. Dass dabei der Tod der Opfer mindestens in Kauf genommen worden sei, formulierte der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt schon 2020. Die Tat hatte damals nicht nur für die Attackierten Folgen: Es gab danach mehrere rechtsextreme Demonstrationen. Bei einer wurde ein von den Protestierenden für links gehaltenes 14 Jahre altes Mädchen angegriffen.
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Zur vollständigen AnsichtDen Vorwurf des versuchten Mordes nehme man ernst, sagt Kristin Pietrzyk, eine der Verteidigerinnen von Johann G. Sie gehe davon aus, dass das OLG den Vorwurf genau untersuchen werde „und uns damit die Möglichkeit gibt, die Vorwürfe einer billigenden Inkaufnahme einer Tötung auszuräumen.“ Johann G. selbst wird nach Auskunft von Pietrzyk nicht zu den Vorwürfen sprechen.
Weiterer Prozess gegen Gruppe in Düsseldorf
Neben dem Prozess in Dresden beginnt im Januar ein weiterer gegen die Gruppe am OLG Düsseldorf. Wegen Attacken auf Rechtsextreme in Budapest läuft derzeit ein Verfahren gegen die rechtswidrig ausgelieferte Person Maja T. in Ungarn. Auch Johann G. soll in Budapest dabei gewesen sein und auch für diese Attacken wird ihm und einem weiteren Mann in Dresden versuchter Mord vorgeworfen. Das ist hochumstritten: In einem Verfahren gegen eine mutmaßliche Budapest-Mittäterin am OLG München sind die Richter dem zuletzt nicht gefolgt.
Die Verhandlung der Attacken in Budapest bringt noch etwas Neues in diesen zweiten Dresdner Linksextremisten-Prozess: eine noch größere politische Dimension. In den Fall von Maja T. haben sich mehrere Politiker eingeschaltet, er befasst das Auswärtige Amt. Und erst kürzlich stuften die USA – offenbar nach dem Vorbild von Ungarn – die Gruppe, die teilweise auch „Antifa Ost“ genannt wird, als Terrorvereinigung ein.
Rund 140 Verhandlungstage geplant
Insgesamt sollen in Dresden 13 Attacken verhandelt werden, angesetzt sind dafür rund 140 Verhandlungstage. Auch für die drei Angeklagten, die derzeit nicht in Untersuchungshaft sind. Darunter ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Leipzig, Henry A. Ihm wird die Beteiligung an einem Angriff in Wurzen vorgeworfen. Außerdem soll er einen Schlüssel zu dem Raum in einem Wohnhaus in Leipzig-Connewitz aufbewahrt haben, in dem die Gruppe etwa Schlagwerkzeuge und Handschuhe deponiert habe.
Für sich genommen ist solcherlei eher eine Nummer zu klein für den Staatsschutzsenat eines OLG. Dennoch sind Versuche, Teile des Verfahrens abzutrennen, gescheitert. Aus Gerichtskreisen wird dazu auf das angeklagte Vereinigungsdelikt verwiesen. Und so ist auch Henry A. nicht „nur“ wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, sondern auch wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung – zu bestrafen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis.