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Warum lügen Politiker, Herr Ramelow und Herr de Maizière?

Im Podcast "Debatte in Sachsen" reden die beiden Spitzenpolitiker Thomas de Maizière und Bodo Ramelow über Wahrheit und Ehrlichkeit - und warum der Umgang damit nicht immer leicht ist.

Von Oliver Reinhard
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Der frühere Bundesminister Thomas de Maizière (links) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sind zu Gast im Podcast "Debatte in Sachsen".
Der frühere Bundesminister Thomas de Maizière (links) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sind zu Gast im Podcast "Debatte in Sachsen". © [M] Jürgen Lösel/Jörg Carstensen/dpa/SZ

"Politiker lügen im Durchschnitt weniger als der Rest der Bevölkerung", sagt der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Podcast "Debatte in Sachsen" zum Thema "Die Lüge in der Politik". Offizielle Aussagen seien öffentlich und könnten jederzeit überprüft werden. "Die totale Transparenz im Politischen ... geht inzwischen so weit, dass in Untersuchungsausschüssen sogar der SMS-Verkehr und die WhatsApp-Nachrichten überprüft werden", so der 68-Jährige.

"Selbst wenn man ein Lump ist, ist man gut beraten in der Politik, in der Demokratie, nicht zu lügen, weil es eh rauskommt." Teile der AfD zum Beispiel nehme de Maizière jedoch aus, "denn da ist die Propaganda auch mit Lügen ein Teil ihrer Daseinsberechtigung".

"Mein Grundprinzip heißt: Ich bemühe mich, nicht zu lügen", ergänzt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke). Das täte er umso mehr, als er in seinem Leben als Politiker einmal wirklich bewusst gelogen habe, nach dem Massaker an der Erfurter Guttenberg-Schule vor 20 Jahren. Damals habe er der Angehörigen eines Opfers nicht die ganze Wahrheit gesagt. "Das hat mich sehr belastet. In diesem Fall habe ich diese Person geschützt, indem ich tatsächlich vorsätzlich die Unwahrheit gesagt habe."

Die Aussage "Es wird keine allgemeine Impfpflicht geben", die Gesundheitsminister Jens Spahn und andere führende Politiker um den Jahreswechsel 2020/21 immer wieder geäußert haben, hält Ramelow jedoch nicht für eine Lüge.

"Den Satz habe ich schon falsch gefunden, als er zur Beschlusslage in der Pressekonferenz war. Ich habe ihn damals aber mitgetragen", so der 66-Jährige. "Er fiel zu einem Zeitpunkt, als alle der Meinung waren: Sobald wir den Impfstoff haben, werden die Leute Schlange stehen, und wir werden gar keine Impfpflicht brauchen." Doch man könne jetzt im Frühjahr 2022 noch nicht eindeutig sagen, ob es doch noch zu einer Impfpflicht kommen werde oder nicht. "Der Satz war also falsch, aber er war bis jetzt nicht gelogen."

Verschweigen von Teilen der Wahrheit ist noch keine Lüge

Grundsätzlich müsse man jedoch einen Unterschied machen zwischen dem Lügen und dem Verschweigen der ganzen Wahrheit, sagt der Ministerpräsident. Letzteres sei gelegentlich zulässig. "Auch als Gewerkschafter musste ich schon in Konflikte rein, bei denen es manchmal hilfreicher war, nicht alles zu sagen, was man wusste, weil es nicht zu einer Lösung geführt hätte", so Ramelow.

Das Gespräch zwischen Thomas de Maizière und Bodo Ramelow wurde von SZ-Redakteur Oliver Reinhard moderiert und über eine Videokonferenz geführt.
Das Gespräch zwischen Thomas de Maizière und Bodo Ramelow wurde von SZ-Redakteur Oliver Reinhard moderiert und über eine Videokonferenz geführt. © sächsische.de

Seinen legendären Satz "Ein Teil dieser Antworten könnte Sie verunsichern" würde Thomas de Maizière jedoch "so nicht mehr äußern". Damit hat er 2015 nach der Absage eines Fußballspiels in Hannover wegen einer Terrorwarnung auf die Frage eines Journalisten reagiert. "Die Frage an mich lautete: 'Ist die Lage vorbei?' Sie bedeutete aber 'Sind Menschen noch gefährdet - oder nicht?' Also habe ich diese unglückliche Antwort gegeben ... das hätte ich besser machen können". Aber man solle von einem Innenminister, der für die Sicherheit verantwortlich ist, "in so einem Fall nicht verlangen, dass er die vollständige Wahrheit sagt".

Auch mache es einen Unterschied, ob eine Politikerin oder ein Politiker sich öffentlich oder nichtöffentlich im geschlossenen Kreis äußere, so de Maizière. "Wenn Sie zu einem Kabinettskollegen nichtöffentlich 'Ganz toll, was du gemacht hast' sagen, das aber tatsächlich für eine totale Fehlleistung halten - sowas geht nicht." Das sei unkollegial und fiele sowieso auf. "Wenn Sie da lügen, das macht jede Regierung, jede Partei, jede Koalition, jede Fraktion kaputt", sagt der CDU-Politiker. "Öffentlich dürfen Sie gerne ein bisschen drum herumreden aus Gründen der Parteisolidarität, ohne direkt die Unwahrheit zu sagen."

Außerdem Schwerpunkte der Diskussion:

  • Warum Politiker manchmal etwas anderes sagen als das, was sie wirklich denken.
  • Warum Helmut Kohls Satz von den "blühenden Landschaften" keine Lüge war.
  • Warum manche Menschen auch mal belogen werden wollen.
  • Warum Despoten wie Wladimir Putin notorisch lügen.

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