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Einigung von EU-Staaten: Asylverfahren sollen verschärft werden

Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 arbeiten die EU-Staaten an einer Reform des EU-Asylsystems. Nach viel Streit gibt es nun einen Durchbruch bei den Verhandlungen.

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Flüchtlinge stehen im September 2015 nahe der deutsch-österreichischen Grenze:  Solche Bilder soll es durch eine Asyl-Reform künftig nicht mehr geben.
Flüchtlinge stehen im September 2015 nahe der deutsch-österreichischen Grenze: Solche Bilder soll es durch eine Asyl-Reform künftig nicht mehr geben. © Archivbild: dpa/Armin Weigel

Luxemburg. Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der schwedische Ratsvorsitz am Donnerstagabend nach stundenlangen schwierigen Verhandlungen mitteilte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Es waren keine leichten Entscheidungen, für alle die hier am Tisch stehen, aber es waren historische."

Vorgesehen in den nun vereinbarten Reformplänen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte.

Bundesinnenministerin Faeser sagte nach der Entscheidung allerdings, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit Portugal, Irland und Luxemburg weiter für Ausnahmen einsetzen wird. Denkbar ist auch, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.

Neben den verschärften Asylverfahren sehen die am Donnerstag beschlossenen Pläne auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Zudem sollen die Reformpläne weitreichende Kooperationsprojekte mit Nicht-EU-Ländern ermöglichen. Nach Angaben der zuständigen Kommissarin Ylva Johansson könnten abgelehnte Asylbewerber künftig grundsätzlich auch in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden. Einzige Voraussetzung soll sein, dass sie eine Verbindung zu diesem Land haben. Wie diese aussehen muss, soll im Ermessen der EU-Mitgliedstaaten liegen, die für das jeweilige Asylverfahren zuständig sind.

Die Bundesregierung hatte sich eigentlich dafür stark gemacht, einen reinen Transitaufenthalt in einem Drittstaat nicht als Verbindung anzuerkennen, sondern nur zum Beispiel durch im Land lebende Familienangehörige. Diese Forderung musste allerdings am Donnerstag im Laufe der Verhandlungen aufgegeben werden, um eine Einigung auf die Pläne für die Asylreform zu ermöglichen. Sollte sie beschlossen werden, könnte damit zum Beispiel Italien über das Mittelmeer kommende Menschen in das Land zurückschicken, wenn sich die Regierung in Tunis einverstanden damit erklärt. Um sie zu einer Zustimmung zu bewegen, könnte etwa finanzielle Unterstützung geleistet werden.

In einer Erklärung zu der Einigung wird auch festgehalten, unter welchen Voraussetzungen Behörden in der EU Asylanträge ohne detaillierte Prüfung für unzulässig erklären können. Dies soll demnach möglich sein, wenn sie von Flüchtlingen gestellt werden, die über einen sicheren Drittstaat eingereist sind. Voraussetzung dafür soll sein, dass die Menschen auch in diesem sicheren Drittstaat effektiven Schutz gewährt bekommen könnten.

Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.

An der Reform wird bereits seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 intensiv gearbeitet. Damals waren Länder wie Griechenland mit einem Massenzustrom an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig.

Vor allem Osteuropäer gegen Reform

Nicht unterstützt wurde die Reform bei dem Treffen von den Ländern Polen, Ungarn, Malta, der Slowakei und Bulgarien. Tschechien machte nach der Einigung deutlich, dass es sich nicht an dem Solidaritätsmechanismus beteiligen will. Polen und Ungarn hatten sich bereits in der Vergangenheit ähnlich geäußert.

Faeser ließ sich davon allerdings am Abend nicht die Laune verderben. "Ich finde, das lässt sich wirklich sehr gut sehen", sagte sie kurz nachdem es im Sitzungssaal Applaus zur erfolgreichen Abstimmung gegeben hatte. Jetzt müsse man an der Umsetzung und den konkreten Ausgestaltungen arbeiten.

Baerbock verteidigt EU-Asylkompromiss

Vorher könnte vor allem den Regierungspolitikern der Grünen noch Ärger drohen. Aus den Reihen der deutschen Grünen war noch kurz vor der Abstimmung Kritik gekommen. Der Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte: "Die Reform schafft keine faire Teilung von Verantwortung, das ist für Staaten wie Italien ein zentrales Problem." Auch wären die Regelungen zur Verteilung von Geflüchteten wirkungslos, "wenn Staaten sich einfach rauskaufen können und stattdessen Grenzschutz finanzieren". Damit würden "überfüllte Massenlager" zum neuen Standard - dem dürfe Faeser nicht zustimmen. Mit Blick auf Faesers Spitzenkandidatur in Hessen sagte Pahlke, die Bundesinnenministerin müsse das Wohl Flüchtender im Blick haben und nicht die Taktik für ihren Landtagswahlkampf.

Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte hingegen die Zustimmung der Parteiführung. "Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher. Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätte beschließen können, dann sähe sie anders aus", schrieb sie am Donnerstag in einer Erklärung. "Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wer meint, dieser Kompromiss ist nicht akzeptabel, der nimmt für die Zukunft in Kauf, dass niemand mehr verteilt wird." (dpa)