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Dresdner OB-Wahlkampf: "Wir hätten ein anderes Spitzenpersonal gebraucht"

Dirk Hilbert oder Eva Jähnigen: Ein Duell entscheidet, wer zukünftig an der Stadtspitze steht. Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer über Chancen und Versäumnisse der Kandidaten im Wahlkampf sowie über die Dresdner "Selbstprovinzialisierung".

Von Georg-Dietrich Nixdorf & Dirk Hein
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Hans Vorländer vom Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden hofft auf ein Signal der Erneuerung in der Stadt - hat aber Zweifel, ob dies mit den aktuellen Bewerbern gelingt.
Hans Vorländer vom Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden hofft auf ein Signal der Erneuerung in der Stadt - hat aber Zweifel, ob dies mit den aktuellen Bewerbern gelingt. © Matthias Rietschel

Dresden. Am 10. Juli wählt Dresden einen neuen Oberbürgermeister - oder eine neue Oberbürgermeisterin. Alles konzertiert sich auf das Duell zwischen Amtsinhaber Dirk Hilbert (FDP) und Herausforderin Eva Jähnigen. AfD-Kandidat Maximilian Krah ist maximal das Zünglein an der Waage. Im Gespräch mit Sächsische.de äußert Politikwissenschaftler Hans Vorländer seine Enttäuschung über den aktuellen Wahlkampf und formuliert konkrete Erwartungen für die nächsten sieben Jahre.

Herr Professor Vorländer, 47,4 Prozent Wahlbeteiligung bei einer OB-Wahl: Was sagt das aus - ist das viel oder wenig, wäre mehr nicht erstrebenswert für Dresden?

Wir haben gerade bei den Landkreiswahlen gesehen, dass die Wahlbeteiligung auch dort nicht höher war. Es müssten schon zwei markante Persönlichkeiten gegeneinander antreten oder es muss es ein polarisierendes Thema geben, bei dem mobilisiert werden kann, dann ist die Wahlbeteiligung höher. Knapp 50 Prozent Wahlbeteiligung ist fast noch gut. Es ist auch noch kein Zeichen für eine Schwäche der Demokratie.

Woher kommt der große Unterschied zu Bundestagswahlen, wo die Wahlbeteiligung deutlich höher ist?

Die mediale Zuspitzung ist da größer, in Kombination mit polarisierenden Personen und Themen führt dies dazu, dass stärker mobilisiert werden kann. Bei kommunalen Themen geht es eher um Sachangebote für die Lösung kommunaler Probleme.

Haben Sie diese Lösungsvorschläge im aktuellen Dresdner Wahlkampf gefunden?

Nein. Nur hier und da gibt es Äußerungen, wie einzelne Probleme gelöst werden können. Meist sind es aber Absichtserklärungen, die wir vorfinden.

Wie würden Sie generell den zurückliegenden Wahlkampf in Dresden einschätzen?

Es fehlt mir die Bewegung, es fehlt das allumfassende Thema, es fehlt auch ein bisschen die Polarisierung. Es fehlt das Momentum, was Kandidatinnen und Kandidaten erzeugen können, um Menschen für sich zu gewinnen. In einer Situation, in der offensichtlich noch nicht alles entschieden ist, wäre das wichtig.

Haben Sie überhaupt wirkliche Unterschiede zwischen den Kandidaten wahrgenommen?

Man sieht im Augenblick den Versuch des Amtsinhabers, das Klimathema zu besetzen. Das ist ein Thema, bei dem er eher das Wählerklientel von Frau Jähnigen vermutet. Ich sehe hier einen leichten Ansatz der Polarisierung. Eine andere Frage ist, ob Herr Hilbert dieses Thema nach einer gewonnenen Wahl auch so prominent besetzt, wie er es im Augenblick zumindest medial versucht.

Sehen Sie einen ähnlichen Angriffsversuch bei Frau Jähnigen?

Ich sehe im Moment bei Frau Jähnigen keine Besetzung eines Themas, welches einen Einbruch in die Wählerklientel von Herrn Hilbert vermuten lässt. Sie betont sehr das Klimathema, sie lässt sich sehr oft in der grünen Natur abbilden. Das ist aber ohnehin ihr Thema, das ist nichts Neues. Sie versucht zudem deutlich zu machen, dass sie einen anderen Führungsstil hat. Das waren aber auch schon vor dem ersten Wahlgang ihre Themen. Darüber hinaus ist nichts Neues dazu gekommen.

Frau Jähnigen müsste deutlich machen, wie sie die Wirtschaftskraft Dresden stärken will, welche Perspektiven sie über die Klimafreundlichkeit und den Umbau der Verkehrswege hinaus hat.