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Leipzig bringt die Linke in den Landtag

Nach der Bundestagswahl hat sich die Linke einmal mehr durch die Hintertür einen Parlamentsplatz gesichert – und wieder in ihrer Hochburg.

Von Sven Heitkamp
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Nam Duy Nguyen (l.) und Juliane Nagel holten für die Linke zwei Direktmandate in Leipzig. Dadurch zieht die Partei trotz Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde in den Sächsischen Landtag ein.
Nam Duy Nguyen (l.) und Juliane Nagel holten für die Linke zwei Direktmandate in Leipzig. Dadurch zieht die Partei trotz Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde in den Sächsischen Landtag ein. © dpa/JanWoitas, Landesverband Linke

Bei Sachsens Linken haben sie einen kleinen Kalauer, der viel über die Größenverhältnisse in der Partei aussagt: Sie sprechen zuweilen vom „Landesverband Leipzig“. Das hat viel mit den Mitgliederzahlen zu tun. Rund 1.800 Genossinnen und Genossen sollen es aktuell sein. Die Leipziger gelten damit als Deutschlands größter Stadtverband.

In Sachsen stellen sie auf jeden Fall eine enorme Hausmacht unter den 6.400 Mitgliedern dar. Selbst in Dresden sind nur etwa 1.000 Genossen organisiert. Kein Wunder also, dass die Parteispitze für ihr Projekt "Überlebenskampf" Leipzig auserkoren hatte.

Um den Klassenerhalt im Landtag abzusichern, mussten zwei Wahlkreise in der Metropole gewonnen werden. Juliane Nagel in Connewitz galt als sichere Bank, sie hat dort schon mehrfach gewonnen. Nun kam als Zweiter Nam Duy Nguyen hinzu, 28, Sohn vietnamesischer Einwanderer, 1996 in Dresden geboren. Obwohl er bis vor kurzem nur Eingeweihten bekannt war, hat er im Stadtgebiet Mitte-Ost kräftig abgeräumt: 18.000 Stimmen, 39,8 Prozent.

Mit seinem Durchmarsch sind die Linken wieder als Fraktion im Landtag vertreten und dürfen insgesamt sechs Sitze belegen. Schon bei der Bundestagswahl 2021 rettete der Leipziger Sören Pellmann als Direktkandidat den Verbleib seiner Partei im Parlament. Nun kam zum zweiten Mal der Rettungsring aus der Messestadt.

Adam Bednarsky wundert das nicht. "Wir sind der rote Leuchtturm", sagt der Stadtchef. Gut 44.000 der landesweit 104.000 Stimmen haben sie allein in Leipzig geholt und liegen dort vor dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Auch bei der Kommunalwahl im Sommer hätten sie das bundesweit beste Ergebnis eingefahren: 17,5 Prozent, 160.000 Stimmen. Das Geheimnis des Erfolgs seien die vielen jungen Mitglieder und Wähler in den studentisch geprägten Stadtteilen.

Die Partei hat aber auch alles in die Waagschale geworfen, was irgendwie möglich war. Haben Hochburgen und Chancen analysiert, haben 300 Helferinnen und Helfer aktiviert und an 50.000 Haustüren geklingelt, an zahllosen Ständen und auf Plätzen gestanden. Fünfstellige Summen sollen allein in diesen Wahlkreis geflossen sein.

Hinzu kam Schützenhilfe von außen, je länger Nam Duy Nguyen auf der Straße stand: Die Kampagnenplattform Campact hat ihn unterstützt und bis zu 25.000 Euro bereitgestellt, um die AfD zu schwächen. Selbst Der Spiegel, Die Zeit und das ZDF haben in großen Reportagen und Porträts über den Zweikampf mit den Grünen berichtet, die ihr Direktmandat verteidigen wollten. "Das war ein Erdrutschsieg", jubelte der Gewinner am Abend.

"Wir haben den Leuten zugehört. Wir haben niemals etwas versprochen – außer, dass wir Politik anders machen werden." Die Linke wolle eine Partei sein, die arbeitenden Menschen nützlich sei. Dazu werde er nun mit Sozialsprechstunden loslegen.

Der Wahlforscher Hendrik Träger sieht im zweiten Direktmandat allerdings nur bedingt einen Erfolg des Kandidaten selbst. "Der Partei ging es ums politische Überleben, und es hat eher zufällig Herrn Nam getroffen", sagt Träger. "Allein aus eigener Kraft hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft."

Die Leipziger Linke habe sich als kampagnenfähig erwiesen und das maximal Mögliche herausgeholt. Der Erfolg habe auch etwas mit der Altersstruktur und den Unterstützern der Partei in Leipzig und mit der urbanen Wählerschaft zu tun, die auch strategisch gewählt habe.

Stadtchef Bednarsky will das Erfolgsrezept nun bald wiederholen. Seine Lehre aus dem Wahltag lautet: "Wir müssen raus aus der Komfortzone und rein in die Brennpunkte." Zur Bundestagswahl 2025 müsse die Linke genau in jene Gebiete gehen, in denen man reihenweise ehemalige Wähler an das BSW verloren habe.