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Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Wahlforum vor der Landtagswahl in Sachsen

Bildung, Sicherheit, Klimaschutz: Die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in Sachsen diskutierten im Wahlforum über die wichtigsten Themen für den Freistaat. Der große Überblick zur Debatte.

Von Thilo Alexe & Karin Schlottmann
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Die Spitzenkandidaten diskutierten beim Wahlforum vor der Landtagswahl in Sachsen.
Die Spitzenkandidaten diskutierten beim Wahlforum vor der Landtagswahl in Sachsen. © kairospress

Es geht in die heiße Phase vor der Landtagswahl am 1. September in Sachsen. Erstmals trafen am Donnerstag die Spitzenkandidaten in einer Debatte aufeinander. Anlass war das Forum "Sachsen wählt" von Sächsischer Zeitung, Freier Presse und Leipziger Volkszeitung.

Den Fragen der Chefredakteure/innen stellten sich:

  • Michael Kretschmer (CDU)
  • Jörg Urban (AfD)
  • Petra Köpping (SPD)
  • Sabine Zimmermann (Bündnis Sahra Wagenknecht)
  • Katja Meier (Bündnis 90/Grüne)
  • Susanne Schaper (Linkspartei)
  • Robert Malorny (FDP)

Wer positionierte sich wie zu den großen Themen Bildung, Sicherheit, Klimaschutz sowie Krieg und Frieden? Die wichtigsten Erkenntnisse des Wahlforums im großen Überblick.

Bildung: Niemand kann Lehrer herbeizaubern

An dem Thema kommt in diesem Wahlkampf keine Partei vorbei: Lehrermangel und hoher Unterrichtsausfall in den Schulen. Es kann nicht überraschen, dass keiner der Kandidaten ein Patentrezept anbieten kann. Es gibt aber einige Vorschläge, die zum Teil grundsätzlicher Natur sind. So möchten die Grüne Katja Meier und die Linke Susanne Schaper mehr Gemeinschaftsschulen einführen, um personelle Ressourcen frei zu schaufeln. Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sieht darin eine Lösung. Lehrer im Ruhestand, die gerne weiter arbeiten würden, könnten wieder aktiviert werden. Ihr Schwerpunkt in der Schulpolitik ist der Ausbau der Schulsozialarbeit.

BSW-Kandidatin Sabine Zimmermann sagte, ihre Partei würde zunächst einmal die Lehrpläne durchforsten und nur noch "notwendige" Inhalte drin lassen. Das würde die Lehrer entlasten, glaubt sie. Multifunktionale Teams könnten ebenfalls Lehrer bei nicht pädagogischen Aufgaben unterstützen. Der FDP-Spitzenkandidat Robert Malorny gibt zu, dass niemand Lehrer herbeizaubern könne. Sein Vorschlag: Lehrer aus der Kultusbürokratie abziehen und wieder unterrichten lassen. Er ist auch für eine regionalisierte Ausbildung.

AfD-Kandidat Jörg Urban will Schulbildung auf Kernkompetenzen wie Deutsch und Mathematik konzentrieren und durch eine verbindliche Bildungsempfehlung die Zahl der Abiturienten und Studienanfänger reduzieren. Es gebe zu viele junge Leute, die zu spät merkten, dass die Hochschule für sie ein Irrweg sei. Die Entscheidung über den Bildungsweg sollte nicht schon in der Klasse fallen.

Petra Köpping (SPD), Katja Meier (Grüne) und Michael Kretschmer (CDU) beim Wahlforum vor der Landtagswahl in Sachsen.
Petra Köpping (SPD), Katja Meier (Grüne) und Michael Kretschmer (CDU) beim Wahlforum vor der Landtagswahl in Sachsen. © kairospress

Köpping widerspricht der Idee Urbans, ukrainische Kinder nach ukrainischen Lehrplänen zu unterrichten. Die Hoffnung der Vertriebenen nach dem Überfall durch die Russen, sie könnten schnell wieder in ihre Heimat zurückkehren, werde sich wohl nicht erfüllen, sagte sie. Meier warf Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vor, deutsche Kinder gegen Kinder aus Einwandererfamilien auszuspielen. Kretschmer hatte gesagt, die Schulen müssten mit vielen Kinder zurecht kommen, die so nicht eingeplant waren.

Einig war sich die Runde, dass derzeit keine Kindergärten geschlossen werden sollen, obwohl der Geburtenrückgang dort angekommen ist. Der Mangel an Kindern solle genutzt werden, den Personalschlüssel und damit die Qualität zu verbessern, forderten unter anderem Köpping und Meier. Aber auch Urban sagte, die Kitas seien im ländlichen Raum ein wichtiger Standortfaktor. Die Finanzierung dieser Vorschläge blieb an dem Abend offen.

Innere Sicherheit: "Die Grenzpolizei kommt oben drauf"

Etwas überraschend stieß die Idee von Ministerpräsident Kretschmer, die Grenzen zu den polnischen und tschechischen Nachbarn mit einer neu zu gründenden Grenzpolizei besser zu schützen, bei anderen Kandidaten auf Zustimmung. Es dürften aber für die neue Einheit keine Beamten aus den Revieren abgezogen werden, forderte SPD-Spitzenfrau Petra Köpping. Auch BSW-Kandidatin Zimmermann glaubt, dass die Gründung einer Grenzpolizei zulasten der klassischen Landespolizei gehe. Kretschmer wies dies als Unterstellung zurück. "Die Grenzpolizei kommt obendrauf".

Es wurden aber auch deutliche Unterschiede im Bereich der Inneren Sicherheit. Justizministerin Meier (Grüne) hält den Rechtsextremismus für die größte Herausforderung in Sachsen. Infiltrationsversuche von China und Russland müssten ebenfalls mit Vehemenz bekämpft werden. Für die Linken sind Armut, Gewalterfahrung und Perspektivlosigkeit die Ursachen für Kriminalität. Sie forderte eine stärkere Fehlerkultur in der sächsischen Polizei. Es müsse eine starke Beschwerdestelle geben.

Kretschmer kritisierte, dass linke Parteien der Polizei stets nur Misstrauen entgegen brächten. Immer, wenn es im Landtag um neue Befugnisse für die Polizei gehe, wären sie "ganz schnell weg". Es mache etwas mit Polizisten, wenn man ihnen ständig Fehler unterstelle. Auch Migranten vor allem in Problemgebieten wünschten sich mehr Polizisten, die für mehr Sicherheit und Ordnung sorgten.

Zimmermann und AfD-Kandidat Urban kritisierten, dass unkontrollierte Einwanderung die Innere Sicherheit geschwächt habe und forderten ein Umsteuern. Kretschmer nannte die illegale Migration ebenfalls zu hoch. Mehr als 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge pro Jahr seien in Deutschland nicht verkraftbar.

Jörg Urban (AfD) und Sabine Zimmermann (BSW) kritisierten, unkontrollierte Einwanderung habe die Innere Sicherheit geschwächt.
Jörg Urban (AfD) und Sabine Zimmermann (BSW) kritisierten, unkontrollierte Einwanderung habe die Innere Sicherheit geschwächt. © Matthias Rietschel

Krieg in der Ukraine: Alle wollen Frieden, aber...

Der Krieg in der Ukraine ist kein landespolitisches Thema. Doch die Haltung dazu ist, wie Moderator und Freie-Presse-Chefredakteur Torsten Kleditzsch hervorhob, für viele Sächsinnen und Sachsen wahlentscheidend. Frieden wünschen sich alle politischen Akteure auf dem Podium. Der Weg dorthin aber ist unterschiedlich.

Regierungschef Michael Kretschmer will den Krieg mit Diplomatie anhalten. Geld solle nicht dafür ausgegeben werden, „dass Leute sich dort gegenseitig totschießen“. Es müsse in die deutsche und europäische Sicherheit fließen. In einem kurz nach dem Forum veröffentlichten Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland regt er sogar die Kürzung der Ukrainehilfe angesichts des Haushaltsstreits der Ampel an.

BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann ging überraschend auf Distanz zu Kretschmer. Sie ist zwar auch für Verhandlungen mit Russland. Zimmermann warf dem CDU-Landeschef aber vor, die Stationierung weit reichender US-Waffen zu verteidigen. Grünenministerin Katja Meier zeigte sich dagegen mit Kretschmer beim Thema militärische Stärke Europas einig. „Frieden kann es nur in Freiheit geben“, sagte sie zudem mit Blick auf die Ukraine.

Für SPD-Ministerin Petra Köpping ist eine „gewisse Wehrhaftigkeit“ für Deutschland notwendig. Vom Wort „Kriegstüchtigkeit“, das SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius verwendet, halte sie aber „nicht so sehr viel“. Sie bevorzuge „Wehrfähigkeit“.

Die Linke Susanne Schaper bezweifelte, dass im dritten Kriegsjahr weitere Waffenlieferungen Frieden bringen können. FDP-Mann Robert Malorny sagte, die Entscheidung träfen Russen und Ukrainer. Die Ukraine dürfe aber nicht von der Landkarte verschwinden. Jörg Urban von der AfD betonte: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass Waffenlieferungen nicht zu einer Beendigung dieses Krieges beitragen werden.“

Fazit: Alle wissen, dass in Sachsen große Skepsis bei der Unterstützung der Ukraine dominiert. Mehr oder weniger bezogen sie das in ihre Positionen ein.

8.8.2024, Landtagswahl Sachsen, Wahlforum, veranstaltet von Sächsische Zeitung, Freie Presse, Leipziger Volkszeitung, (c) by Matthias Rietschel info@rietschel-foto.de +491723511011 www.rietschel-foto.de honorarfrei für Produkte von Sächsische Zeitung und
8.8.2024, Landtagswahl Sachsen, Wahlforum, veranstaltet von Sächsische Zeitung, Freie Presse, Leipziger Volkszeitung, (c) by Matthias Rietschel [email protected] +491723511011 www.rietschel-foto.de honorarfrei für Produkte von Sächsische Zeitung und © Matthias Rietschel

Energie und Klima: Von ideologischen Scheuklappen und Bremsklötzen

Die Energie- und Klimapolitik gehörte im Wahlforum zu den umstrittensten Themen. Im Mittelpunkt standen die Versorgung der Industrie zu wettbewerbsfähigen Preisen sowie der Bau von Atomkraftwerken in Deutschland. Ministerpräsident Kretschmer warnte wie auch AfD-Mann Urban vor einer Abwanderung großer Industrie-Unternehmen aus Deutschland, wenn die Strompreise auf dem hohen Niveau blieben. Die Energiewende müsse mithilfe einer Fachkommission vollständig neu aufgesetzt und durchgerechnet werden, sagte Kretschmer. Er schloss den Bau kleiner, moderner Kernkraftwerke nicht aus. "Ideologische Scheuklappen" in der Energie- und Klimapolitik müssten abgelegt werden.

Grünen-Spitzenfrau Meier wies die Kritik an der Energiewende zurück. Sie sei nicht gescheitert. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse konsequent fortgesetzt werden. CDU und SPD im Bund seien schuld daran, dass der Umstieg bisher nicht geklappt habe. Die CDU dürfe künftig nicht weiter beim Ausbau der Windenergie als Bremsklotz dastehen.

Urban kritisierte die hohen Subventionen für die Erneuerbaren. Es werde zu viel Strom erzeugt, der mangels Kapazitäten nicht genutzt werden könne. Ein weiterer Ausbau treibe den Strompreis immer weiter in die Höhe.