Ein "Weiter so" kann und darf es in Sachsen nicht geben. Das ist das Fazit, das Heiko Wersig für sich aus dem Ergebnis der Landtagswahl ableitet. Wie alle seiner Amtskollegen ist der parteilose Bannewitzer Bürgermeister auf eine verlässliche Landespolitik angewiesen. Deshalb richtet er einen Appell an die Parteien. Statt sich weiterhin voneinander abzugrenzen, sollten sie miteinander auf Sachebene reden.
"Die Wähler wissen genau, was sie tun", meint Wersig. "Deshalb dürfen die 30 Prozent, die jetzt der AfD ihre Stimme gegeben haben, nicht einfach beiseite geschoben werden, um wieder zur Tagesordnung überzugehen." Zwar bereite dem Bannewitzer das Abschneiden der AfD, die vom Sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, Bauchschmerzen. Allerdings sei die Partei demokratisch gewählt worden. Und das müsse akzeptiert werden, so Heiko Wersig.
Dass die CDU in Bannewitz als eine von nur noch drei Kommunen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge die Mehrheit geholt haben, ist für ihn ein Ausdruck dafür, dass es durchaus Menschen gibt, die mit dem Kurs der AfD nicht einverstanden sind. Allerdings schätzt er den Erfolg der Christdemokraten trotz der hohen Wahlbeteiligung als "Statement ohne Wirkung" ein.
Drei-Punkte-Plan für neue Landesregierung
Drastischer formuliert es Thomas Peters, Bürgermeister in Bad Gottleuba-Berggießhübel. "Es ist eigentlich fünf vor zwölf", stellt er fest. "In den nächsten fünf Jahren wird die letzte Chance für einen Kurswechsel bestehen." Der Rathauschef hofft sehr, dass dieser glückt. Sein Rezept besteht aus einem Drei-Punkte-Plan. Auf diesem steht ganz oben eine stabile Regierung, die dem Wählerwillen gerecht wird und Einfluss auf die Bundespolitik nimmt. Es folgt ein Kassensturz samt Ausgabencheck auf Landesebene, wie ihn die AfD ebenso einfordert. Schließlich wird ein Bürokratieabbau angemahnt. Damit zielt Peters sowohl auf den Fördermittel- als auch den Bau- und Umweltsektor ab. Dafür bekommt er von vielen anderen Rathauschefs Rückendeckung.
In dieses Horn bläst die Dippoldiswalder Oberbürgermeisterin Kerstin Körner - ebenfalls CDU. "Die neue Landesregierung sollte zeitnah die kommunale Familie durch eine finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung der zahlreichen Aufgaben stärken." Ferner sollte der Bund dazu gedrängt werden, Migration, Abschiebung, innere Sicherheit und einen Bürokratieabbau bei der Fördermittelvergabe zu den Hauptthemen zu erklären.
Mit Blick auf den Stimmenzuwachs der AfD erklärt Körner, dass sich die Partei nun nicht mehr aus ihrer politischen Verantwortung stehlen könne. Anders als sonst. Körner nennt Beispiele: die letzten Unwetter in der Region oder die Abwasserhavarie an der Talsperre Malter. Bei den genannten Vorfällen habe sich laut der Dippser OB keiner der gewählten AfD-Mandatsträger aus Berlin oder Dresden vor Ort blicken lassen oder seine Unterstützung bei der Bewältigung der Krisen angeboten.
Gute Vertretung in Dresden wichtig
Aus Rabenau kommen ähnliche Wortmeldungen hinsichtlich des Wahlausgangs. "Für unsere Kommune bedeutet das, dass ich mich in den nächsten fünf Jahren bei Problemen an einen neuen Wahlkreisabgeordneten wenden muss, der trotz örtlicher Nähe noch nicht offiziell in Rabenau war", moniert Bürgermeister Thomas Paul (CDU).
Sein Wilsdruffer Amtskollege Ralf Rother, in dessen Kommune die AfD illegal Plakate aufgehängt hatte und eine Auseinandersetzung mit Vertretern anderer Parteien provozierte, betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge. "Die AfD steht erstmals in Verantwortung für unsere Region. Mit meiner über 20-jährigen Erfahrung weiß ich, wie wichtig eine gute Vertretung in Dresden ist."
Deshalb hätte es Kerstin Körner begrüßt, wenn Lars Werthmann der Gewinner des Direktmandats in ihrem Wahlkreis geworden wäre. Er sei ein Helfer, ein Macher - wie sie betont. Nur reichte das nicht aus, um André Barth von der AfD den Erfolg streitig zu machen.
Dessen AfD-Parteifreund Norbert Mayer, der ebenfalls ein Landtagsmandat bekommen hat, versicherte noch in der Wahlnacht, sich für das Interesse der Bürger einzusetzen. Schon immer habe er das so gehandhabt. "Das Problem liegt auf der Seite derjenigen, die vernünftige Vorschläge nicht mittragen wollen", schob Mayer, der seit 2019 im Landtag vertreten ist, den Schwarzen Peter gleich wieder von sich.
Bürgermeister loben starke Wahlbeteiligung
Auch in den anderen zwei Wahlkreisen Pirna und Umgebung sowie Sächsische Schweiz gingen die Kandidaten der AfD als Sieger hervor. Hingegen hatten Sandra Gockel und Innenminister Armin Schuster von der CDU das Nachsehen. Gleiches gilt im Fall der Listenmandate. Dort setzte sich die AfD ebenso an die Spitze - und zwar vor CDU und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Bemerkenswert ist, dass beim jüngsten Urnengang SPD, Grüne, Linke und Freie Wähler lediglich einstellige Ergebnisse einfuhren. Die FDP geht fast komplett unter in der Wahlstatistik.
Ebenso das Bündnis Deutschland, mit einer Ausnahme im Wahlkreis Sächsische Schweiz. Hier stellte sich unter anderem Ivo Teichmann als Direktkandidat zur Wahl, der vor fünf Jahren noch für die AfD in den Landtag einzog, später jedoch zum Bündnis Deutschland wechselte. Lediglich in Rathmannsdorf wurde Teichmann mit einigen Stimmen honoriert.
Die rechtsradikale Kleinstpartei der Freien Sachsen, die zum Teil aus ehemaligen NPD-Funktionären besteht und die erstmals bei einer Landtagswahl antrat, holte ihre besten Werte in den Orten, wo sie in der jüngeren Vergangenheit Stimmung gegen Asylbewerber machte. Dazu zählen Bad Gottleuba-Berggießhübel und die einstige CDU-Hochburg Hermsdorf/Erzg. 7 beziehungsweise 6,1 Prozent der Wähler gaben dort ihre Zweitstimme den Radikalen.
- Noch mehr Nachrichten aus Pirna, Freital, Dippoldiswalde und Sebnitz.
Das alles hat seine Ursachen, sagt der Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade (SPD). In den ländlichen Regionen herrsche eine große Unzufriedenheit. In dem Punkt müsse die neue Landesregierung angreifen. Sein Wunsch lautet daher: Dresden soll sich verstärkt um diese Gegenden kümmern.
Unterm Strich können die Rathauschefs dieser Schicksalswahl auch einen erfreulichen Aspekt abringen - die vergleichsweise sehr hohe Wahlbeteiligung. Davon zeigt sich beispielsweise Heiko Wersig beeindruckt. In seiner Gemeinde lag sie bei 81,5 Prozent. Der Wille sei da, dass sich in Sachsen das Rad weiterdreht. Für ihn ist klar: "Es muss funktionieren."