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Polizei findet Mädchenleiche

Die Polizei geht davon aus, dass es sich um die entführte Anneli-Marie handelt. Zwei Tatverdächtige wurden verhaftet.

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© dpa

Nach dem Verschwinden der 17-jährigen Anneli hat die Polizei am Montagabend die Leiche einer jungen Frau entdeckt. „Die Identität der Person ist gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt“, hieß es kurz vor Mitternacht in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft und Polizei Dresden.

Die Leiche wurde offenbar bei der Durchsuchung eines Hofes in Sachsen entdeckt, allerdings machten die Behörden auch auf Nachfrage hin zunächst keine weiteren Angaben.

Zwei Tatverdächtige sind festgenommen worden – einer in Dresden, einer in Bayern. Sie wurden von der Polizei vernommen. Dabei soll es sich um den Schrotthändler Norbert K. aus Dresden und den arbeitslosen Koch Markus B. handeln. Markus B. wurde in Ebrach bei Bamberg von Spezialeinsatzkräften der Polizei festgenommen. Norbert K. wurde in Dresden verhaftet, er soll auch in Autoschiebergeschäfte verwickelt sein.

Gegen Mitternacht wurde die Familie von Anneli R. zum Fundort auf dem Feld wenige Meter hinter dem Dreiseithof in Lampersdorf gebracht. Ein Kriseninterventionsteam begleitete die Eltern. Kurz kam die Leiche in die Gerichtsmedizin.

Schon seit dem Montagmorgen wurde der 150-Seelen-Ort Lampersdorf, einer von 43 Ortsteilen der Gemeinde Klipphausen im Landkreis Meißen, regelrecht belagert. Ein Polizeihubschrauber, ausgestattet mit Wärmebildkameras, dreht seine Runden. Uniformierte suchen mit Stöcken einen kleinen Hang ab. Die Straße Baeyerhöhe, die ins Nachbardorf Lotzen führt, ist nahezu blockiert mit Autos von Reportern und Übertragungswagen der Fernsehsender.

Das Geschehen in Lampersdorf konzentriert sich auf einen Dreiseithof an der Baeyerhöhe. Seit 1839 steht der dort, vor gut acht Jahren wurde er saniert. Fachwerk und zwei alte Wagenräder zieren das Wohnhaus. Es hat acht Zimmer, 140 Quadratmeter Wohnfläche. Hinzu kommen 7 000 Quadratmeter Grund. Seit gut drei Wochen steht die Immobilie zum Verkauf. Kostenpunkt: 229 000 Euro.

„Ja, der ganze Komplex steht leer“, sagt Nachbarin Ines Weser. Sie betreibt einen kleinen Luftballonladen. Ihre Nachbarn seien weggezogen: ein Ehepaar mitsamt ihren zwei Kindern und der Oma, soviel sie wisse nach Bayern. Der Vater der Kinder war nach SZ-Recherchen der Mietkoch Markus B.. Sein Internetauftritt ist abgeschaltet, auf älteren Seiten teilt er jedoch mit, er sei seit Anfang der 1990er-Jahre „im Veranstaltungs- und im Partyservice tätig“.

Ines Weser erinnert sich, dass ihr Nachbar oft auf Achse war. Vielleicht habe er in Bayern eine feste Stelle gefunden. Seine Familie habe unauffällig gelebt, einen engen Kontakt hätte man aber nicht gehabt. „Jedenfalls ist gegen halb eins in der Nacht die Polizei gekommen“, sagt sie. Seitdem werde das Grundstück auf den Kopf gestellt.

Das Scheunentor steht weit offen. Im Hof steht ein roter Container. Sein Inhalt, offensichtlich Gerümpel, liegt verstreut auf dem Pflaster, so, als sei es von der Polizei durchwühlt worden. Auf der Wiese am Buswendeplatz landet derweil der Polizeihubschrauber, der Pilot stellt den Rotor ab. Ein Kollege brüllt in sein Funktelefon: „Wir müssen jetzt wissen, was gemacht werden soll.“ Kurz darauf steigt der Helikopter wieder auf, kreist nochmals etwa eine halbe Stunde über Lampersdorf und verschwindet dann. Was genau gesucht wird, ein Handy, ein Kleidungsstück oder gar Anneli selbst – dazu erteilt die Polizei keine Auskunft. Ein Sprecher bestätigt lediglich, dass die Durchsuchung „im Zusammenhang mit dem Entführungsfall“ stehe.

Anneli hatte das Wohnhaus ihrer Eltern im Klipphausener Ortsteil Robschütz offiziellen Angaben zufolge am vergangenen Donnerstagabend gegen halb acht verlassen, um den Familienhund auszuführen. Auf einem teilweise asphaltierten Feldweg zwischen Luga und der Bundesstraße 101 verschwand sie wenig später, das Tier blieb allein zurück. Ein Spürhund hatte die Polizei dann von dort zu einem nahe gelegenen Hof geführt, den ein Spezialeinsatzkommando Freitagmorgen durchsuchte. Die Jugendliche war dort aber nicht gefunden worden.

Bislang sprach auch nichts dafür, dass man sie auf dem zum Verkauf stehenden Bauernhof in Lampersdorf versteckt haben könnte. Gleichwohl scheint das Gehöft bei der Suche nach dem Teenager eine gewichtige Rolle zu spielen. Der Mietkoch und seine Familie haben beim Fortzug einen Labrador namens „Toni“ zurückgelassen, der nach Angaben mehrerer Nachbarn „unentwegt gebellt“ hat. Allerdings habe sich ein Mann mit einem alten weißen Mercedes und Dresdner Kennzeichen um das Tier gekümmert.

Rentner Winfried Kästner, selbst Hundehalter, ist der einzige Lampersdorfer, der den Unbekannten gesprochen hat. „Er kam mit dem Labrador bei uns vorbei, hat aber nicht viel erzählt.“ So Mitte 50 sei er gewesen, grauhaarig und groß.

Krach am frühen Morgen

Lebt dieser Mann in jener Dresdner Wohnung, die ein Spezialkommando der Polizei im Stadtteil Briesnitz ebenfalls gestern Morgen gestürmt hat? Anwohner berichten von Gebrüll und einem lauten Knall gegen dreiviertel fünf. „Die haben wahrscheinlich die Tür aufgebrochen“, sagt eine ältere Dame. Sie beschreibt ihren Nachbarn so, wie es der Rentner Kästner aus Lampersdorf getan hat. Seit etwa zwei Jahren habe der Mann hier gelebt, „unauffällig und zurückgezogen“. Eine andere Nachbarin erzählt von einem weißen Mercedes, den die Polizei aus der Tiefgarage unter dem Wohnblock mitgenommen hat. Das Landeskriminalamt hat die Wohnungstür des Mannes versiegelt. Nach SZ-Informationen wurde er festgenommen, doch dazu wollten sich weder Polizei noch Staatsanwaltschaft äußern. Die Behörden halten sich aus ermittlungstaktischen Gründen ohnehin äußerst bedeckt.

Nach Ansicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter erschwert die Beteiligung der Öffentlichkeit die Suche. „Das macht es jetzt nicht einfacher, ganz im Gegenteil“, sagte der Vize-Vorsitzende des Verbandes, Ulf Küch. Die Ermittler könnten nun nicht mehr im Stillen agieren. Staatsanwaltschaftssprecher Haase sagte, man habe sich bewusst dafür entschieden, das Verschwinden des Mädchens publik zu machen. Über die Gründe könne er zurzeit aber nichts sagen.

Die Polizeidirektion Dresden hatte für den Fall eine Sonder-Einsatzzentrale mit etwa 20 Beamten gebildet. Allerdings sei eine weitaus größere Zahl von Ermittlern an den Durchsuchungen beteiligt, sagte ein Sprecher der Polizei am Nachmittag. Und er fügte noch hinzu: „Es gibt keine Pause für uns. Das wird so lange so sein, bis wir das Mädchen finden.“ Am späten Montagabend meldete die Polizei dann den Fund der Leiche einer jungen Frau.