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Polizei in Aufruhr

Die Hochschule in Rothenburg kommt nicht zur Ruhe. Zwischen Prüfungsskandal und neuer Mensa. Ein Stimmungsbild.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Der Parkplatz vor den Toren der Polizeihochschule ist gut gefüllt. An Studenten mangelt es hier nicht. Weil die Einrichtung an der Rothenburger Friedensstraße in den nächsten Jahren umfassend um- und ausgebaut wird, wohnen viele nicht mehr im Hochschulkomplex, sondern ein paar Kilometer weiter in der Südstadt. Dort, wo Plattenbauten im DDR-Charme sonst nur noch schwer zu vermieten sind, haben die angehenden Kommissare ihr Quartier bezogen. Die eigenen vier Wände sind aber gerade das geringste Problem der jungen Männer und Frauen. Ihre Zeit an der sächsischen Polizeihochschule ist spannend wie selten zuvor. Baulich, inhaltlich, auch prüfungstechnisch. Vor ein paar Tagen musste Rektor Dr. Harald Kogel einräumen, dass in zwei Jahrgängen bei den Prüfungen gemauschelt wurde. Genaues weiß man noch nicht. Zumindest nicht offiziell. Ein externer, vom Innenministerium eingesetzter Sachverständiger soll das klären. Kogel beschreibt die Lage als angespannt. Man befinde sich im Ermittlungszustand, ein Stück weit fremdbestimmt. Und er ärgert sich, dass es offenbar Mitarbeiter aus seinen Reihen waren, die den Betrugsverdacht nach außen getragen und damit öffentlich gemacht haben. Diesen Kollegen scheine der Ruf der Hochschule egal zu sein. Doch gerade hier will der Rektor ansetzen. „Wir müssen sehen, dass wir bei den Dozenten einen Erneuerungsprozess hinbekommen. Im Denken, im Handeln, in der Einstellung.“ Jetzt sei die Gelegenheit, alles genau zu hinterfragen. Dass sich jemand von außen mit der Aufarbeitung des Betrugsverdachts beschäftige, sei zwar nicht schlecht. Aber: „Was wir selbst in die Reihe bringen können, werden wir tun.“

Eigentlich wollte der Rektor schon längst die Forschung in seiner Hochschule vorangetrieben haben. Zur Gründung eines Institutes gibt es bereits seit geraumer Zeit einen Senatsbeschluss. Doch außer dem guten Willen und Ankündigungen ist bisher nicht viel passiert. „Wir haben das Thema versucht bei den Haushaltsverhandlungen ins Gespräch zu bringen. Aber wir sind intern noch nicht soweit.“ Man habe das Projekt zwar weiter im Fokus, andere Dinge hätten es jedoch überlagert. Was Kogel meint, sind die Unregelmäßigkeiten bei den Prüfungen, die nicht nur den 24. Jahrgang, sondern schon den 23. Jahrgang betreffen. Für Mitglieder seines Kollegiums geht der Skandal einher mit einem Reputationsverlust. Auch deshalb sei die Stimmung unter den Lehrkräften jetzt absolut am Boden. „Sie war vorher schon nicht gut“, meint ein Dozent, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Sache decke organisatorische und strukturelle Defizite auf, die schon länger existierten. Und: „Es gibt ein erhebliches Problem in der Fehlerkultur. Da sind Dinge im Gange, die schwer aufzubrechen sind.“ Der Dozent sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht. Denn: „Was im Großen läuft, wird im Kleinen weitergelebt.“ Eine Einrichtung wie die Rothenburger lebe jedoch von der Qualität ihrer Lehrkräfte. „Deshalb muss hier unbedingt etwas passieren.“ Die Ausbildung selbst sei allerdings nicht gefährdet. „Viele Leute, die den Laden tragen, haben sich nicht soweit entmutigen lassen, dass sie das jetzt an den Studenten auslassen.“ Allerdings sei die Situation extrem betrüblich und der Ansehensverlust so hoch, „dass ihn die Polizei wahrscheinlich über Jahre nicht repariert bekommt“, ist der Professor überzeugt.

An der gesamten Hochschule sei die Unsicherheit groß, sagt ein anderer Dozent, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden will. Die Journalisten hätten bisher ja nur im Nebel gestochert, harte Fakten seien noch gar nicht auf dem Tisch. Schon vor einiger Zeit habe es Verdachtsmomente gegeben. Für die Zukunft der Hochschule entscheidend sei, wie die Einrichtung mit ihrer stark eingeschränkten Freiheit umgehen darf und will. „Von Reform zu Reform hat man uns über Jahre immer mehr dieser Freiheiten genommen.“ Dies sei eine der Hauptursachen für manche Ängste im Hintergrund. Man müsse der Hochschule auch etwas zutrauen, sagt der Dozent und meint damit den obersten Dienstherrn, das Innenministerium.

Die Studentenschaft hält sich zu den Zuständen an der Hochschule indes bedeckt. Trotz mehrerer Anfragen über das Rektoratsbüro kam es zwischen SZ und den Studenten zu keiner Kontaktaufnahme mit den Vertretern des 24. Jahrgangs.

Harald Kogel weiß um die großen Aufgaben, die vor ihm, seinem Kollegium, der ganzen Einrichtung liegen. Positive Schlagzeilen soll die neue Interimsmensa bringen. Der Platz dafür neben der städtischen Oberschule wurde bereits begradigt, Anfang November rollen die ersten Küchencontainer an. Im Dezember soll alles fertig sein. Dann geht wahrscheinlich auch die zusätzliche Kühlzelle wieder außer Betrieb, die man aufstellen musste, um die Essensversorgung von Schülern und immer mehr Studenten abzusichern.

Die Veränderungen im Binnenklima, bei Organisation und Struktur seiner Hochschule wird der Rektor nicht so schnell in den Griff bekommen. Für positive Meldungen in diesem Bereich ist ein längerer Atem gefragt.