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Polizei muss in Freital Flüchtlinge beschützen

Über 100 aggressive Asylgegner belagerten am Montag das Leonardo-Hotel. Am Dienstag gingen die Proteste weiter.

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Von Jane Jannke und Andrea Schawe

Es war nicht das erste Mal, dass sich Asylgegner vor dem Leonardo-Hotel Am Langen Rain aufstellten. Doch so geballt wie am Montagabend hatten sich Hass und Wut dort noch nie entladen. Ab etwa 19.30 Uhr hatten sich Am Langen Rain unangemeldet zwischen 60 und 100 Demonstranten eingefunden, unter ihnen Pegida-Chef Lutz Bachmann und mehrere seiner Anhänger. Offenbar war man von der Pegida-Demonstration in Dresden direkt nach Freital gefahren.

Auch gestern Abend versammelten sich wieder etwa 50 Asylgegner am Heim. Ihnen standen etwa 200 Demonstranten gegenüber, um Solidarität mit den Asylbewerbern zu zeigen. Die Polizei war mit wesentlich mehr Einsatzkräften vor Ort als noch am Montag. Bis Redaktionsschluss blieb alles friedlich.

Anders am Montagabend: Die Stimmung vor dem Heim war feindselig bis aggressiv, Böller flogen, wütende Parolen wurden gerufen, berichten Augenzeugen. 20 bis 40 Gegendemonstranten kamen im Verlauf des Abends hinzu, um sich schützend vor die Heimbewohner zu stellen und ihre Solidarität zu bekunden. Die Polizei – mit einem Dutzend Beamten vor Ort – sprach von einer „äußerst angespannten Lage“, Beobachter aus dem linken Spektrum berichteten von einer „pogromartigen Stimmung“. Zu ernsteren Auseinandersetzungen oder Verhaftungen kam es Polizeiangaben zufolge aber nicht. Auch sei zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohungslage für das Hotel ersichtlich gewesen, so Sprecherin Jana Ulbricht.

Das Ziel der Demo war klar: 190 Neuankömmlinge sind seit Montag im Asylhotel eingetroffen. In vier Bussen waren sie aus dem überfüllten Erstaufnahmelager in Chemnitz nach Freital gebracht worden. In Chemnitz, wo seit Jahresbeginn mehr als 8 000 Menschen erste Zuflucht gefunden haben, hatte sie statt eines festen Hauses eine Zeltstadt erwartet, die die Behörden mangels Kapazitäten errichten mussten. In Freital werden sie sich die Unterkunft zumindest vorübergehend mit den bereits im Heim lebenden rund 90 Asylbewerben teilen, die das Landratsamt hier zentral untergebracht hat. 80 weitere werden in den nächsten Tagen noch ankommen.

Über die neue Erstaufnahmeeinrichtung in Freital hatte die Landesdirektion erst am Montag die Öffentlichkeit informiert. Zuletzt hatte Landrat Michael Geisler (CDU) noch eindringlich für das Leonardo-Hotel als Asylbewerberunterkunft geworben – und argumentiert, dass sich so ein Erstaufnahmequartier verhindern ließe. Das wird es nun allerdings, gemäß Vereinbarung zwischen dem Land und dem Eigentümer des Hotels, doch geben. Bereits am Sonntag waren erste Gerüchte im Internet durchgesickert. Auf der Facebook-Seite „Freital wehrt sich“ hatte die Meldung, dass bald „400 Asylbewerber“ Am Langen Rain leben sollten, für eine Flut wut- und auch hasserfüllter Kommentare gesorgt. Man fühlt sich „ruhiggestellt“ und hintergangen, auch vom „Lügenlandrat Geisler“.

Die Organisatoren der Gruppe riefen offen zu „massivem Protest vor Ort“ auf. Laut Polizeiangaben herrschte vor dem Hotel am Montagabend „ein Kommen und Gehen“. Bis zum Ende der Proteste kurz vor Mitternacht könnten insgesamt mehr als die durchschnittlich rund 100 Anwesenden an der Demo teilgenommen haben.

Erste Konsequenzen zieht jetzt die Organisation für Weltoffenheit und Toleranz, die seit Wochen Solidaritätskundgebungen am Leonardo-Hotel durchführt. „Wir werden angesichts der aufgeputschten Stimmung in Freital vorerst keine Demonstrationen mehr veranstalten“, kündigte Initiator und Stadtrat Michael Richter (Die Linke) an. „Wir wollen einfach nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen und am Ende bürgerkriegsähnliche Zustände heraufbeschwören.“ Man wolle sich nun neu aufstellen und Veranstaltungen organisieren, die deeskalierenden Charakter trügen. Erst am Freitag war bekannt geworden, dass das Hotel kürzlich mit Millionengewinn vom bisherigen Eigentümer, der Pro-Shelter-Schwester Projekt Freital GmbH, an eine luxemburgische Aktiengesellschaft verkauft worden war. Flüchtlingsgegner spekulierten über „Asylwirtschaft“ und machten

ihrem Unmut am Freitagabend auf einer Bürgerversammlung im Stadtkulturhaus Luft.

Dort wurde noch mit keinem Wort erwähnt, dass aus dem Leonardo-Hotel eine Erstaufnahmeeinrichtung wird.

Die federführende Landesdirektion Sachsen besteht allerdings darauf, Landrat und Oberbürgermeister bereits vor über einer Woche über die bevorstehende Umwidmung in Kenntnis gesetzt zu haben.