Update Deutschland & Welt
Merken

Hunderte nehmen in Illerkirchberg Abschied von 14-Jähriger

Zwei Tage nach der blutigen Tat auf einem Schulweg in Illerkirchberg wurde das 14-jährige Mädchen beigesetzt. Auch nach der Beerdigung bleiben viele Fragen offen.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Illerkirchberg: Thomas Strobl (kniend, CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, und Ahmet Basar Sen (r), Botschafter der Türkei in Deutschland, legen am Tatort einen Kranz nieder.
Illerkirchberg: Thomas Strobl (kniend, CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, und Ahmet Basar Sen (r), Botschafter der Türkei in Deutschland, legen am Tatort einen Kranz nieder. © Bernd Weißbrod/dpa

Illerkirchberg. Begleitet von Tränen, Trauer und mehreren Hundert Menschen ist das in Illerkirchberg getötete Mädchen am Mittwoch beigesetzt worden. Ein Polizeisprecher sprach von "unglaublich vielen Menschen", die zum Friedhof kamen, um von der 14-Jährigen Abschied zu nehmen. Viele der Trauernden trugen ein Foto von dem Mädchen an der Jacke.

Um den Menschen ein "Gefühl der Sicherheit" zu geben, seien auch mehrere Polizisten beim Friedhof in Illerkirchberg gewesen, sagte der Sprecher. "Es war davon auszugehen, dass in so einem Zusammenhang viele Menschen ihre Anteilnahme zeigen." An der Trauerfeier nahmen auch der türkische Botschafter Ahmet Basar Sen und Illerkirchbergs Bürgermeister Markus Häußler teil.

Ein Mann soll am Montag in Illerkirchberg bei Ulm zwei Mädchen auf dem Schulweg angegriffen und schwer verletzt haben. Eines der Opfer starb später in der Klinik. Die Obduktion ergab, dass die 14-Jährige mit türkischem Migrationshintergrund nach Stichverletzungen verblutete. Das zweite Mädchen, 13 Jahre alt, erlitt schwere Verletzungen. Die Polizei fand bei dem 27-jährigen Eritreer ein Messer, das als Tatwaffe in Betracht komme.

Gegen den Verdächtigen wurde ein Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes erlassen. Der Mann befand sich zuletzt verletzt in einem Justizvollzugskrankenhaus. Doch wie kam es zu dem Angriff? Warum traf es die beiden Mädchen? Was ging in dem Täter vor? "Die Ermittlungen laufen noch", sagte dazu nur ein Polizeisprecher am Mittwochnachmittag.

Einsatzkräfte begutachten einen Tatort in Illerkirchberg
Einsatzkräfte begutachten einen Tatort in Illerkirchberg © Ralf Zwiebler/z-media/dpa

Keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und nicht zu verallgemeinern - daran appellierte auch der Bürgermeister. "Ich bitte Sie, den bei uns lebenden Geflüchteten aller Nationen weiterhin offen zu begegnen und diese nicht unter Generalverdacht zu stellen. Der Angriff auf die beiden Mädchen muss mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden - dieses heimtückische Verbrechen hat aber eine einzelne Person begangen, nicht eine Bevölkerungsgruppe", schrieb Häußler in einem offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger seiner Gemeinde.

Hintergründe der Tat müssen noch ermittelt werden

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte am Dienstag bei einem Besuch am Tatort noch betont, dass es keine Hinweise auf eine politische oder religiöse Motivation der Tat gebe.

Nach der tödlichen Attacke stehen weiter Notfallseelsorger den betroffenen Familien zur Seite. "Es geht darum, dass sie das Gefühl bekommen, dass sie in diesen schweren Stunden nicht allein sind", sagte der Leiter der Notfallseelsorge Ulm/Alb-Donau-Kreis, Michael Lobenhofer. Außerdem werde eine Person betreut, die das Verbrechen gesehen habe.

Kerzen und Blumen stehen an einem Tatort, an dem am Tag zuvor zwei Mädchen von einem Mann mit einem Messer angegriffen wurden.
Kerzen und Blumen stehen an einem Tatort, an dem am Tag zuvor zwei Mädchen von einem Mann mit einem Messer angegriffen wurden. © Bernd Weißbrod/dpa

Auch Eltern und Lehrer melden sich bei der Notfallseelsorge, um zu erfahren, wie sie mit ihren erschütterten Kindern umgehen sollen. Es gelte dann, darauf hinzuweisen, dass man in Deutschland generell in Sicherheit lebe, solche Dinge aber immer wieder vorkämen, betonte Lobenhofer. Zu den Aufgaben der Notfallseelsorge gehöre es auch, Gerüchten und Halbwahrheiten entgegenzuwirken.

Politiker äußern Bestürzung

Die Tat könnte auch eine politische Dimension bekommen, weil ein Asylbewerber als tatverdächtig gilt. Mehrere AfD-Politiker gingen darauf schon am Montag ein. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte vor voreiligen Schlüssen: "Ich kann nur warnen, irgendwelche Zusammenhänge aufzustellen, bevor überhaupt die Tat aufgeklärt ist." Auch Strobl rief zu Besonnenheit auf: "Dieses Ereignis darf kein Anlass und keine Rechtfertigung für Hass und Hetze sein", sagte er. Diese Straftat müsse mit aller Konsequenz aufgeklärt und der Täter mit aller Konsequenz bestraft werden.

Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte: "Ich bin fassungslos." Die Tat sei "absolut schrecklich und hat mich zutiefst schockiert. Meine Gedanken sind bei den Familien und den Angehörigen".

Der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Manuel Hagel twitterte am Montag: "Ich bin fassungslos über den Angriff auf die zwei Schulmädchen heute in #Illerkirchberg im Alb-Donau-Kreis." Die grausame Tat müsse schnellstens aufgeklärt werden.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), erklärte: "Mit großer Bestürzung höre ich von der schrecklichen Tat in Illerkirchberg. Meine Gedanken sind bei der Familie der getöteten Schülerin." Der verletzten Schülerin wünsche sie eine schnelle Genesung sowie den Mitschülerinnen und Mitschülern der beiden Opfer viel Kraft.

Die Polizei bat darum, "keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten". AfD-Politiker wie die Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel wiederum thematisierten in Stellungnahmen genau diesen Aspekt.

Das getötete Mädchen habe die deutsche Staatsbürgerschaft besessen und einen türkischen Migrationshintergrund, hieß es aus dem Innenministerium. Der türkische Botschafter Ahmet Basar Sen forderte eine lückenlose Aufklärung der Tat, welche die türkische Gemeinschaft stark verunsichert habe. Der Botschafter hatte am Morgen nach eigenen Angaben die Familie des gestorbenen Mädchens besucht. Er habe den Eltern die Anteilnahme der türkischen Gemeinschaft ausgesprochen, sagte Sen. Der Angriff sei ein Schock für alle. (dpa)