B96: Wehen jetzt weniger Reichsfahnen?

Die niedrigen Inzidenz-Zahlen und damit einhergehenden Lockerungen im Landkreis Görlitz haben keine signifikanten Auswirkungen auf die Teilnehmerzahlen beim "Stillen Protest" entlang der B96. Diese sind nach den Angaben der Polizei im Vergleich zur Vorwoche nahezu gleich geblieben.
Von Zittau bis Oppach zählten die Beamten am Sonntag 284 Menschen. Sieben Tage zuvor standen fünf weniger. Die meisten hat die Polizei in Oppach (145) angetroffen. Dahinter folgten Oderwitz (37), Eibau (36), Ebersbach-Neugersdorf (20), Zittau und Neusalza-Spremberg (je 17) sowie Friedersdorf und Mittelherwigsdorf (je 6). Im gesamten Revierbereich Bautzen kamen 101 "stille Protestler" (Vorwoche 121) zusammen, in Hoyerswerda keiner (Vorwoche 4). Die Demo an der Dresdner Straße in Zittau zum Thema "Wahrung unserer Grundrechte" war als einzige angemeldet.
"Ein Großteil der Teilnehmer trug keinen Mund-Nasen-Schutz, hielt aber überwiegend den Mindestabstand ein", teilt Polizeisprecher Sebastian Ulbrich mit. Die Beamten dokumentierten die Verstöße, schritten aber nicht ein. Das handhaben sie aus Gründen der Verhältnismäßigkeit seit Wochen so - mit Ausnahmen. So mussten sich Polizisten erst den Sonntag zuvor zurückziehen, als sie Teilnehmer in Weigsdorf-Köblitz auf das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes hinwiesen.
Ein neues Bild hat sich beim jüngsten "Stillen Protest" in puncto Flaggen gezeigt, zumindest von Zittau bis Oppach. Bisher war dort vor allem das Deutsche Reich vertreten, allein vorige Woche 36 Mal. Nun sichteten die Beamten erstmals insbesondere die Fahne von Sachsen (27). Erst dahinter folgten das Deutsche Reich (12), Deutschland (9) und die Oberlausitz (7). Hinzu kamen Norwegen, USA und Russland (je 1). Auf einem Plakat in Eibau stand zudem "Wir fordern unsere Freiheit."
Mustererlass gegen Fahnen aus NS- und Kaiserzeit
Diese Entwicklung könnte mit dem Ansinnen der Innenminister von Bund und Ländern zusammenhängen, die nun einheitlich gegen das Zeigen von Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen aus der Kaiser- und NS-Zeit in der Öffentlichkeit vorgehen wollen. Dafür gibt's einen Mustererlass. Darin sind auch Situationen beschrieben, von denen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgeht. Dazu gehört das Hissen derartiger Fahnen an einem Ort oder Datum mit historischer Symbolkraft oder auf paramilitärischen Versammlungen. Auch wenn ausländerfeindliche Parolen skandiert werden, dürfen sie nicht gezeigt werden. Die Polizei soll diese dann einkassieren.
Der Grund für das Verbot: Die schwarz-weiß-roten Fahnen nutzen nach Auffassung der Innenminister vermehrt rechtsextremistische Gruppen als Symbol und Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne. In den Fokus gerieten sie vorigen Sommer, als Sympathisanten das Reichstagsgebäude in Berlin stürmen wollten. Bayern und Bremen trafen daraufhin eigene Regelungen.
"Bei so einem Thema halte ich es für unangebracht und konnte das nicht nachvollziehen, wenn einzelne Länder eine Insellösung machen", sagt Thomas Strobl. Mit dem Erlass bekämen die Behörden einen Rahmen, um "konsequent gegen den Missbrauch von Reichsflaggen, Reichskriegsflaggen und anderen Symbolen, insbesondere durch Angehörige der rechtsextremen Szene, vorzugehen", so der Vorsitzende der Innenministerkonferenz. Grundsätzlich verboten ist bisher nur die Hakenkreuzfahne.
Im Fall des "Stillen Protests" gab's noch keine strafrechtlichen Konsequenzen wegen der Fahnen, sondern nur eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. (mit dpa)