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Nach Razzien bei Reichsbürgern: BKA erwartet weitere Beschuldigte

Die Umsturzpläne einer Gruppe von Reichsbürger waren ernsthaft und fortgeschritten - davon sind die Sicherheitsbehörden überzeugt. Anscheinend war die Großrazzia vom Mittwoch noch nicht das Ende.

Von Ulrich Wolf & Franziska Anders & Franziska Klemenz & Karin Schlottmann & Erik-Holm Langhof
 11 Min.
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Ein Polizeifahrzeug fährt aus der Außenstelle des Bundesgerichtshof s in Karlsruhe. Beim BGH finden nach den Razzien in der Reichsbürger-Szene Haftprüfungen statt.
Ein Polizeifahrzeug fährt aus der Außenstelle des Bundesgerichtshof s in Karlsruhe. Beim BGH finden nach den Razzien in der Reichsbürger-Szene Haftprüfungen statt. © dpa/Uli Deck
  • Deutschlandweite Razzia in der Reichsbürgerszene
  • 25 Personen wurden festgenommen - zwei Festnahmen in Sachsen
  • 19 mutmaßliche Reichsbürger schon in U-Haft
  • Reußen-Prinz sollte Regierung übernehmen
  • Ex-AfD-Stadtrat und Werkstattinhaber aus Olbernhau in Verdacht
  • Festnahmen auch bei ehemaliger AfD-Bundestagsabgeordneten und Ex-Offizieren
  • Vereinigung plante Angriff auf Bundestag
  • Weitere Razzien und Festnahmen sollen folgen

Karlsruhe/Berlin. Die deutschen Sicherheitsbehörden rechnen nach der Großrazzia gegen eine "Reichsbürger"-Gruppierung wegen Umsturzplänen mit weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen. Die Präsidenten von Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt (BKA) sowie der Generalbundesanwalt zeigten sich am Mittwochabend in Interviews überzeugt von der Ernsthaftigkeit der Umsturzpläne.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich insgesamt 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Bei 19 Verdächtigen wurden die Haftbefehle bis zum Abend vollzogen, sie befinden sich somit in Untersuchungshaft. Bei weiteren könnte dies am Donnerstag geschehen.

Verfassungsschutz: Gruppierung hatte konkrete Planungen

BKA-Präsident Holger Münch nannte am Mittwochabend im ZDF-"heute journal" die Zahl von mittlerweile 54 Beschuldigten und sprach von mehr als 150 Durchsuchungen. Bei rund 50 Objekten seien auch Waffen festgestellt worden. Münch ging von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus. Rund 3000 Beamte waren am Mittwoch bei den Razzien im Einsatz.

Nach den Worten von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatten die Sicherheitsbehörden die "Reichsbürger"-Gruppierung seit dem Frühjahr im Visier und einen recht klaren Überblick über deren Entwicklung und Pläne.

Die Planungen seien dann immer konkreter geworden und es seien Waffen beschafft worden, sagte Haldenwang in einem ZDF-"Spezial". Er betonte: "Die deutschen Sicherheitsbehörden insgesamt hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle. Doch wenn es nach dieser Gruppe gegangen wäre, dann war diese Gefahr schon recht real."

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sagte am Mittwochabend, dass "die deutschen Sicherheitsbehörden die Lage jederzeit unter Kontrolle" hatten.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sagte am Mittwochabend, dass "die deutschen Sicherheitsbehörden die Lage jederzeit unter Kontrolle" hatten. © Archiv/dpa/Henning Kaiser

BKA-Chef Münch sagte, man habe nicht bis zum letzten Moment warten, sondern genug Beweise sammeln wollen, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handele. Über den Zeitpunkt des offenkundig geplanten Umsturzes gebe es noch keine Klarheit. Der BKA-Präsident verwies aber auf einen "Rat", der Beschlüsse treffe, und einen militärischen Arm, der auch Waffen beschaffe. "Da warten sie nicht bis zum letzten Augenblick. Sondern, wenn das dann klar ist, dann heißt es auch: Zuschlagen."

Generalbundesanwalt Peter Frank verteidigte den Zeitpunkt der Razzien ebenfalls. Innerhalb der Vereinigung habe es Diskussionen gegeben, ob bestimmte Anlässe von außen nicht Grund zum Losschlagen hätten sein können, sagte Frank in einem ARD-"Brennpunkt". "Wir gehen davon aus, dass die Personen in der Vereinigung fest entschlossen waren und auch sicher waren, etwas zu tun", betonte er. Es sei richtig gewesen, jetzt im Dezember zuzugreifen und der Vereinigung ein Ende zu bereiten.

Suche nach Waffen geht weiter

Derweil laufen die Ermittlungen unvermindert weiter. Dabei wird auch geschaut, ob die Beschuldigten noch weitere Waffen versteckt haben. Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war am Mittwoch nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern der Unterrichtung mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zunächst zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter- und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden.

Diese Waffen seien nur teilweise bei mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe gefunden worden, die über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten. Dem Vernehmen nach waren darunter auch Dienstwaffen.

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