Update Deutschland & Welt
Merken

Trauer nach tödlicher Massenpanik bei Halloween-Partys in Seoul

Samstagnacht in einem Ausgehviertel der südkoreanischen Hauptstadt: Feiern zu Halloween münden in einer beispiellosen Katastrophe. 154 Menschen sterben, 130 werden verletzt.

 6 Min.
Teilen
Folgen
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol (mitte) besichtigt am Sonntag die enge Straße im Seouler Ausgehviertel Itaewon. Dort sind am Vorabend bei einer Massenpanik 150 Menschen gestorben.
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol (mitte) besichtigt am Sonntag die enge Straße im Seouler Ausgehviertel Itaewon. Dort sind am Vorabend bei einer Massenpanik 150 Menschen gestorben. © James Lee/XinHua/dpa

Seoul. Auf den Straßen liegen neben viel Müll vereinzelt Schuhe, Masken und selbst eine Krücke: Es sind Spuren einer Massenpanik, die Samstagnacht während Halloween-Feiern in Seoul mindestens 153 Menschen in den Tod gerissen hat.

Bis zum späten Sonntagabend (Ortszeit) seien nach aktualisierten Angaben der Feuerwehr 154 Menschen für tot erklärt worden, berichteten südkoreanische Sender. Auch die Zahl der Verletzten bei der Katastrophe im beliebten Ausgehviertel Itaewon der südkoreanischen Hauptstadt sei erneut nach oben korrigiert worden - von zuvor 103 auf mehr als 130. Es gab mehr als ein Dutzend Schwerverletzte.

Präsident Yoon Suk Yeol ordnete eine gründliche Untersuchung an und rief eine landesweite Trauerzeit aus. Sie soll bis zum nächsten Samstag dauern. Auch im Ausland löste die Tragödie Bestürzung aus. Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen ein. Es war die schlimmste Katastrophe in Südkorea seit dem Untergang der Fähre "Sewol" 2014 vor der Küste des Landes, als 304 Menschen starben.

Aus der engen Gasse gab es kein Entkommen

Unter den Todesopfern der Massenpanik befanden sich laut Feuerwehr auch 22 Ausländer, das Innenministerium gab die Zahl mit 20 an. Die Opfer stammten den Angaben zufolge aus China, dem Iran, Russland, den USA, Frankreich, Australien, Vietnam, Usbekistan, Norwegen, Kasachstan, Sri Lanka, Thailand und Österreich.

Nach Angaben der südkoreanischen Stellen gebe es unter den Todesopfern keine deutschen Staatsangehörigen, hieß es aus der deutschen Botschaft in Seoul. Die Identifizierung der Verletzten war demnach noch nicht vollständig abgeschlossen. Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte, für eine abschließende Einschätzung sei es noch zu früh.

Polizisten bewachen den Ort der Massenpanik.
Polizisten bewachen den Ort der Massenpanik. © James Lee/XinHua/dpa

Das Massenunglück in der Millionenmetropole ereignete sich in einer engen, abschüssigen Gasse, als auf den Straßen des Viertels extremes Gedränge herrschte. Für die vorwiegend jungen Partygänger wurde das etwa vier Meter breite Gässchen zur Falle, der sie offenbar nicht entkommen konnten: Zahlreiche Menschen seien auf den Boden gestürzt, während andere von oben nachgedrängt hätten, berichteten Augenzeugen. Viele der Opfer seien erstickt oder erdrückt und niedergetrampelt worden. Alles sei sehr schnell passiert, sodass die Menschen in der Menge kaum Zeit zur Flucht gehabt hätten.

"Es war wie ein Dominoeffekt", sagte ein junger Mann dem südkoreanischen Fernsehsender MBC. "Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin ebenfalls hingefallen." Er habe nicht auf Liegende treten wollen. "Menschen waren bewusstlos und riefen nach Hilfe."

In den ersten Berichten von der Unglücksstelle hieß es, viele Menschen hätten bei einem Massengedränge einen Herzstillstand erlitten. Rettungskräfte und Privatpersonen hätten versucht, sie wiederzubeleben. Mindestens 97 der Todesopfer seien Frauen gewesen, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap.

Es herrschte "absolutes Gedränge"

"Da lagen Menschen auf der Straße an der Kreuzung, die reanimiert wurden", sagte Karl Sunglao aus Kalifornien, der in Seoul als Englischlehrer tätig ist, der dpa auf dem Rückweg aus Itaewon. Als er und seine Freundin um etwa 23 Uhr am Samstag (Ortszeit) aus der U-Bahn-Station gekommen seien, um zu feiern, hätten sie zunächst gedacht, ein Gebäude sei eingestürzt. "Es herrschte absolutes Gedränge, wir wussten nicht, was los war."

Die genauen Umstände der Tragödie blieben vorerst unklar. Beobachter wiesen darauf hin, dass es größtenteils unorganisierte Feiern gewesen seien und dass offensichtlich niemand so große Mengen erwartet habe. Augenzeugenberichten zufolge waren die Gassen rund um das Unglücksareal derart voll, dass sich die Rettungskräfte nur schwer ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen und zu den Opfern vordringen konnten.

Rettungskräfte und Feuerwehrleute sind an der Unfallstelle im Einsatz. Dutzende Personen haben beim Ansturm auf Halloween-Feierlichkeiten in Seoul einen Herzstillstand erlitten.
Rettungskräfte und Feuerwehrleute sind an der Unfallstelle im Einsatz. Dutzende Personen haben beim Ansturm auf Halloween-Feierlichkeiten in Seoul einen Herzstillstand erlitten. © Lee Ji-Eun/Yonhap/AP/dpa

Online-Videos, die in sozialen Medien kursierten, zeigten Dutzende Personen, die am Straßenrand liegend mit blauen Plastikplanen bedeckt waren. Etwa 140 Rettungsfahrzeuge waren laut Yonhap im Einsatz. Das Gebiet wurde weitläufig abgesperrt.

Südkoreas Präsident in tiefer Trauer

Das alljährliche Halloween-Fest ist eine der größten öffentlichen Feiern in Südkoreas Hauptstadt. Dieses Jahr fand es wieder in größerem Umfang statt, nachdem die Corona-Maßnahmen weitgehend gelockert wurden. Zehntausende Menschen zog es laut den Berichten ins Itaewon-Viertel, viele von ihnen in Halloween-Kostümen verkleidet.

"In Itaewon ist es jedes Jahr extrem voll, aber dieses Jahr war es einfach nur verrückt", schrieb eine Frau in einer Instagram-Story. Den Berichten zufolge machten Gerüchte die Runde, dass ein prominenter Youtuber auf dem Weg zu einem Club in der betroffenen Straße oder dort schon angekommen sei. Das habe noch einmal sehr viele Menschen angezogen.

Trauer nach der Massenpanik. Hunderte Menschen nahmen Abschied von den zahlreichen Todesopfern.
Trauer nach der Massenpanik. Hunderte Menschen nahmen Abschied von den zahlreichen Todesopfern. © Ahn Young-Joon/AP/dpa

"Das ist wirklich schrecklich", sagte Präsident Yoon in einer Rede an die Bürger am Sonntag. Solch eine Tragödie im Zentrum von Seoul hätte niemals passieren dürfen. Als Präsident, der für das Leben und die Sicherheit der Bürger verantwortlich sei, fühle er tiefe Trauer. Yoon, der auch den Unglücksort besuchte, erklärte laut Yonhap später den betroffenen Stadtteil zur speziellen Katastrophenzone. Dadurch soll unter anderem den Hinterbliebenen der Opfer und den Verletzten schneller Hilfe zugutekommen.

Anteilnahme auch aus Deutschland

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte Yoon. "Mit tiefer Bestürzung und Fassungslosigkeit habe ich von dem verheerenden Unglück in Itaewon erfahren, bei dem so viele Menschen ihr Leben verloren haben", schrieb Steinmeier. Deutschland sei der Republik Korea eng verbunden und stehe "in dieser dunklen Stunde" an deren Seite.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Ratschef Charles Michel äußerten ihr Mitgefühl - ebenso US-Präsident Joe Biden. Der chinesische Präsident Xi Jinping sagte, im Namen der Regierung und des chinesischen Volkes wolle er den Opfern sein tiefes Beileid aussprechen. Der Unfall habe auch mehrere Todesopfer unter chinesischen Bürgern gefordert. Südkoreanischen Angaben zufolge kamen mindestens vier Chinesen ums Leben.

Papst Franziskus sagte am Sonntag vor Pilgern auf dem Petersplatz in Rom: "Lasst uns zum wiederauferstandenen Herrn für diejenigen, besonders jungen Menschen, beten, die in der vergangenen Nacht in Seoul wegen des tragischen und plötzlichen Menschengedränges gestorben sind." Der britsche Prinz William schrieb auf Twitter, er und seine Frau Kate würden ihre "Liebe und Gebete zu den Eltern, Familien und geliebten Menschen senden", die in Seoul ihr Leben auf tragische Weise verloren hätten. (dpa)