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Zugunglück: Ermittlungen gegen Bahnmitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung

Fünf Menschen sterben, weil ein Regionalzug bei Garmisch-Partenkirchen entgleist. Gegen drei Bahnmitarbeiter wird nun wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

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Einsatz- und Rettungskräfte arbeiten kurz nach der Zugentgleisung an der Unglücksstelle im Einsatz. Inzwischen geht die Suche nach der Ursache weiter: Experten nehmen die Gleise unter die Lupe.
Einsatz- und Rettungskräfte arbeiten kurz nach der Zugentgleisung an der Unglücksstelle im Einsatz. Inzwischen geht die Suche nach der Ursache weiter: Experten nehmen die Gleise unter die Lupe. © Angelika Warmuth/dpa

Garmisch-Partenkirchen. Nach dem Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen hat die Staatsanwaltschaft München II ein Ermittlungsverfahren gegen drei Personen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Bei den Beschuldigten handele es sich um Mitarbeiter der Deutschen Bahn, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II, Andrea Grape, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

"Es handelt sich bisher um einen Anfangsverdacht", betonte Grape. Bis zum Abschluss der Ermittlungen bleibe offen, ob die Bahnmitarbeiter tatsächlich Mitschuld trügen. "Es gilt auch hier wie stets in solchen Fällen die Unschuldsvermutung bis zum endgültigen Abschluss der Verfahrens."

Der Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München war am Freitagmittag kurz nach der Abfahrt entgleist. Vier Frauen und ein Jugendlicher sind bei dem Unglück am Freitagmittag ums Leben gekommen. Zuletzt war am Samstag das fünfte Opfer unter einem umgestürzten Waggon geborgen worden - ein 13-Jähriger aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Zunächst war das Alter mit 14 Jahren angegeben worden.

Unter den getöteten Frauen sind zwei 30 und 39 Jahre alte Mütter aus der Ukraine. Sie waren dem Vernehmen nach mit ihren Kindern nach Bayern geflüchtet. Zudem starben eine 51-Jährige aus Wiesbaden und eine 70-jährige Frau aus dem Landkreis München.

Eine der Frauen war am Freitag auf dem Weg ins Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen, die drei anderen wurden unter den Trümmern geborgen. Eine 34-jährige Frau befindet sich laut Polizei nach wie vor in einem kritischen Zustand. Insgesamt wurden mehr als 40 Menschen verletzt, mehrere davon schwer.

Nach einem ökumenischen Gottesdienst im Gedenken an die Opfer des Zugunglücks bei Garmisch, brennen Kerzen vor dem Altar.
Nach einem ökumenischen Gottesdienst im Gedenken an die Opfer des Zugunglücks bei Garmisch, brennen Kerzen vor dem Altar. © dpa
Die Rettungskräfte haben nach einem schweren Zugunglück einen der Waggons angehoben. Inzwischen sind alle Vermisstenfälle geklärt.
Die Rettungskräfte haben nach einem schweren Zugunglück einen der Waggons angehoben. Inzwischen sind alle Vermisstenfälle geklärt. © Sven Hoppe/dpa
Auch am zweiten Tag sind zahlreiche Einsatz- und Rettungskräfte nach einem schweren Zugunglück im Einsatz.
Auch am zweiten Tag sind zahlreiche Einsatz- und Rettungskräfte nach einem schweren Zugunglück im Einsatz. © Sven Hoppe/dpa
Der Regionalexpress entgleiste in der beliebten oberbayerischen Urlaubsregion auf dem Weg von Garmisch nach München.
Der Regionalexpress entgleiste in der beliebten oberbayerischen Urlaubsregion auf dem Weg von Garmisch nach München. © Angelika Warmuth/dpa
Mehrere Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben.
Mehrere Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben. © Sven Hoppe/dpa
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU - M) am Unglücksort.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU - M) am Unglücksort. © Angelika Warmuth/dpa
Zahlreiche Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes sind am Unfallort im Einsatz.
Zahlreiche Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes sind am Unfallort im Einsatz. © Josef Hornsteiner/Garmisch-Partenkirchner Tagblatt/dpa
Rettungskräfte, Feuerwehrleute und teilweise auch das THW sowie die Polizei versuchen die Verletzten zu bergen.
Rettungskräfte, Feuerwehrleute und teilweise auch das THW sowie die Polizei versuchen die Verletzten zu bergen. © Josef Hornsteiner/Garmisch-Partenkirchner Tagblatt/dpa
Die Straßen rund um den Unfallort sind gesperrt.
Die Straßen rund um den Unfallort sind gesperrt. © Josef Hornsteiner/Garmisch-Partenkirchner Tagblatt/dpa
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (M, SPD) spricht zu Medienvertretern an der Unglücksstelle.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (M, SPD) spricht zu Medienvertretern an der Unglücksstelle. © Angelika Warmuth/dpa

Warum der Zug entgleiste, ist unklar. "Die Ursache dieses Unglücks ist Gegenstand der Ermittlungen", sagte Grape.

Offensichtlich rücken jedoch Schienen und Fahrgestelle ins Zentrum der Untersuchungen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Unfallursache werde "mit dem Schwerpunkt in Richtung technische Defekte gesucht". Fahrgestelle von Waggons seien sichergestellt worden, "und es wird im Moment auch überlegt, inwieweit einzelne Schienen oder Schwellen sichergestellt werden müssen. Auf jeden Fall werden die im Moment peinlichst genau untersucht und vermessen", sagte er am Montag.

Ermittlungen könnten Monate dauern

Nach einem Bericht der Zeitung "Die Welt" plante die Deutsche Bahn auf der Unglücksstrecke in Kürze Sanierungsarbeiten an den Gleisen. Demnach sollten vom 25. Juni bis 9. Juli zwischen Oberau und Garmisch-Partenkirchen eine nächtliche Gleislageberichtigung und Schienenerneuerungen stattfinden.

Die Deutsche Bahn teilte dazu mit, sich wegen der laufenden Ermittlungen derzeit nicht äußern zu können. "Selbstverständlich setzen wir alles daran, die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache zu unterstützen", sagte ein Bahnsprecher am Dienstag.

Die Ermittlungen zur Unfallursache führt eine Soko "Zug" bei der Kriminalpolizei in Weilheim. Am ersten Tag habe die Soko bis zu 70 Menschen umfasst, sagte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag. Auch am Dienstag waren mehr als 40 Ermittler mit der Aufklärung befasst. Ein Experte der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung und ein externer Gutachter seien ebenfalls beteiligt.

Derzeit würden Zeugen befragt, darunter Bahnmitarbeiter und Fahrgäste. Mit vielen sei bereits gesprochen worden. "Es wird versucht, mit allen zu sprechen, die im Zug saßen. Natürlich ist jeder, der im Zug saß, ein potenzieller Zeuge", sagte Sonntag.

Die Ergebnisse der Befragungen müssten später geordnet und bewertet sowie dann mit den Resultaten der technischen Untersuchungen zusammengeführt werden. "Es ist ein langwieriger und aufwendiger Prozess - der hoffentlich irgendwann ein Gesamtbild ergibt, das diesen Unfall rekonstruieren lässt."

Nach ersten Schätzungen könnten die Ermittlungen Wochen oder Monate in Anspruch nehmen.

Bahnstrecke bleibt vorerst gesperrt

Der letzte umgestürzte Waggon wurde am Montag von Kränen geborgen und für den Abtransport zerlegt. Die Teile wurden vorübergehend in der Nähe abgelegt. Am Dienstag waren Helfer dabei, die Höhenkontrolle vor der Tunneleinfahrt Farchant wieder zu montieren. Zudem wurden Bäume geschnitten. Die Lok und ein Waggon standen weiter auf dem Bahndamm. "Die Lok sowie ein Wagen bleiben aufgrund weiterhin laufender Ermittlungsarbeiten noch bis auf weiteres vor Ort", teilte ein Bahnsprecher mit.

Wann die Bahnstrecke wieder freigegeben wird, ist offen. Ersatzbusse seien im Einsatz, aber von nicht zwingend erforderlichen Zugfahrten im Bereich Garmisch-Partenkirchen - Murnau werde abgeraten, teilte die DB mit.

Die Autobahn 95 in Richtung Garmisch-Partenkirchen ist laut Polizei inzwischen wieder freigegeben. Die Tunnel Farchant und Oberau sowie die Bundesstraße 2 in Höhe der Unfallstelle sind aber noch gesperrt.

Söder: Unglück ist ein "Stich ins Herz"

Die Kirchen hatten am Montagabend ein ökumenisches Gebet in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Garmisch-Partenkirchen abgehalten. Annähernd hundert Menschen nahmen daran teil.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der mit Bahnchef Richard Lutz am Samstag den Unglücksort besuchte, versprach eine umfangreiche Aufarbeitung des Unglücks. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zufolge waren alle Experten vor Ort der Meinung, "dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste". Die Einsatzkräfte kämpften mit den Tücken einer komplizierten Bergung. Versuche, die Waggons beispielsweise mit Hebekissen anzuheben, waren zunächst gescheitert.

"Es ist ein unfassbares Ereignis", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei einem Besuch am Unglücksort am Wochenende. Ein solches Unglück sei immer ein Schock und ein "Stich ins Herz". Es sei ein Zug gewesen, der für viele Schüler da war. "Man muss sich das jetzt so vorstellen: Es ist kurz vor den Ferien, im Zug ausgelassene Stimmung, in einer der schönsten Regionen, die Bayern ja hat - und dann passiert sowas und verändert möglicherweise ein Leben komplett." (dpa)