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Premier und Präsident streiten über Polens Außenpolitik

Donald Tusk und Lech Kaczynski sind nicht nur über den Kurs gegenüber dem Ausland zerstritten.

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Von Knut Krohn, SZ-Korrespondent in Warschau

Donald Tusk gelingt im Moment scheinbar alles. Schnell hat der polnische Premier nach seinem Wahlsieg im Oktober eine Koalition geschmiedet und eine Regierung gebildet. Nach Jahren des Streits unter seinem Vorgänger Jaroslaw Kaczynski, vermittelt Tusk den Eindruck, Polen mit sicherer Hand in ruhigere Gewässer zu steuern.

Nur einen Störfaktor kann er nicht ausschalten: den Präsidenten. Lech Kaczynskis scheint sich noch immer nicht mit der Niederlage seines Zwillingsbruders abgefunden zu haben und versucht bei jeder sich bietenden Gelegenheit, die Politik des neuen Regierungschefs öffentlich zu diskreditieren. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden machtbewussten Politikern finden vor allem auf dem Feld der Außenpolitik statt. Doch Tusk will keine Zweifel aufkommen lassen, wer hier das Sagen hat.

So beschrieb er jüngst die Arbeitsteilung im Staate: „Ich bin als Premier der Regierung für die Außenpolitik verantwortlich. Der Präsident vertritt dagegen Polen als Staatsoberhaupt.“ Es sei also eindeutig festgelegt, dass die Außenpolitik eine Domäne der Regierung sei, fügte er hinzu.

Doch Lech Kaczynski will sich auf keinen Fall damit abfinden, dass seine Kompetenzen auf diese Weise beschnitten werden – und er will dagegen sogar vor Gericht vorgehen. Das Staatsoberhaupt plane eine Anfrage an das Verfassungsgericht, um die rechtliche Lage in dieser Sache zu klären, heißt es. Nach seiner Ansicht trägt der Präsident „die Last der Verantwortung“ für die Sicherheit des Landes – das heißt auch für die Außenpolitik.

Doch Donald Tusk kümmert sich herzlich wenig um die Einwände des Präsidenten und steckt ungerührt die Linien seiner Politik ab. Vor allem um das Verhältnis zu den USA ist Lech Kaczynski besorgt. Mussten er und sein Bruder sich immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, völlig kritiklos gegenüber Washington zu sein, steht Tusk der Supermacht eher distanziert gegenüber – mit praktischen Konsequenzen für Washington.

Zum Entsetzen der Kaczynskis will Polen seine Soldaten im kommenden Jahr aus dem Irak abziehen und über die Stationierung des US-Raketenabwehrschirms in Polen, plant der neue Premier ebenfalls noch einmal grundsätzlich zu verhandeln. Für herbe Kritik sorgte auch die Entscheidung Donald Tusks, die polnische Blockade der Verhandlungen über die Aufnahme Russlands in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufzuheben. Der Präsident sei über diese „strategisch wichtige Angelegenheit“ informiert gewesen, hieß es aus der Kanzlei des Staatsoberhauptes.

Offensichtlich arbeitet Kaczynski nun daran, seinem Widersacher den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zu diesem Zweck soll die ehemaligen Außenministerin Anna Fotyga in der Präsidentialkanzlei eine Art politisches Kraftzentrum aufbauen und eine alternative Außenpolitik gestalten. Doch auch Donald Tusk versucht so viel Macht auf seiner Seite zu bündeln wie möglich. So ist das Komitee für Europäische Integration nicht mehr dem Außenministerium, sondern direkt dem Premierminister unterstellt. Damit ist Donald Tusk alleiniger Herr über die Koordinierung der polnischen EU-Politik. Dieser Schritt zeigt deutlich, wo Tusk Polens Heimat sieht.