Kamenz
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Primadonna im Homeoffice

Steffi Lehmann ist Sopranistin in Dresden – und jetzt oft in ihrer Kamenzer Heimat. Sie plaudert über Besuche bei Oma, Proben auf Abstand und eine große Vorfreude.

Von Ina Förster
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Die Primadonna der Staatsoperette Dresden Steffi Lehmann stammt aus Biehla bei Kamenz. In der Corona-Krise besucht sie oft die Familie daheim.
Die Primadonna der Staatsoperette Dresden Steffi Lehmann stammt aus Biehla bei Kamenz. In der Corona-Krise besucht sie oft die Familie daheim. © René Plaul

Kamenz/Biehla. Oma Margot hat sich gefreut. Öfter als sonst  sah die 84-Jährige in den letzten Wochen ihre Enkeltochter. Und Steffi Lehmann freute sich auch. Denn Oma ist für sie die Beste, ein Vorbild, der Herzensmensch überhaupt. Durch Corona wurde ihr das noch einmal richtig bewusst. Dass das Leben endlich ist, dass man jede Minute auskosten sollte. Nicht immer ging das. Vor allem nicht mit Abstand. "Wir haben in den ersten Wochen nur telefonieren können. Das tat uns allen weh - meinen Eltern, der Omi", sagt Steffi Lehmann. Manchmal hat sie dann durchs Telefon gesungen. Als erste Sopranistin der Dresdner Staatsoperette für sie ein Klacks...

Steffi Lehmann stammt aus Biehla bei Kamenz, einem idyllischen Dörfchen mit bunten Bauerngärten vor der Tür. Wo jeder jeden kennt. Vor allem ihre Steffi kennen sie dort alle. Manchmal fährt ein ganzer Fan-Bus in Dresden vor. Organisiert von der rüstigen Oma, die vor Stolz fast platzt.

Denn seit Beginn der Spielzeit 2019/20 ist Steffi die neue Primadonna der Staatsoperette. Sie debütierte in der Rolle der Sylva Varescu  aus der "Csárdásfürstin" und als Hanna Glawari  aus "Die lustige Witwe". Längst haben die Dresdner die hochgewachsene, blonde Frau  in ihre Herzen geschlossen. Doch die aktuelle Spielzeit musste abgebrochen werden. Der Lockdown erreichte auch die Staatsoperette. Alle gingen ins Homeoffice. Und die Primadonna  ging mit.

"Die Stimme muss trainiert werden, sonst verkümmert sie!"

Was treibt man da als Sängerin? "Man singt", antwortet die 35-Jährige lachend. Neue Partien, bekannte Arien, Rollentexte - das alles muss weiter geübt werden. Am 16. Mai wollte sie eigentlich Premiere im "Casanova" feiern. Nächste Vorstellungen der "Lustigen Witwe" standen an. Alles auf Eis gelegt. Doch es gibt ein Danach. Vor einer neuen Spielzeit, in einem wundervollen kleinen Kunst-Sommer, der vor der Tür steht. Auch in Dresden. Obwohl es in den letzten Wochen nicht danach aussah.

Steffi Lehmann wusste schon als kleines Mädchen, was sie wollte. Sie studierte nach ihrer Kamenzer Zeit am Lessing-Gymnasium Operngesang an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Noch während ihres Studiums wurde sie beim Gesangswettbewerb der Deutschen Mozartgesellschaft mit dem 1. Preis ausgezeichnet und erhielt 2009 ein Stipendium des Richard-Wagner-Verbandes für die Bayreuther Festspiele. Inzwischen gastiert sie an führenden Opern- und Konzerthäusern im In- und Ausland mit wichtigen Partien ihres Fachs. 

"Unsere Stimme ist das Pfund,  mit dem wir wuchern. Ein Organ, das verkümmert, wenn man es nicht trainiert", sagt Steffi Lehmann. "Ein bisschen sind wir wie Sportler!" Im Homeoffice liefen die Proben mit ihrem Gesangsprofessor Hans-Joachim Beyer weiter. Digital über Facetime. "Das klappte hervorragend, selbst vom Klang. Wir haben gestaunt. Und waren froh, dass es diese Möglichkeit gibt. Über Wochen konnten wir so Kontakt halten", erzählt die Sopranistin.

Es gab Videokonferenzen mit den Kollegen, Kettenkonzerte, die viral gingen. Und einen regen Austausch in einer sonst einsamen Zeit. "Das Team der Staatsoperette ist wundervoll. Man gab uns immer das Gefühl, dass es weiter geht." Keiner musste in Kurzarbeit.  Kostümschneiderei, Schuhmacher, Kulissenbauer - alle haben in den  letzten Wochen Dinge aufgearbeitet,  waren nicht untätig.  Trotzdem: "Als der Lockdown kam, war es ein bisschen, wie aus einem fahrenden Zug zu springen", sagt Steffi Lehmann.

Staatsoperette bereitet Open Air Sommer vor

Viel nachgedacht hat sie in den letzten Wochen. Und mit ihrem Liebsten gesprochen. Martin Lattke ist ebenfalls vom Fach, steht als freiberuflicher Tenor auf der Bühne.  Auch für ihn fielen wichtige Auftritte in der Passionszeit weg, der Festival-Sommer  wurde bundesweit abgesagt.  Martin Lattke ist Vertrauter, Ehemann, Kollege. Gerade eben wollten die Beiden eine gemeinsame CD produzieren. Das musste gecancelt werden. "Aber aufgeschoben, ist nicht aufgehoben", verspricht Steffi Lehmann. 

Die Sopranistin kann Corona nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Wenn es uns trifft, kann das das Ende der Karriere bedeuten. Wir haben eine intensive Lungenatmung beim Singen", sagt sie. Covid-19 berge eine riesige Gefahr. "Wir schützen uns im Flieger auf Reisen immer schon mit Masken", erklärt Steffi Lehmann. Das war für sie nicht die größte Umstellung in der Krise - aber in der Angst nicht unterzugehen, Optimismus zu behalten und weiterzugeben an die, die ihn noch dringender brauchen. Das ist Aufgabe in dieser Zeit. Der Kontakt zu Freunden und Fans ist ihr wichtig.

Nun stehen alle Zeichen auf  Hoffnung. Die Staatsoperette ist zurück aus dem Homeoffice.  Dank durchdachter  Raumaufteilung und ausgeklügeltem Terminplaner. "Natürlich stehen wir noch nicht mit 100 Leuten auf der Bühne. Das geht höchstens mit 20 Kollegen. Wir proben einzeln und am Ende wird alles zusammengefügt", verrät die Sopranistin. "Es  gibt ein tolles Alternativprogramm ab Mitte Juni. Einige Galakonzerte, einen Open Air-Sommer auf dem gesamten Kraftwerksgelände ", freut sich Steffi Lehmann. "Wir sind wieder da und wollen den Leuten  Hoffnung schenken. Musik ist Hoffnung!"

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