Von Alexander Schneider
Ein Kolumbianer (41) und ein Inder (36) wurden möglicherweise nur deshalb von einem fremdenfeindlichen Mob durch Löbtau gejagt, weil sie dunkle Haut haben und zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht waren. Am Sonntag, 6. Oktober 2013, stiegen sie um 4.15 Uhr in der Kesselsdorfer Straße aus einer Straßenbahn und stießen dort auf rund ein Dutzend Leute, die sich angeblich bereits in der Wolle hatten. Warum auch immer gerieten nun die beiden Ausländer ins Visier der Täter. Es fielen rassistische Beleidigungen und „Heil Hitler“ und schon flogen Fäuste.
Die Männer flüchteten in die Bünaustraße, wo der BMW des 41-Jährigen stand. Sie wurden mit Steinen beworfen, die allerdings ihr Ziel verfehlten. Es gab ein Gerangel, Beschädigungen an zwei Autos und schließlich kam auch noch die Polizei dazu und stellte mehrere Verdächtige.
Drei Dresdner im Alter von 26 bis 29 Jahren wurden Anfang 2015 angeklagt. Schon das war nicht wirklich schnell. Doch Strafrichter Herbert Dietz am Amtsgericht Dresden, auf dessen Tisch die Anklage damals landete, hat das locker getoppt. Ende Oktober 2015, inzwischen mehr als zwei Jahre nach der Tat, setzte Dietz den ersten Prozess an. Eile war auch da nicht im Spiel. Doch es sollte schlimmer kommen. Der Termin platzte, weil nur ein Angeklagter einen Verteidiger hatte. Im Frühjahr 2016 platzte ein zweiter Anlauf wegen Krankheit eines Angeklagten, im August 2016 platzt der dritte Anlauf, weil ein Angeklagter angeblich nicht habe geladen werden können. Danach war das richterliche Interesse an der Strafverfolgung offensichtlich vollends erloschen. Ein ganzes Jahr passierte wieder – nichts.
Rechtsanwältin Gesa Israel, die Nebenklagevertreterin des Kolumbianers, sagte, sie habe mehrfach angemahnt, den Prozess nicht auf die lange Bank zu schieben, im Mai 2017 sogar eine Untätigkeitsbeschwerde erhoben. „Diese Sache hat mich restlos zum Verzweifeln gebracht“, sagte sie.
Neuer Versuch: am gestrigen Donnerstag. Zum ersten Mal wurde nun die Anklageschrift verlesen. Danach zog sich Strafrichter Dietz auf Wunsch der Verteidiger mit den Prozessbeteiligten zum Rechtsgespräch zurück. Ziel des Gesprächs war es wohl, die Sache endgültig zu beenden. In knappen Sätzen teilte Dietz anschließend die Einstellung des Verfahrens auf Kosten der Staatskasse mit. Als Auflage werde
jeder Angeklagte jedem Geschädigten 500 Euro zahlen, einer muss auch für eine von ihm demolierte Autoscheibe zahlen. Kein Schuldspruch, kein schriftliches Urteil, kein Eintrag im Vorstrafenregister. Es ist fast so, als wäre nie etwas passiert.