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Problemviertel Prohlis?

Es gibt dort viele Arbeitslose und Flüchtlinge – aber auch aktive Helfer. Zudem klagen die Bewohner über Müll und Krach.

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© J.-M. Schulter

Von Nora Domschke

Karsten Dietze weiß, welche Sorgen die Prohliser derzeit umtreiben. Als Regionalkoordinator der Caritas ist er für die Flüchtlinge im Ortsamtsgebiet zuständig. In seiner Bürgersprechstunde berichten Anwohner von Problemen einer irakischen Familie bei der Mülltrennung, von lauten syrischen Kindern, von leeren Flaschen, die südländisch aussehende Männer am Pusteblumenbrunnen hinterlassen.

Eine Chance für den Stadtteil, sagt Asylkoordinator Karsten Dietze
Eine Chance für den Stadtteil, sagt Asylkoordinator Karsten Dietze © René Meinig

Auch das Ehepaar Holfert macht sich Gedanken über die Zukunft des Wohnviertels. Es fällt ihnen schwer, ihre diffusen Ängste in Worte zu fassen: Ein bisschen ist es der Müll, der auf öffentlichen Plätzen irgendwie zunimmt, ein bisschen das Sicherheitsgefühl, das abnimmt, seit Asylbewerber im Stadtteil leben. Schlechte Erfahrungen haben Ursula und Hans-Jürgen Holfert bislang zwar noch nicht gemacht. Aber man höre ja so einiges: Ausländer, die an der Kasse im Nettomarkt einfach nicht bezahlen, Gruppen von Flüchtlingen, die am Pusteblumenbrunnen Bier trinken, ihren Müll liegen lassen, bis in die Nacht laut sind. „Das machen aber auch Deutsche“, räumt Hans-Jürgen Holfert ein.

Trotzdem – oder gerade deswegen: Er und seine Frau machen sich Gedanken darüber, ob die Integration der Flüchtlinge in einem Stadtteil gut gelingen kann, der selbst als sozialer Brennpunkt in Dresden gilt. Aufgrund des großen Angebots an preiswerten Wohnungen leben hier überdurchschnittlich viele Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Im vergangenen Jahr wohnten in Prohlis mehr als 550 Familien mit Kindern, die finanziell vom Staat unterstützt werden.

Das bringt auch soziale Konflikte mit sich. Ursula Holfert ist aufgefallen, dass der Ton im Wohngebiet rauer geworden ist. „Man wird schnell beschimpft, wenn man einen Hundebesitzer darauf hinweist, dass er den Haufen seines Vierbeiners doch bitte wegräumen soll.“ Als sie und ihr Mann vor 36 Jahren in das schöne Neubauhaus in der Georg-Palitzsch-Straße einzogen, sei das Miteinander viel stärker gewesen. Die Nachbarn kannten sich, sorgten bei Arbeitseinsätzen in den Innenhöfen für Ordnung, man grillte zusammen, half sich gegenseitig. „Heute ist alles anonym.“

Auch, weil viele Freunde und Nachbarn inzwischen aus dem Plattenbaugebiet weggezogen sind. „Unsere Kinder schütteln nur den Kopf darüber, dass wir hier bleiben“, sagt Hans-Jürgen Holfert. Der 69-Jährige ist sichtlich enttäuscht über die Entwicklungen in seinem Viertel – zumindest auf menschlicher Ebene. „Das Niveau ist in den letzten Jahren gesunken.“

Dass sich durch den Zuzug von Migranten die Sicherheitslage verschärft hat, kann die Polizei nicht bestätigen. Stadtweit wurden im vergangenen Jahr 17,6 Prozent der Straftaten von Ausländern begangen. In Prohlis lag der Anteil bei elf Prozent, teilt Polizeisprecherin Jana Ulbricht auf Anfrage mit. Zum verstärkten Problemviertel habe sich Prohlis nicht entwickelt.

Im gesamten Ortsamtsgebiet Prohlis leben heute etwas mehr als 1 100 Flüchtlinge in 189 Wohnungen. Seit März stellte der Großvermieter Vonovia 44 weitere Wohnungen zur Verfügung, in denen vor allem Familien mit Kindern untergebracht sind. Im Vergleich: Im benachbarten Ortsamtsgebiet Leuben sind es derzeit insgesamt 167 Menschen in 28 Wohnungen, in Klotzsche 31 Asylbewerber in acht Wohnungen.

Das Ehepaar Holfert erwartet, dass sich die Neuankömmlinge integrieren, sich an das Gesetz halten. „Dafür müssen sie natürlich erst einmal mit unseren Regeln vertraut gemacht werden“, gibt die 67-jährige Rentnerin zu bedenken. Das werden sie auch, sagt Karsten Dietze. „Es gibt viele Initiativen, in denen sich Ehrenamtliche engagieren, Sprachkurse anbieten, Familien als Paten begleiten.“ Dabei geht es auch um ganz alltägliche Dinge, wie Mülltrennung und Rücksicht auf die Nachbarn.

Dass sich daran längst nicht alle Zugezogenen halten, weiß auch Dietze. Deshalb bieten er und sein Kollege Tobias Fried Bürgersprechstunden an – nicht nur in Prohlis, sondern auch in Leuben und im Wohngebiet am Koitschgraben. „Wenn es Probleme gibt, sollten sich die Dresdner direkt an uns wenden“, sagt Dietze. Er gibt die Informationen an die Sozialarbeiter weiter, die die Flüchtlinge betreuen. „Das geht schneller als der Umweg über den Vermieter oder das Sozialamt.“

Dietze sieht kein Problem darin, dass in Prohlis mehr Flüchtlinge leben als in anderen Vierteln. „Ich wünsche mir allerdings, dass die Anwohner mehr Kontakt zu ihnen suchen.“ Das baue Vorurteile ab. „Meine Erfahrung ist, dass besonders die jungen Menschen, die nach Deutschland kommen, ganz genaue Vorstellungen davon haben, wie ihre Zukunft mit Job und Familie aussehen soll.“ Vielleicht sei das ja auch eine Chance für den Stadtteil.

Bürgersprechstunde Asyl:

Ortsamt Prohlis: Prohliser Allee 10, jeden ersten und dritten Dienstag im Monat, 17 bis 18 Uhr

Ortsamt Leuben: Hertzstraße 23, jeden zweiten Dienstag im Monat, 15 bis 16 Uhr

Stadtteilbüro „Am Koitschgraben“: Walter-Arnold-Straße 19, jeden vierten Dienstag im Monat, 16 bis 17 Uhr