Merken

Professionell und herzlich

In der Großenhainer Residenz Pro Civitate arbeiten philippinische Pflegekräfte. Eine Kooperation, die Löcher stopft.

Teilen
Folgen
© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Lena Glausch strahlt übers ganze Gesicht. Gut geht es der 91-jährigen alten Dame heute Morgen und noch viel besser, weil all ihre Mädchen um sie herum schwirren. „Diese vier jungen Frauen versprühen so eine Warmherzigkeit, dass ich mich immer freue, wenn eine von ihnen für mich zuständig ist“, bekennt die weißhaarige Dame und lacht. Dass auch all die anderen Mitarbeiter in der Großenhainer Residenz Pro Civitate helfende und gute Seelen seien, will die Rollstuhlfahrerin unbedingt betont wissen. Aber das exotische Flair und die beinah familiäre Fürsorge von Rachelle Anne Letran, Baby Deftly Evangelio, Mariane Luci und Noemi Ruth Mateo sei schon etwas ganz Besonderes.

Junge Frauen im Alter zwischen 26 und 32, die seit einigen Monaten das Team der beiden Einrichtungen in Großenhain und Meißen verstärken. Bereits seit zwei Jahren profitieren die Heime von einer Kooperation ihres Trägers mit dem Inselstaat im Westpazifik. Weil es auf dem Arbeitsmarkt kaum noch qualifizierte Altenpfleger gibt, bildet er selbst Pflegekräfte aus. Allerdings: „Kurzfristig hilft uns das nicht weiter. Ich hab seit Monaten keine einzige Bewerbung einer Fachkraft mehr auf dem Schreibtisch vorgefunden“, sagt Daniel Zschau.

Wie der Heimleiter-Assistent betont, kämen die philippinischen Frauen und Männer deshalb gerade zur rechten Zeit. Rachelle zum Beispiel. Die 25-jährige Krankenschwester lebt seit Anfang August in der Röderstadt. Dass sie in ihrer Heimatstadt den Beruf erlernt habe, sei schon immer darauf ausgerichtet gewesen, irgendwann einmal im Ausland zu arbeiten. „Meine Eltern wohnen in einer kleinen Provinz auf dem Land. Da meine drei jüngeren Geschwister alle noch studieren, ist das Geld eigentlich immer knapp“, erzählt Rachelle.

Ihre vergleichsweise gut bezahlte Tätigkeit in der neuen Heimat ermögliche es ihr, die Familie finanziell zu unterstützen. Deshalb spare sie den größten Teil ihres Lohns und werde erst in gut zwei Jahren das erste Mal wieder nach Hause fliegen. Und ist damit nicht allein. Von den 100 Millionen Philippinern arbeiten laut Schätzungen der Weltbank sechs Millionen im Ausland. In Privathaushalten der Golfstaaten, auf den Schiffen der Weltmeere – und seit ein paar Jahren in der deutschen Altenpflege.

Auch wenn sich die zierliche Rachell zunächst mehrmals für ihre „mangelnden Deutschkenntnisse“ entschuldigt. Die mit einem regulären Arbeitsvertrag und ebenso vergütete Krankenschwester wie ihre deutschen Kolleginnen spricht die neue Sprache nahezu fließend. Acht Monate habe sie in der Hauptstadt Manila, wo sie in einer Klinik tätig gewesen sei, einen Kurs belegt. Der mit dem Abschlusszertifikat B2 endende Intensivlehrgang wäre Grundvoraussetzung gewesen, um überhaupt nach Deutschland zu kommen.

Von der mit Pro Civitate zusammenarbeitenden Agentur angeworben, sei eingedenk der fachlichen Qualifikation und der beruflichen Erfahrung der Weg geebnet worden: Die Agentur übernimmt die Kosten für Sprachkurs und Visum und verhandelt mit den Behörden. Gut 70 philippinische Fachkräfte habe die Agentur bis jetzt ins Land geholt. Und offenbar zur Zufriedenheit aller Beteiligter. Während nicht nur Lena Glausch vom umsichtig-freundlichen Umgang der Philippinerinnen schwärmt, findet auch Daniel Zschau nur lobende Worte für die fleißigen und den älteren Heimbewohnern überaus zugewandten Angestellten. Fachlich stünden sie ihren Kolleginnen in nichts nach.

Lediglich die zuweilen aufwendige deutsche Art der pflegerischen Dokumentation sei für Rachelle und ihre Mitstreiterinnen anfangs etwas gewöhnungsbedürftig gewesen. Immerhin: „Solche Senioreneinrichtungen gibt es überhaupt nicht auf den Philippinen! Da kümmern sich traditionell die Familien um ihre älteren Angehörigen“, bekennt Rachell. Dass sie in Großenhain und Meißen jeden Handgriff – und sei er noch so liebevoll gemeint – zu Papier bringen müsse, habe sie anfangs irritiert. Doch inzwischen beherrsche sie auch das.

Mehr noch. Die Stärken im Umgang beider Kulturen mit der Pflege und Betreuung von Senioren ließen sich gut verknüpfen. Professionelle Bedingungen und moderne Einrichtungen einerseits und die professionelle, aber mitunter herzliche Hinwendung als Beinah-Enkelersatz andererseits. „Wir profitieren alle voneinander! Unser Team und die Bewohner“, so Daniel Zschau.