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Protest von rechts und links

Bautzen war am Sonntag Aufmarschplatz radikaler Gruppen. Lokale Politiker fragen sich besorgt: Wie geht es weiter?

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© Uwe Soeder

Madeleine Arndt

Bautzen. Kapuzen, Mundschutz, Sonnenbrillen, Handschuhe mit verdächtigen Beulen – vor der diesigen Kulisse des Bautzener Bahnhofs hat sich am Sonntag um 16 Uhr eine schwarze Masse aufgebaut. Antifa-Gruppen aus Bautzen und Dresden haben ihre Anhänger zum Protest nach Bautzen gerufen. Etwa einhundert Polizisten in Kampfmontur halten sich bereit. Schlagstöcke und Handschellen hängen an den Gürteln, Kabelbinder schauen aus Hosentaschen. Plötzlich wird der Ton aggressiv. „Verdammtes Dreckspack“, brüllen ein paar Nazis. Linke springen auf, brüllen zurück. Sekundenschnell schieben sich ein Dutzend Polizisten zwischen die Fronten.

Demonstrationen in Bautzen

Der CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann ist vor Ort und blickt bestürzt auf die Szenerie: „Wir können hier keine Stellvertreterkriege gebrauchen.“ Schiemann will handeln, um den Ruf seiner Stadt zu retten. Einen Bautzen-Gipfel möchte der Politiker deshalb schnell einberufen, mit Vertretern der sächsischen Regierung, des Landkreises und der Stadt.

An die 450 Mann ziehen gegen 16.30 Uhr vom Bahnhof in Richtung Husarenhof. Ein Punkt mit Symbolcharakter. In dem ehemaligen Hotel sollte eine Unterkunft für 300 Asylbewerber entstehen. Doch Ende Februar ging der Dachstuhl in Flammen auf. Brandstiftung! Bis heute ist nicht geklärt, wer die Verantwortung dafür trägt.

Während der Zug vor dem Gebäude stoppt, hält die Polizei die Straßen frei. Vereinzelt stehen Leute an der Demo-Strecke. Ein junger Mann löst sich aus einer Gruppe, läuft zur Maria- und Martha-Kirche und hängt dort eine Deutschland-Fahne an einen Baustellenbagger. Derweil setzt sich der lautstark skandierende Zug wieder in Bewegung. Die linken Demonstranten marschieren zum Kornmarkt. Dorthin, wo es am Mittwochabend zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und Rechtsextremen kam. Dorthin, wo jetzt um die 50 Rechte warten.

Die Polizei trennt die Lager mit einem massiven Aufgebot, denn auch in den Reihen der linken Demonstranten sind nach ihren Erkenntnissen gewaltbereite Autonome. Die meisten sind von außerhalb angereist. Vom Kornmarkt werden sie gegen halb acht zum Bahnhof zurückeskortiert.

Sechs Stunden zuvor hatte auf der „Platte“ die rechte Politaktivistin Ester Seitz ihren Auftritt. 200 Teilnehmer sollten zur Anti-Asyl-Demo kommen. Gegen halb zwei stehen 20 Mann auf der Platte und halten schwarz-rot-goldene Fahnen hoch. Einige Stadträte beobachten das Geschehen, darunter Elisabeth Hauswald (CDU). Scharf kritisiert sie das Gesprächsangebot des Bautzener Oberbürgermeisters an die Rechtsextremen. Das Schreiben der Rechten sei „erpresserisch“, die Reaktion von Alexander Ahrens falsch. Betreiber von rechten und rechtsextremen Internetseiten hatten der Stadt eine Art Friedensangebot gemacht: keine Aktionen mehr, wenn die lokale Politik in ihrem Sinne handelt. Bautzens parteiloser OB hatte Zustimmung signalisiert, wenn auch die Rechten bereit seien, über ihre Fehler zu reden.

„Das ist ein absolut mieses Zeichen. Hier wird den Rechten nachgegeben“, sagt Sven Scheidemantel vom Verein für Flüchtlingshilfe „Willkommen in Bautzen“. Ein 18-jähriger Iraker berichtet, er habe Angst, am Montag in die Abendschule zu gehen. „Die Nazis machen alles kaputt“, sagt er.

Ester Seitz hockt unterdessen an der Technik. In der nächsten halben Stunde sammeln sich etwa hundert Leute. Die Nationalhymne wird eingespielt. Man wolle ein Zeichen der Solidarität mit Bautzen setzen, erklärt Seitz in ihrer Ansprache. Die Flüchtlinge nennt sie boshaft „Kulturbereicherer“. Dann geht das Mikro herum, für Merkelschelte, Medienschimpfe und Tiraden gegen Asylbewerber. Im Publikum stehen junge Männer mit eindeutigen Botschaften auf den Sachen. „Odin statt Jesus“, heißt es da und: „Im Osten ist es Tradition, da knallt es vor Silvester schon.“ Zwei ältere Bautzenerinnen verfolgen das Geschehen vom Fuß des Reichenturms aus. Sie sind verstimmt, weil aus ihrer Sicht zu wenige Leute zur Demo gekommen sind: „Alle schimpfen, aber wenn’s drauf ankommt, geht keiner hin“, sagt eine der beiden.

Kurz vor 15 Uhr ruft Ester Seitz zum Marsch durch die Altstadt auf. Unter Rufen wie „Merkel muss weg“, „Widerstand“, „Grenzen dicht“ und „Wir sind das Volk“ geht es los. Als die Gruppe am Kornmarkt-Center vorüberzieht, schallt es plötzlich „Frei, sozial und national“ aus dem Demozug – der Schlachtruf der gewaltbereiten Neonazi-Kameradschaften.