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Protest vor Hilberts Tür

Sogenannte besorgte Bürger bauten sich vor der Privatwohnung auf. Der OB wurde bereits mehrfach bedroht.

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© SZ/Tobias Wolf

Von Tobias Wolf, Alexander Schneider und Andreas Weller

Etwa 50 Asylkritiker zogen am Dienstagabend vor das Haus von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in Klotzsche. Im Schutz der Dunkelheit, mit Warnwesten, Lampions in Nationalfarben und Taschenlampen, wollten sie Hilbert eine Botschaft zukommen lassen. „Lieber OB Dirk Hilbert! Bitte melden Sie sich bei uns. Die Polizei hat alle Nummern. Danke“, stand auf einem – mit offenbar von Kindern gemalten Blumen verzierten – Zettel. Es geht mal wieder um Übigau und die dort untergebrachten Asylbewerber. Den Brief warf Tom Walthersen aus Übigau in den privaten Briefkasten von Hilbert. „Wir treffen ihn nie an, im Rathaus waren wir auch schon, da lässt Herr Hilbert uns stehen.“

Das sei Grund genug, vor die private Wohnung zu ziehen, wo Hilbert mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Sohn lebt, sagt die Initiative „Wir sind Übigau“. Begleitet wurde das Dutzend aus Übigau von befreundeten Asylgegnern aus anderen Stadtteilen. Hilbert war zu dem Zeitpunkt im Haus. Die Polizei war vor Ort. „Einer der Anwesenden hat seine Personalien angegeben. Wir würden das deshalb als spontane Versammlung werten“, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht. Walthersen war es, dessen Personalien notiert wurden. Zwischendurch hatte er seine Begleiter auch aufgefordert, friedlich zu bleiben und nicht zu brüllen. Kurz darauf skandierten einige dann doch „Volksverräter“. Davon distanzierte sich Walthersen im Nachgang. „Das war niemand aus Übigau, wir waren ja schon fast weg.“ Allerdings waren alle – damit auch die Rufer – seinem Aufruf gefolgt.

Einschüchterungsversuch

„Das ist Nazidiktion“, kritisiert SPD-Fraktionschef und Oberstaatsanwalt Christian Avenarius das Gebrüll von „Volksverräter“. Er findet diese Aktion vor dem Privathaus des OB „absolut geschmacklos“. „Das ist eine riesige Sauerei. Auch ein Oberbürgermeister hat ein Recht auf ein Privatleben. Die Familie wird bedrängt. Das ist ein Einschüchterungsversuch, auch wenn er zum Scheitern verurteilt ist.“ Insbesondere da in der Nacht zuvor ein Anschlag auf die Privatwohnung von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) in Leipzig verübt wurde, hätten sich die Briefschreiber „grob unanständig“ verhalten. Auch andere Politiker verurteilen die Versammlung, zu der via Facebook mobilisiert wurde, scharf. „Familien und das Privatleben von politisch engagierten Menschen sind im politischen Streit absolut tabu und sie müssen es auch bleiben, so Grünen-Chefin Susanne Krause. Sie spricht von einer „Grenzüberschreitung“. „Das ist ein weiterer Schritt der Verrohung der politischen Kultur in Dresden.“

CDU-Chef Christian Hartmann sagt: „Es ist völlig inakzeptabel, wenn solche Kundgebungen vor den Privathäusern von Politikern abgehalten werden.“ Auch er verweist auf den Anschlag auf Gemkow und seine Familie und bezeichnet es deshalb als besonders „schändlich“. „Wer von seinem Versammlungsrecht Gebrauch machen will und Protestbriefe überreichen möchte, kann dies am Rathaus tun.“ Die FDP-Jugendorganisation Julia sieht eine klare Bedrohung. „Wer gegenüber der Privatperson Hilbert keine Drohkulisse aufbauen will oder diese nicht billigend in Kauf nimmt, der zieht auch nicht vor seine Privatwohnung“ so Julia-Chef Sven Künzel.

Hilbert selbst wollte sich zu den Vorkommnissen vor seinem Haus nicht äußern. Das Rathaus bestätigt aber, dass es bereits mehrere Drohungen und Hassmails gegen Hilbert gab. Angezeigt habe er die anonymen Schreiber aber nicht. Auch eine konkrete Zahl wollte die Verwaltung nicht nennen, um nicht noch mehr dazu zu ermutigen. Als OB unterliegt er auch keiner Sicherheitsstufe, es gibt also keine generelle Bewachung. „Wenn solche Aufrufe bekannt werden, fahren wir dort vorbei und nehmen Kontakt zum Oberbürgermeister auf“, so Polizeisprecherin Ulbricht. Gestern hatten Polizisten mit ihm gesprochen.

Walthersen kündigte an, dass keine weiteren Aktionen vor Hilberts Haus geplant seien. „Wir haben das Schreiben eingeworfen, er weiß: Es gibt in Übigau noch etwas zu besprechen.“ Er meint damit, dass in die Sporthalle an der Thäterstraße nun 78 statt 59 Flüchtlinge untergebracht werden sollen und auch Flächen an der Washingtonstraße für Unterkünfte geplant sind. Dort wo bisher ein Hundeausbilder und der Schäferhundeverein ihre Anlagen haben, sollen Container errichtet werden. Das stört die Übigauer. Kommentar