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Prozess gegen Ex-Audi-Chef hat begonnen

Der erste Strafprozess um den Dieselskandal in Deutschland hat begonnen - mit einem der prominentesten Beschuldigten auf der Anklagebank.

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Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler kommt zu Prozessbeginn beim Landgericht in München an.
Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler kommt zu Prozessbeginn beim Landgericht in München an. © Matthias Balk/dpa

München. Rupert Stadler hat sich verändert: Die Haare sind länger geworden, das Gesicht ein bisschen weicher. Er trägt einen blauen Anzug und ein weißes Hemd, aber keine Krawatte. Der Mann, der seit Mittwochmorgen zusammen mit drei anderen Angeklagten wegen Betrugsvorwürfen vor dem Landgericht München steht, ist nicht mehr der Manager, unter dessen Ägide Audi einige Jahre lang mehr Autos verkaufte als Mercedes-Benz.

Ausgerechnet in einem grauen Mercedes fuhr Stadler nun an der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim vor, wo der Prozess wegen Corona unter erschwerten Bedingungen in einem großen Saal stattfindet. Er betrat das Gebäude zusammen mit seinen Anwälten, äußern wollten sie sich dabei nicht. Auch der ehemalige Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz sowie die beiden weiteren Mitangeklagten sind erschienen. Hatz war bis 2009 Leiter der Motorenentwicklung bei Audi und dann bei VW. Stadler und Hatz grüßten sich mit einem "Faust-Check". Im Saal wurden Mund-Nasen-Masken getragen.

Prozess geht mindestens bis 2022

Stadler dürfte in nächster Zeit noch oft vor Gericht erscheinen. Bis ins Jahr 2022 hat das Gericht bereits Termine angesetzt.

Juristisch geht es um "Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung". So hat es die Staatsanwaltschaft schon im Sommer mitgeteilt. Theoretisch drohen den Angeklagten damit bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Gefängnis. Und es geht um die Aufarbeitung des Dieselskandals: Audi-Ingenieure hatten jahrelang Abgastests ausgetrickst. Eine illegale Software sorgte dafür, dass die Stickoxid-Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Auf der Straße aber überschritten die Abgase den Grenzwert. Jahrelang kam Audi damit durch. Auch in Autos der Marken VW und Porsche wurden die Motoren eingebaut, bis das Ganze im Herbst 2015 aufflog.

Die Aufmerksamkeit richtet sich am Mittwoch vor allem auf Stadler, dabei ist er unter den vier Angeklagten derjenige, dem am wenigsten zur Last gelegt wird. Bei ihm beginnen die Vorwürfe erst Ende September 2015 - nach dem Auffliegen des Diesel-Skandals und betreffen dementsprechend weniger Autos.

Stadler bestreitet Mitwisserschaft

Bei den drei anderen Angeklagten geht es deutlich weiter zurück - bis ins Herz der Affäre. Hatz sowie Giovanni P. und Henning L. sollen laut Staatsanwaltschaft veranlasst haben, dass die Software von ab 2009 verkauften Diesel-Motoren manipuliert wurde. Diese Motoren seien in gut 434.000 Fahrzeuge von Audi, Porsche und VW eingebaut und in Europa und den USA verkauft worden.

Hatz, der monatelang in Stadelheim in Untersuchungshaft saß, hat die Vorwürfe im Vorfeld des Prozesses zurückgewiesen. P. ist nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft weitgehend geständig, sein früherer Mitarbeiter L. uneingeschränkt. Walter Lechner, der Anwalt von Giovanni P., sagte vor Betreten des Gebäudes in Stadelheim über seinen Mandanten: "Er war nicht Entscheider und er war weisungsgebunden. Er hat Weisungen bekommen. Und Näheres sind dann viele, viele Details, da muss man abwarten."

Auch Stadler war schon in Untersuchungshaft: Rund viereinhalb Monate in Augsburg - wegen Verdunklungsgefahr. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe spätestens nach der Aufdeckung des Skandals in den USA im September 2015 von den manipulierten Audi-Motoren gewusst. Dennoch habe er veranlasst, dass sie weiterhin verkauft werden - beziehungsweise den Verkauf nicht verhindert. Stadler hat eine Mitwisserschaft oder gar Beteiligung an Diesel-Manipulationen bestritten. Seine Aussage wird im Laufe des Prozesses an einem späteren Verhandlungstag erwartet.

Eine Flut von Zivilklagen

Die Wirtschaftsstrafkammer unter dem Vorsitzenden Stefan Weickert wird nun prüfen müssen, wer wann was wusste, wer was veranlasst hat. Letztlich, wer Mitschuld trägt am Dieselskandal, der vor fünf Jahren eine ganze Branche erschütterte. Weickert musste sich nach seinem Wechsel auf den Posten erst einmal in das Thema einarbeiten.

Der Prozess ist bei weitem nicht der einzige, der in Sachen Dieselskandal geführt wird. Eine Flut von Zivilklagen gibt es bereits und auch die Strafjustiz hat gut zu tun. In den USA wurden zwei VW-Mitarbeiter zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In Braunschweig hat das Landgericht die Anklage gegen den langjährigen VW-Konzernchef Martin Winterkorn zugelassen. Er war bis 2007 Stadlers Vorgänger als Audi-Chef. Der Prozesstermin für Winterkorn ist noch offen.

Den VW-Konzern hat der Dieselskandal mit insgesamt elf Millionen manipulierten Autos bisher 32 Milliarden Euro gekostet - für Schadenersatz, Nachrüstungen, Strafzahlungen. Auch für die Angeklagten könnte es noch sehr teuer werden, sollten sie schuldig gesprochen werden: Laut Strafprozessordnung tragen sie dann die Kosten des Verfahrens - samt Gutachter - und Reisekosten etwa für Zeugen aus den USA. Audi dürfte Abfindungen zurückfordern und von den Vorständen Schadenersatz verlangen. (dpa)