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Prozess nach Horrorunfall

Ein Transporterfahrer nimmt in Klipphausen einem Radfahrer die Vorfahrt. Der wird schwer verletzt. War der Rennfahrer zu schnell?

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© Roland Halkasch

Von Jürgen Müller

Klipphausen. Radfahren ist gesund, es kann aber unter bestimmten Umständen auch verdammt lange krankmachen. So wie im Fall eines 27-jährigen Klipphauseners. Eine Radtour machte ihn ein halbes Jahr arbeitsunfähig, hätte ihn auch das Leben kosten können.

Die Frontscheibe des Transporters ist zerstört, nachdem der Radfahrer hineingekracht ist.
Die Frontscheibe des Transporters ist zerstört, nachdem der Radfahrer hineingekracht ist. © Roland Halkasch
Das teure Rennrad ist nach dem Unfall nur noch Schrott. Der Radler verletzte sich schwer und wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.
Das teure Rennrad ist nach dem Unfall nur noch Schrott. Der Radler verletzte sich schwer und wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. © Roland Halkasch

Es ist ein schöner, sonniger Frühlingstag vor fast genau einem Jahr, als sich der Mann am frühen Abend wie so oft auf sein Rennrad setzt. Doch an der Kreuzung Meißner Straße/Röhrsdorfer Straße in Klipphausen passiert es dann. Ein Transporterfahrer nimmt dem Radler die Vorfahrt. Der kracht mit voller Wucht gegen die Frontscheibe, wird über die Motorhaube geschleudert, sein Rad fliegt etliche Meter weit weg. Eine Ärztin, die von ihrer Praxis aus Klipphausen auf dem Nach-Hause-Weg nach Meißen ist und hinter dem Transporter fährt, sieht das Unheil kommen. „Als ich den Mann durch die Luft fliegen sah und er regungslos auf der Straße liegenblieb, hatte ich Angst, dachte, es sei etwas ganz, ganz Schlimmes passiert“, sagt sie. Die Ärztin übernimmt die Erstversorgung, der Radfahrer ist bei Bewusstsein, kann auch aufstehen. Er erleidet jedoch unter anderem eine schwere Schulterverletzung, ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Platzwunde am Ellenbogen. Sechs Monate ist er arbeitsunfähig, leidet noch heute unter den Folgen, hat Beschwerden im Lendenwirbel- und Halbwirbelbereich. Und hatte dennoch Glück im Unglück. „Die Ärzte sagten mir, ab jetzt könne ich immer zweimal im Jahr meinen Geburtstag feiern“, sagt er. Sein Schaden am Rennrad ist von der Versicherung auch nach einem Jahr nicht vollständig reguliert, der Mann hat zudem Ansprüche auf Schmerzensgeld geltend gemacht. Hier hat er noch gar nichts erhalten.

Wegen Körperverletzung sitzt der 44-jährige Transporterfahrer nun vor dem Meißner Amtsgericht. Der Nossener, der aus Brandenburg stammt, sagt, er habe den Radfahrer wegen parkender Fahrzeuge nicht wahrgenommen. Die Ärztin macht später andere Angaben. Es hätten keine Autos geparkt, sagt sie. „Die Kreuzung ist schwer einzusehen wegen einer Hecke. Ich weiß nicht, wo der Radfahrer herkam“, so der Angeklagte. Er gibt dem Radfahrer eine Mitschuld. Der sei zu schnell gewesen. „Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände auf beiden Seiten“, sagt der Angeklagte. Jedenfalls sei er nicht sehr schnell unterwegs gewesen, habe eine Notbremsung gemacht. Dennoch habe es gekracht. Die Zeugin kann beides nicht bestätigen. An das Aufleuchten von Bremslichtern kann sie sich nicht erinnern. Sie selbst sei etwa 40 Kilometer pro Stunde gefahren, die Geschwindigkeit des Transporters habe sie auf 50 geschätzt.

Aufgefallen im Straßenverkehr ist der Nossener schon mehrfach, 13 Eintragungen zieren das Fahreignungsregister, meist wegen zu hoher Geschwindigkeit. Auch Fahrverbote gab es schon. Und Straftaten im Straßenverkehr, so Fahren trotz Fahrverbotes und Unfallflucht. Auch wegen Betruges und Veruntreuen von Arbeitsentgelt wurde der frühere Selbstständige verurteilt, unter anderem zweimal zu Bewährungsstrafen.

Trotz des langen Vorstrafenregisters und der schweren Verletzungen des Radfahrers stellt Richterin Ute Wehner auf Antrag von Staatsanwalt Dieter Kiecke das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage von 500 Euro ein. „Wären zwei Autos zusammengestoßen, hätte es nur Blechschaden gegeben. Radfahrer sind aber nicht durch eine Karosserie geschützt“, sagt der Staatsanwalt. Und der Radfahrer sei wohl auch zu schnell gewesen. Der fährt jetzt nicht mehr mit dem Rennrad, hat sich kein neues gekauft, sondern ist mit dem Mountainbike unterwegs, auf der „Wald-Autobahn“, wie er sagt. Dass auch er eine gewisse Mitschuld an dem Unfall trägt, dafür spricht die Tatsache, dass er von rechts kam, jedoch auf die linke Seite des Transporters prallte. Das heißt, dieser war schon um die Kurve gefahren, als es zum Aufprall kam. Fast schon tragisch: Hätte der Transporterfahrer nicht gebremst, wäre wahrscheinlich gar nichts passiert. Dennoch bleibt, dass er dem Radler die Vorfahrt nahm. Mit verheerenden Folgen für diesen.