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„Schafft weiteres Konfliktpotenzial“

Experten empfehlen eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden und halten Ankerzentren für einen Irrweg.

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© dpa/Sebastian Kahnert

Dresden. Die Dresdner Psychologin Luise Pabel warnt eindringlich vor Ankerzentren für Flüchtlinge. „Aus psychotherapeutischer Sicht sind sie der völlig falsche Weg. Das schafft nur weiteres Konfliktpotenzial“, sagte die Forscherin vom Dresdner Universitätsklinikum. Sachsens Regierung will seine Erstaufnahmeeinrichtungen zu einem Ankerzentrum ausbauen und darin bis zu 1500 Asylsuchende unterbringen. Anker steht für Ankunft, Entscheidung und Rückführung.

Pabel macht geltend, dass in einer Unterkunft mit so vielen Menschen die Anspannung der Bewohner naturgemäß steige. „Es ist kein ausreichender Rückzugsraum vorhanden, es gibt in der Regel einen hohen Lärmpegel.“ Das verstärke die Symptome bei Menschen, von denen viele bereits traumatisiert oder anderweitig psychisch belastet nach Deutschland kommen. „Manche haben Erfahrungen mit Folter, Verfolgung, Mordandrohungen und Erpressungen.“ Sie müssten hier erst einmal zur Ruhe kommen und brauchten auch Ruhe für sich.

Pabel koordiniert in Dresden psychologische Beratungen in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende. Ein Team aus insgesamt 12 Spezialisten ist dort jede Woche präsent, um Krisenintervention zu betreiben und den Betroffenen Entlastung und Stabilisierung zu ermöglichen. Bei Bedarf werden Behandlungsempfehlungen unter anderem für die psychiatrische Sprechstunde der Flüchtlingsambulanz, das Psychosoziale Zentrum Dresden oder die Traumaambulanz Seelische Gesundheit am Universitätsklinikum Dresden ausgesprochen. Die Beratung im Camp gibt es für Erwachsene, aber auch für Kinder. Auch eine Kunsttherapie ist im Angebot.

Eine sinnvolle Beschäftigung für Asylsuchende und ihre baldige Unterbringung in Wohnungen sind nach Ansicht von Pabel die beste Prävention gegen Gewalt und Frust. Dafür sei aber auch eine ausreichende Betreuung notwendig. „Wenn Flüchtlingsinitiativen oder einzelne Helfer die Betroffenen in den Stadtteilen unter ihre Fittiche nehmen, werden bei der Integration meist auch Erfolge erzielt“, sagte die Wissenschaftlerin. Nach der Ankunft gelte es, die Unterbringung in Camps so kurz wie möglich zu halten: „Auch hier muss es ausreichend Mitarbeiter geben, damit keiner der Ankömmlinge durchs Raster fällt.“ (dpa)