Hannes Breustedt
New York/San Juan. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble hätte gerne mit seinem US-Amtskollegen getauscht: „Ich habe dieser Tage meinem Freund Jack Lew angeboten, dass wir Puerto Rico in die Eurozone übernehmen könnten, wenn die USA Griechenland in die Dollarzone übernehmen würden.“ Die kontroverse Aussage sorgte vor gut einem Monat, inmitten der zähen Verhandlungen um Athens Zukunft im Euroraum, für einiges Aufsehen und Kritik.
Seit Montag kann Puerto Rico - die hochverschuldete Karibikinsel, die als selbstverwaltetes Außengebiet zwar US-Territorium, aber kein US-Bundesstaat ist - ihre Rechnungen nicht mehr begleichen. „Aufgrund mangelnder Finanzmittel [...] konnte die Zahlung heute nicht komplett geleistet werden“, erklärte Melba Acosta Febo in einem nüchternen Statement. Der Präsident der staatlichen Entwicklungsbank räumte damit den ersten Zahlungsverzug bei einer öffentlichen Anleihe in der Geschichte des Landes ein.
Konkret: Ein Schuldschein des staatlichen Unternehmens Public Finance Corporation (PFC) über 58 Millionen Dollar (53 Mio Euro) wurde nur mit 628 000 Dollar bedient. Die Reaktion der ersten großen Ratingagentur folgte unmittelbar: „Moody’s betrachtet dieses Ereignis als Zahlungsausfall“, teilten die Bonitätswächter mit und stuften diesen Fall unumwunden als Pleite („Default“) ein. Standard & Poor’s hatte schon vor einigen Wochen eine ähnliche Bewertung angedeutet.
An den Finanzmärkten spielte Puerto Rico am Dienstag dennoch kaum eine Rolle. Verglichen mit dem wochenlangen Schuldendrama, das zuletzt in Athen aufgeführt wurde, scheinen die Staatsfinanzen des tropischen Inselparadieses Anleger kaum zu interessieren. Puerto Rico wird zwar gerne als das „Griechenland der USA“ bezeichnet. Aber stimmt der Vergleich wirklich?
300 Milliarden vs. 66 Milliarden
„Beide Länder haben schöne Strände und mildes Wetter, aber weniger gemeinsam, wenn es um ihre wirtschaftlichen Probleme geht“, heißt es in einer Analyse der „New York Times“. Alleine schon das Ausmaß der Schuldenlast ist kaum zu vergleichen: Puerto Rico schuldet Investoren umgerechnet rund 66 Milliarden Euro, während Griechenland mit gut 300 Milliarden Euro bei Kreditgebern in der Kreide steht.
Griechenland hat zwar mit etwa elf Millionen deutlich mehr Einwohner als Puerto Rico mit etwa 3,5 Millionen. Doch auch an der Wirtschaftsleistung gemessen, ist die Lage viel kritischer. Während Puerto Ricos Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt etwa 70 Prozent betragen, liegen sie in Griechenland bei knapp 170 Prozent. Beide Länder gehören zu Währungsunionen - sie können keine autonome Geldpolitik betreiben, was das Krisenmanagement erschwert.
Die Europartner haben in Griechenland bereits Hilfskredite in dreistelliger Milliardenhöhe im Feuer. Die Mitgliedschaft des Landes im Euro hat zudem hohen Symbolwert für die Unzerstörbarkeit der Gemeinschaftswährung. Puerto Rico hingegen kann nur sehr bedingt auf Unterstützung aus Washington hoffen. Weil das Außenterritorium kein US-Bundesstaat ist, kann es formal keine Finanzhilfen beantragen. Ob der US-Kongress dem Land entgegen kommt, muss sich erst zeigen.
So bleibt es trotz des jüngsten Zahlungsausfalls gut nachvollziehbar, dass der vom griechischen Schuldendilemma entnervte Finanzminister Schäuble (CDU) lieber die Puerto-Rico-Sorgen seines US-Pendants Lew hätte, als das hausgemachte Hellas-Problem der Eurozone. Ernst gemeint war der Vergleich aber sowieso nicht. Er habe bloß einen Scherz gemacht, stellte Schäuble im Juli rasch klar. (dpa)