Merken

Putin besucht Orban

Der Besuch des Präsidenten an der Donau erscheint ungewöhnlich. Das Land des Gastgebers Orban gehört EU und Nato an - deren Verhältnis zu Moskau ist wegen der Ukraine angespannt. Doch Orban macht seine eigene Politik.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Gregor Mayer

Budapest. Ungarn rüstet sich zu einem hohen Besuch mit massiven Sicherheitsvorkehrungen. An diesem Dienstag (17. Februar) wird der russische Präsident Wladimir Putin in der ungarischen Hauptstadt erwartet.

Sein Gastgeber, der rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban, nannte ihn im Rundfunk-Interview am Freitag einen „umstrittenen, aber auch anerkannten Akteur der europäischen Politik“. Außenminister Peter Szijjarto maß der Visite am Samstag eine „schicksalsentscheidende Bedeutung für die Energiesicherheit“ des Landes bei.

Vordergründig geht es bei Putins Besuch an der Donau um Gaslieferungen. Ungarn bezieht rund 60 Prozent seines Gasbedarfs von der östlichen Großmacht. Doch zugleich hat der Besuch eine fragwürdige Symbolwirkung. Seit der Annexion der Krim wird Putin erstmals ein Nato-Land besuchen, seit dem Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs über dem pro-russischen Separatistengebiet in der Ostukraine zum ersten Mal ein EU-Land.

„Es ist nur ein Glück, dass die jüngsten Verhandlungen in Minsk nicht gescheitert sind, dass die Spannungen nicht weiter gestiegen sind“, sagte der ungarische Russlandexperte Zoltan Sz. Biro im Radiosender Inforadio. Dennoch: Nach einem Krieg in der Ukraine mit 5 000 Toten, EU-Sanktionen gegen Russland und Spannungen zwischen der Nato und Moskau lasse der Besuch Putins zu diesem Zeitpunkt bei den westlichen Partnern „Zweifel, ernsthafte Fragen und Ungewissheit gegenüber der ungarischen Regierung“ aufkommen.

Doch Orban, einst ein glühender Antikommunist und Verfechter der Unabhängigkeit seines Landes, fährt seit seiner Wahl 2010 zum Ministerpräsidenten gegenüber Putin einen seltsamen Kuschelkurs. Trotz neuer Diversifizierungsmöglichkeiten bei den Erdgas-Importen stellt Orban die Energieabhängigkeit von Russland als eine naturgegebene Größe dar.

Russland schießt Milliarden zu Atommeiler zu

Im Vorjahr einigte sich Orban mit Putin darauf, dass der russische Rosatom-Konzern zwei neue Reaktorblöcke im Akw Paks baut. Die Kosten sollen zum Großteil durch einen Staatskredit in Höhe von zehn Milliarden Euro gedeckt werden, den Russland bereitstellt. Experten ziehen die energiepolitische Sinnhaftigkeit des Projekts in Zweifel.

Orbans Motive sind nicht wirklich klar. Der 51-jährige Vollblut-Politiker regiert machtbewusst und mit populistischem Instinkt. Die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Moskau enthebt ihn zumindest in Teilbereichen der strengen Vorgaben und Auflagen der EU, der sein Land angehört.

Bei der Erweiterung von Paks fallen enorme Aufträge für Zulieferer an. Die Verträge sind streng geheim. Kritiker gehen davon aus, dass diese Aufträge mit saftigen Gewinnspannen Klienten Orbans zugeschanzt werden. Die Gasimporte werden zunehmend von einer Firma mit Sitz im Schweizer Kanton Zug abgewickelt, hinter der Strohmänner Orbans vermutet werden.

„Gelenkte Demokratie“ trifft „illiberale Demokratie“

Doch auch in ihrer Politikauffassung sind sich Orban und Putin nicht völlig unähnlich. Während der Russe die „gelenkte Demokratie“ propagiert, hat der Ungar die „illiberale Demokratie“ für sich entdeckt. Bei der Unterdrückung kritischer Medien und Zivilorganisationen gehen Ungarns Behörden gewiss schaumgebremster vor als die russischen. Doch auch in Budapest gab es schon Polizei-Razzien und frivole Ermittlungsverfahren gegen NGOs, die nicht nach Orbans Pfeife tanzen wollten.

Dabei hat Russland rein historisch kein gutes Image in Ungarn. Zaristische Truppen schlugen 1848/49 den Unabhängigkeitskampf gegen die Habsburger nieder, und die Sowjet-Armee liquidierte 1956 die antistalinistische ungarische Revolution. Doch die Opposition in Ungarn ist schwach und unorganisiert. Für diesen Montag ist ein Straßenprotest gegen Putins Besuch angekündigt, doch aus der Ruhe bringen wird das Orban nicht.

Auch im jüngsten Rundfunkinterview klang er zuversichtlich: „Es ist nicht leicht, mit Russland zu kooperieren, weil das die Gefühle vieler Ungarn berührt. Aber das müssen wir in den Griff bekommen.“ (dpa)