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Quelle-Erbin ohne Durchblick

Madeleine Schickedanz stellt sich als Hausfrau vor. Im Gericht räumt sie Fehler ein.

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© dpa

Sie ist klein, schmal, blass. Abwehrend hebt Madeleine Schickedanz die Hand, als sie gestern das Landgericht Köln betritt. Ein Pulk von Fotografen schart sich um die prominente Quelle-Erbin. Ihr Anwalt legt schützend den Arm um ihre Schulter. Dann geht es hinauf zum Gerichtssaal 210. In der Tür zögert sie kurz, erst als der Anwalt neben ihr ist, traut sie sich herein. Dann geht sie – ohne aufzuschauen – an den Männern in Nadelstreifen vorbei, die sie für den Verlust ihres Milliardenvermögens verantwortlich macht.

Es sind die vier ehemaligen Chefs der Privatbank Sal. Oppenheim und deren früherer Geschäftspartner Josef Esch, die seit einem Jahr auf der Anklagebank sitzen und ihre Unschuld beteuern. Schon im Vorfeld waren die Vorwürfe von den Anwälten zurückgewiesen worden.

Eingerahmt von zwei Anwälten, sagt die 70-Jährige als Zeugin aus. Als ihren Beruf gibt sie „Hausfrau“ an. Sie spricht mit unsicherer, brüchiger Stimme, manchmal fasst sie sich an den Kopf, bittet um Entschuldigung für die zahlreichen Erinnerungslücken. Sie erzählt, wie über Esch die Verbindung zu Sal. Oppenheim zustande gekommen sei. Es habe etwas gedauert, aber dann habe sie vollstes Vertrauen zu ihm gefasst. „Solange du den Josef hast, passiert dir nichts“, habe er ihr versichert. Sie habe ihm geglaubt.

Bald – so die Darstellung von Schickedanz – habe sie ungelesen alles unterschrieben, was Esch ihr vorgelegt habe. Auch als es schließlich brenzlig für sie wurde, weil der Arcandor-Konzern, in den sie ihr ganzes Geld gesteckt hatte, in Schwierigkeiten geriet. Worum es im Einzelnen ging, will sie nicht überblickt haben. Immer wieder sagt Schickedanz Sätze wie: „Ich war gar net beteiligt.“ „Das weiß ich nicht, bin ich jetzt echt überfordert.“ Viele Sätze im Zeugenstand beginnen mit: „Mir wurde gesagt, ich soll ...“

Zahlen sind ihr nicht mehr präsent, es sei denn, es geht um die Geburtstage und Hochzeitstage ihrer Kinder, die kennt sie auswendig. Die Familie sei ihre Priorität gewesen, beteuert sie. Die schwer kranke Tochter vor allem, die sie noch heute intensiv begleite. Schickedanz meidet die Öffentlichkeit. Entsprechend groß ist das Interesse an ihrem Auftritt. An diesem Tag gehört die Bühne ihr.

Schließlich wurde ihr der Vermögensverwalter aber wohl doch etwas unheimlich. Im September 2008 sagte sie nach eigener Aussage zu ihm, sie wolle schon noch ihr eigenes Kopfkissen behalten. Da habe er erwidert: „Du hast schon längst kein Kopfkissen mehr!“ Im nächsten Jahr ging Arcandor dann pleite. Schickedanz verlor ihr Vermögen, Sal. Oppenheim wurde von der Deutschen Bank geschluckt.

Das volle Ausmaß nicht begriffen

Rein äußerlich ist kaum ein größerer Kontrast denkbar als der zwischen der zerbrechlichen Frau auf dem Zeugenstuhl und dem bulligen Esch auf der Anklagebank. Doch der Immobilienmanager streitet vehement ab, Schickedanz bevormundet zu haben. Alle wichtigen Entscheidungen seien mit ihr abgesprochen gewesen. Auch sie selbst räumt ein, alles willig unterschrieben zu haben: „Das war mein Fehler.“

Am Ende wird auch noch das berühmte „Bild“-Interview angesprochen, in dem es um Verarmungsängste und Sparbemühungen ging. Der Anwalt eines der Angeklagten will von ihr wissen, wieso sie denn damals, frisch nach der Arcandor-Pleite, noch keinerlei Vorwürfe gegen Esch und Sal. Oppenheim erhoben habe. Könne es vielleicht sein, dass ihr das ihre Anwälte erst nachträglich eingeflüstert hätten? Schließlich klagt Schickedanz auf Schadensersatz.

Na ja, sagt die Zeugin. Das volle Ausmaß, das habe sie damals eben noch gar nicht begriffen. „Ich war sehr locker mit vielen Dingen.“ (dpa)