Radeberg
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Pfarrerin Elisabeth Roth: "Es gibt doch Hoffnung"

Was sind eigentlich "schöne Weihnachten": Ein Gastbeitrag von Pfarrerin Elisabeth Roth vom Epilepsiezentrum Kleinwachau.

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Auch der Kirchsaal im Radeberger Epilepsiezentrum ist weihnachtlich geschmückt.
Auch der Kirchsaal im Radeberger Epilepsiezentrum ist weihnachtlich geschmückt. © EPILEPSIEZENTRUM KLEINWACHAU

Rödertal. Bruno stürzt ins Kinderzimmer. Im hohen Bogen fliegt sein Ranzen in die Ecke. "Hurra!", ruft er, "endlich Ferien!" Er strahlt übers ganze Gesicht. Plötzlich stutzt er. Alma sitzt auf ihrem Bett. "Du machst ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, Schwesterchen", spricht sie Bruno an. "Freu dich doch!"

"Und worüber, bitte schön?", sagt Alma. "Zum Beispiel, dass Ferien sind." "Das heißt: Ich sehe meine Freundin nicht", gibt Alma zurück. "Und weil ich so lange krank war, habe ich für jeden Tag Hausaufgaben bekommen. Na Dankeschön." "Gut", gibt Bruno zu. "Das ist blöd. Aber auf Weihnachten kannst du dich doch freuen, oder? Da heißt es doch immer: Freuet euch!"

Alma überlegt einen Augenblick. Dann gibt sie zu: "Eigentlich schon. Aber wenn ich in den Nachrichten höre, dass in Kiew Bomben fallen, dann vergeht mir die Freude. Und außerdem hat Mutti gesagt, dass es diesmal nur wenige Geschenke gibt. Weil alles so teuer geworden ist. Und was das Schlimmste ist: Tante Lily kommt." "Was??", schreit Bruno. "Ja", sagt Alma, "weil ihr Mann gestorben ist im Herbst und sie sonst ganz allein ist. Mutti sagt, wir müssen uns um sie kümmern. Damit Tante Lily auch ein schönes Weihnachtsfest hat."

Nun zieht Bruno eine Flunsch. "Und was ist mit unserem Weihnachten? Die wird doch alles verderben. Sie wird entweder heulen oder an uns herummeckern." Alma stimmt ihrem Bruder zu und seufzt. "Sie oder wir – es kann nur für eine Seite schöne Weihnachten geben."

Harmonie, Essen und Trinken, Geschenke - klingt das kitschig?

Was sind für Sie eigentlich "schöne Weihnachten"? Vermutlich gehören Tage in Harmonie dazu. Und Zeit füreinander. Und gutes Essen und Trinken. Stollen, Pfefferkuchen und Glühwein. Und wenn es Geschenke gibt, schadet das auch nicht. Für viele gehört auch das Schenken dazu, anderen eine Freude zu machen. Die Glocken, die zur Christvesper am Heiligen Abend einladen. Die heimelige Kirche mit Musik und Krippenspiel. Wenn es dann noch schneit, ist Weihnachten perfekt.

Vielleicht klingt das für Sie kitschig, aber für mich sind so harmonische Weihnachten schön. Da kommen gute Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeste. Da gibt Weihnachten ein Gefühl der Geborgenheit.

Elisabeth Roth ist Pfarrerin im Epilepsiezentrum Kleinwachau. Sie hat hier ihre Weihnachtsgedanken notiert.
Elisabeth Roth ist Pfarrerin im Epilepsiezentrum Kleinwachau. Sie hat hier ihre Weihnachtsgedanken notiert. © EPILEPSIEZENTRUM KLEINWACHAU

Am Ende des Jahres 2022 kann ich das gut brauchen. Es ist in diesem Jahr viel Schlimmes passiert. Die russische Regierung führt Krieg gegen die Ukraine. Viele Menschen müssen fliehen. Das Elend der Welt ist größer geworden. Auch in unserem reichen Land nimmt die Armut zu. Das Corona-Virus plagt immer noch viele Menschen und nun sind noch andere Viren stark geworden, die vor allem kleine Kinder bedrohen. So mancher hat einen geliebten Menschen verloren. Da wird jetzt, zu Weihnachten, die Lücke besonders spürbar und schmerzt. Vieles, was sicher schien in unserem Land und in unserem Leben, ist ins Wanken geraten und verunsichert uns.

Da tun mir ein paar fröhliche Tage gut. Aber wie soll das gehen? Ich kann doch nicht einfach den Schalter umlegen, das Elend vergessen und mich freuen, wie auf Befehl.

Vielleicht hilft es mir, ein bisschen mehr als nur das "Freut euch" zu hören. Der Engel sagt nämlich noch mehr. Er sagt: "Habt keine Angst. Ihr habt Grund zur Freude. Nicht nur ihr, sondern alle Menschen können sich freuen. Heute ist jemand geboren worden, der für euch und für alle Menschen ein Retter ist. Das ist Gottes Geschenk für euch!"

Weihnachten erinnert daran: Sitzt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange. Lasst euch nicht lähmen von eurer Angst. Seht nicht nur auf die Schwierigkeiten in eurem Leben. Auch für euch kann es Hilfe geben. Auch ihr seid nicht allein. Habt keine Angst! Wenn ich nicht nur auf meine Angst sehe, entdecke ich die guten Momente in meinem Leben. Gute Erinnerungen zaubern ein Lächeln auf mein Gesicht. Von da ist es nicht mehr weit zu der Erkenntnis: es gibt doch Hoffnung. Auch für mich. Dieses Wissen, das ist ein Geschenk. Und darüber kann ich mich von Herzen freuen.

Ob Bruno und Alma mit ihrer Tante Lily schöne Weihnachten haben? Das weiß ich nicht. Aber ich wünsche Ihnen und mir fröhliche Weihnachten mit so viel Freude, dass sie auch für das neue Jahr noch reicht.

Pfarrerin Elisabeth Roth, Epilepsiezentrum Kleinwachau (Radeberg)

Unsere Gastautorin Elisabeth Roth ist in Oelsnitz im Vogtland geboren. Sie hat nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester im Diakonissenhaus Dresden und ein paar Jahren Berufsausübung von 1983 bis 1991 in Leipzig und Tübingen Theologie studiert.

Ab 1996 arbeitete sie als Pfarrerin in Borna bei Leipzig und als Schulpfarrerin in Hartenstein. Seit 2010 ist Elisabeth Roth Pfarrerin im Epilepsiezentrum Kleinwachau.