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Das "Kröten-Paradies" Liegau

Kröten fühlen sich in Liegau-Augustusbad wohl. Und das soll auch so bleiben. Der Schutz der Tiere ist sogar als Ausgleich für die Arbeiten an der S177 im Gespräch.

Von Siri Rokosch
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Symbolbild: Die Erdkröte ist in Deutschland die häufigste und größte Kröte.
Symbolbild: Die Erdkröte ist in Deutschland die häufigste und größte Kröte. © SAE Sächsische Zeitung

Liegau-Augustusbad. Am Waldrand an der beschaulichen Straße "An den Folgen" in Liegau-Augustusbad ist im zeitigen Frühjahr immer viel los. Dann laufen quakend hunderte Kröten vom Waldgebiet über die Straße zum Schwarzen Teich auf der anderen Seite, um zu laichen. Bislang wurden sie von Helfern liebevoll in Eimer gelegt, und dann sicher über den Asphalt getragen, damit sie nicht von Autofahrern erfasst werden. Der neue Verein "Grünes Liegau" hat sich eigentlich zur Aufgabe gemacht, die seltenen Kröten künftig bei der Straßenquerung zu unterstützen.

Doch diese Pläne passen nicht mit der Idee des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) zusammen. Das hat sich nämlich dieses Kröten-Paradies ausgesucht, um es als Ausgleichsmaßnahme für den Straßenbau der S177 im Bereich von Rossendorf über Großerkmannsdorf zu nutzen.

Was sind Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen?

Wenn neue Straßen, wie die S177, gebaut werden, muss zwangsläufig ein Teil der Natur dafür weichen. Um diesen Eingriff an anderer Stelle wieder auszugleichen, sind sogenannte Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen nötig und vorgeschrieben. An der neuen S177 zwischen Rossendorf und Großerkmannsdorf seien "Versiegelungen von Flächen sowie die Beeinträchtigung bisheriger Lebensräume nicht zu vermeiden", teilt der Pressesprecher des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) Franz Grossmann mit.

Den einzelnen Eingriffen in die Natur werde die jeweilige "Kompensationsmaßnahme" zugeordnet und so der Nachweis geführt, dass die Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen ausreichend und angemessen sind.

Momentan würden die Änderungsinhalte für den Straßenneubau der S177 angepasst werden, sagt Grossmann. "Überwiegend geht es um wasserrechtliche und Umweltbelange beziehungsweise um projektspezifische Umweltplanungen." Diese müssten planerisch aktualisiert und überarbeitet werden.

Aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen werde zudem die genannte Ausgleichsmaßnahme bei Liegau-Augustusbad nochmals überprüft. Ein gemeinsamer Ortstermin mit den Anliegern, den Naturschutzfachbehörden, dem Umweltplanungsbüro und dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr hatte am 18. Juli stattgefunden.

Wie betrifft das die Liegauer Kröten?

Für den Straßenneubau "S 177, Verlegung südlich Großerkmannsdorf" hatten die Unteren Naturschutzbehörden in Dresden und des Landkreises Bautzen eine Amphibien-Maßnahme an der Straße "An den Folgen" in Liegau-Augustusbad vorgeschlagen.

Dort hatte bislang ehrenamtlich vor allem ein Rentner die Tiere in Eimern über die Straße zum Schwarzen Teich getragen. Zuvor waren grüne Krötenschutzzäune errichtet worden.

Diese ehrenamtliche Betreuung sei "auf lange Sicht aber nicht zu gewährleisten", sagt das Lasuv, denn: "Es handelt sich um eine der größten Amphibienwanderungen im Dresdner Gebiet. Die Amphibien wandern aus dem Waldgebiet zum Schwarzen Teich, dem Laichgewässer, und queren dabei diese Straße", erklärt der Sprecher des Lasuv.

Doch eine Anlage mit festen Leitwänden und Durchlässen sei aufgrund von angrenzenden Flächen, die beseitigt werden müssten und der "zu erwartenden Entwässerungsprobleme" nicht umsetzbar. Als Alternativlösung ist daher eine Sperrung der Straße vorgesehen. Die Erreichbarkeit der dahinter liegenden Grundstücke der Einwohner sei aber weiterhin über die Straße „Am Wald“ möglich, so das Lasuv.

Luftbild. Vorn ist der schwarze Teich zu sehen und rechts die Straße "An den Folgen", welche die Kröten überqueren, um zum Laichplatz zu gelangen.
Luftbild. Vorn ist der schwarze Teich zu sehen und rechts die Straße "An den Folgen", welche die Kröten überqueren, um zum Laichplatz zu gelangen. © René Meinig

Bäume fällen für Straßensperrung?

Doch diese Variante wollen die Anwohner und der Ortsvorsteher Raimund Pecherz (parteilos) nicht. "Wir fänden es besser, wenn die Straße nur für die Zeit der Krötenwanderung, also im Frühjahr gesperrt werden würde, und nicht das ganze Jahr über", sagt er Sächsische.de. Dafür reiche es, wenn ein Poller aufgestellt werde, der während der fünf Wochen Krötenwanderungszeit bleibe. Damit sei die Straße in der wichtigen Zeit ohne Autoverkehr und sicher für die Kröten, und könne danach wieder freigegeben werden.

Zudem beinhalte die Straßensperrung auch die Abholzung von Bäumen im Wald, erklärt Pecherz: "Wenn die Straße 'An den Folgen' zwischen der Langebrücker Straße und der Straße am Wald immer gesperrt würde, könnten die Anwohner zwar zu ihren Grundstücken fahren, aber nicht wenden. Und das betrifft auch die Müllabfuhr. Die kann ja nicht rückwärts auf die viel befahrene Langebrücker Straße rausfahren. Und deshalb will das Lasuv einen Wendehammer mitten in den Wald bauen und dafür Bäume fällen."

Der Ortsvorsteher und die Anwohner hatten dem Lasuv zudem erklärt, wenn die Straße gesperrt wird, werde auch kein Schutzzaun mehr für die Tiere aufgebaut. Dadurch würden sie dann auch über die Straßen laufen, die nicht gesperrt sind. Die Bewohner wollten deshalb, dass alles so bleibt, wie es ist.

Diese Straße soll gesperrt werden und einen Wendehammer erhalten.
Diese Straße soll gesperrt werden und einen Wendehammer erhalten. © René Meinig

Das Geld, welches für die Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung steht, könne wie folgt eingesetzt werden: "Bisher hat sich ein älterer Mann hauptsächlich um die Kröten gekümmert. Er zählte sie und trug sie zum Teich. Nun könnten die 700.000 Euro, die zur Verfügung stehen um die Straße zu sperren, auch an die Stadt Radeberg gezahlt werden. Die Stadt Radeberg schließt mit unserem neu gegründeten Verein Grünes Liegau einen 25-Jahres-Vertrag und gibt dem Verein jedes Jahr 10.000 Euro des Geldes. Der Verein verteilt das Geld an freiwillige Helfer, vielleicht 20 Euro pro Person, und die Leute sammeln die Kröten wie bisher in Eimer und tragen sie über die Straße", erklärt Ortsvorsteher Pecherz.

Doch dafür gäbe es keine sogenannten Ökopunkte. Diese Punkte kommen auf ein Ökokonto. Sie können dann als Ausgleich für eine Baumaßnahme eingesetzt werden. Diese Ökopunkte sind dringend nötig, damit das Krötenprojekt überhaupt als Ausgleich für die Bauarbeiten an der S177 anerkannt wird.

Die Neubaustraße S177 soll westlich des Kreuzungsbereiches Schenkhübel verlaufen und nördlich der B6 ein vorhandenes Waldgebiet umgehen. Dabei wird eine neue Kreuzung mit der B6 gebaut. Die Neubaustrecke soll rund 3,2 Kilometer lang werden.

Bei der Landesdirektion Sachsen wird derzeit ein Planfeststellungsverfahren für das Baurecht für die "S177, Verlegung südlich Großerkmannsdorf" geführt.

Ein Bauzeitraum könne aktuell noch nicht genannt werden, sagt Franz Grossmann.

Und für die Kröten aus Liegau-Augustusbad heißt das, sie können sich auch im nächsten Jahr noch gemütlich über die Straße tragen lassen, denn bis es eine Entscheidung zu ihrer künftigen "sicheren Straßenquerung" gibt, wird noch Zeit ins Land gehen.