Update Radeberg
Merken

Das sagen Ottendorfer zur geplanten "Heibo"-Räumung

Die polizeiliche Räumung des Waldgebiets Heidebogen, genannt "Heibo", steht möglicherweise kurz bevor. Dort sollen für den Kiesabbau Bäume gerodet werden. Wie ist Stimmung im nahen Ottendorf-Okrilla?

Von Siri Rokosch & Verena Belzer
 6 Min.
Teilen
Folgen
Die Waldbesetzer im Heidebogen haben Baumhäuser eingerichtet, in die sie sich bei einer möglichen polizeilichen Räumung des Waldgebiets zurückziehen wollen.
Die Waldbesetzer im Heidebogen haben Baumhäuser eingerichtet, in die sie sich bei einer möglichen polizeilichen Räumung des Waldgebiets zurückziehen wollen. ©  Sebastian Kahnert/dpa

Ottendorf-Okrilla. Schon seit über eineinhalb Jahren haben sich Aktivisten im Waldgebiet "Würschnitz" in der Laußnitzer Heide versammelt, um gegen den geplanten Kiesabbau und die damit verbundene Rodung der Bäume zu protestieren. Haben Baumhäuser errichtet. Und kürzlich erst einen Eilantrag gegen die Räumung beim Verwaltungsgericht in Dresden eingereicht. Bis März muss die Rodung beendet sein, danach beginnt die sogenannte Schonzeit, in der keine Bäume mehr gefällt werden dürfen, um brütende Tiere nicht zu stören. Sächsische.de hat alle Fragen und Antworten rund um den "Heibo"-Protest bereits ausführlich beantwortet.

Das Waldgebiet liegt zwischen Ottendorf-Okrilla und Würschnitz. Die meisten Ottendorfer kennen es jedoch höchstens von der nahegelegen Kiesgrube, die im Sommer regelmäßig und in Scharen von Badegästen aus der Region besucht wird - trotz Badeverbots.

Bekommen die Ottendorfer eigentlich etwas vom Protestcamp mit, in dem einige schon seit über einem Jahr wohnen und sich dort in ihren Baumhäusern häuslich eingerichtet haben und auf die Räumung durch die Polizei warten?

"Die meisten Ottendorfer halten die Besetzer eher für Verrückte"

"Die Besetzung des Waldgebiets ist in Ottendorf tatsächlich momentan großes Thema, die Leute reden darüber", berichtet ein Anwohner aus dem Ottendorfer Ortsteil Grünberg. "Dass da überhaupt Waldbesetzer sind, die sich da verschanzt haben, wussten hier aber bis vor ein paar Wochen wirklich nur wenige Leute." Jetzt, wo das Thema regelmäßig in der Presse sei, habe sich das geändert. "Jetzt wissen eigentlich alle, was da los ist."

Doch wo genau das Waldgebiet überhaupt sei, das sei den wenigsten klar und sei für die Allgemeinheit eigentlich auch gar nicht relevant.

Und wie sieht es mit dem Verständnis für die Waldbesetzer aus, die gegen die Rodung des Waldstücks protestieren? "Ich glaube, die meisten Ottendorfer halten die Besetzer eher für ein paar Verrückte."

Polizeiaufgebot und Menschenmassen in Ottendorf befürchtet

René Edelmann (Die Linke), Ortsvorsteher in Medingen, erklärt, dass die Einwohner im Falle einer Räumung des Gebietes in der Laußnitzer Heide vor allem die Menschenmassen fürchten würden. "Auch die Polizei, welche dann zum Einsatz gerufen wird, wird sicherlich durch Ottendorf fahren", sagt Edelmann.

Dort, wo die Heibo-Aktivisten sich jetzt aufhalten, seien die Abholzung und der darauf folgende Kiesabbau genehmigt worden. Eine Möglichkeit, diese Bäume noch zu retten, sehe er nicht. Anders sei das bei den weiteren Wald- und Moorgebieten in der an Ottendorf grenzenden Heide, die in Zukunft dem Kiesabbau "zum Opfer fallen" sollen: "Um Würschnitz-West sollten wir kämpfen. Dort gibt es vielleicht noch eine Chance. Ich werde in meiner Position als Kreisrat eine Anfrage stellen, wie in diesem Bereich der Stand ist, denn wir erfahren auch im Gemeinderat nichts zu den weiteren geplanten Schritten", so Edelmann.

Vom Ottendorfer Bürgermeister Rico Pfeiffer wünsche er sich eine klare Positionierung zu dem Thema, auch wenn Ottendorf-Okrilla vom Kieswerk nicht profitiere, denn die Gewerbesteuern gingen nach Laußnitz, nicht nach Ottendorf-Okrilla. "Nach meinem Wissen hatten die letzten Gutachten des Nabu ergeben, dass der Grundwasserspiegel durch den Kiesabbau sinken wird, und auch die Aufschüttung mit Bauschutt in die entstandenen Gruben sehe ich kritisch", sagt René Edelmann. Der Kies würde bis nach Brandenburg gekarrt, was dies mit Umweltbewusstsein zu tun habe, sei ihm nicht klar.

Danny Pretzsch, Einwohner in Medingen, glaubt, dass die Menschen in Ottendorf sich mit dem Thema Würschnitzer Heide nicht großartig beschäftigten. Würschnitz sei einfach "ein Stück weit weg" und die Einwohner der Gemeinde Ottendorf würden nach seinem Empfinden die Aktivitäten der "Heibos" nur am Rande interessieren.

Polizei warnt Ottendorfer Rathaus - Bürgermeister verschiebt Urlaub

Ottendorf-Okrillas Bürgermeister Rico Pfeiffer (parteilos) hat dennoch seinen geplanten Urlaub verschoben, um da zu sein, wenn die Räumung beginnt. Für die Waldbesetzer hat er kein Verständnis. "Ganz ehrlich geht mir das zu weit, was die Aktivisten im Wald machen. Dass sie Gräben im Wald ziehen und diese mit Holzspießen versehen, ist nicht vertretbar. Was passiert, wenn ein Wanderer dort hineinfällt? Das Maß der Dinge ist da für mich überschritten", sagt Pfeiffer.

Zudem sei von der Polizei eine Warnung im Ottendorfer Rathaus eingegangen. "Wir haben den Hinweis bekommen, die Zugänge zum Rathaus zu sichern, damit sich keine Aktivisten hier festkleben oder ähnliches. Allerdings würde ich in diesem Fall die jungen Leute selbst darüber informieren, dass wir in Ottendorf mit dem Kiesabbau nichts zu tun haben. Wir sind nur die Nachbargemeinde von Laußnitz", erklärt der Bürgermeister.

Nur Ottendorf sei vom Verkehr zum Kieswerk betroffen. Die Lkw würden Lärm und Staub bringen. Dennoch betont Pfeiffer, dass die Gemeinde immer gut mit der Geschäftsführung des Kieswerks ausgekommen sei. "Das Kieswerk hat sich immer auch am Umweltschutz beteiligt, wenn wir zum Beispiel zu einer Müllsammelaktion oder zum Bäume pflanzen aufgerufen haben", sagt Pfeiffer.

Das jetzt im Fokus stehende Abbaugebiet in der Laußnitzer Heide sei nicht mehr zu retten, die Verträge dazu stammten aus den Jahren 1992/1993, so Pfeiffer, und der Kies sowie die Sande würden derzeit noch gebraucht. Wenn es Alternativen gäbe, um auch ohne Kies und Sand zu bauen, dann sollte man die Wälder und Moore erhalten. Seiner Erfahrung nach baue das Kieswerk Ottendorf auch nur in dem Rahmen ab, wie Kiese und Sande benötigt würden, nicht darüber hinaus, und würde zudem die Umweltaspekte stets beachten.

Die "Heibo"-Aktivisten würden allerdings mit ihren Baumhäusern, welche durch Nägel und Schrauben in den Stämmen befestigt seien, sowie den Feuerstellen, selbst bei Waldbrandstufen im vergangenen Sommer, dem Wald viel mehr schaden, sagt der Ottendorfer Bürgermeister.

Waldbesetzer bleiben bis mindestens 15. Februar

Unterdessen sei die Waldbesetzung nun voraussichtlich bis zum 15. Februar sicher, vermuten die "Heibo"-Aktivisten. Sie hätten am Dienstag, 7. Februar, den Beschluss des Dresdner Verwaltungsgerichts erhalten. Dieses hatte den Eilantrag der "Heibo"-Aktivisten abgewiesen, weil das Landratsamt Bautzen nach Aufforderung des Gerichts bestätigt habe, dass es zu einer Räumung am Mittwoch, 8. Februar, nicht kommen würde.

Die Waldbesetzer hatten am Montag das Gericht angerufen, weil sie eine Räumung ihrer Baumhausdörfer und anderer Strukturen am letzten Mittwoch befürchtet hatten.