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Genderdebatte im Radeberger Stadtrat: Hauptsatzung jetzt ohne "Einwohnerinnen"

Einwohnerinnen und Einwohner - oder nur Einwohner? Der Radeberger Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung kontrovers über das Thema Gendern diskutiert. Was beschlossen wurde.

Von Verena Belzer
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Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung darüber diskutiert, ob in der Hauptsatzung künftig auf die weibliche Form verzichtet werden soll.
Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung darüber diskutiert, ob in der Hauptsatzung künftig auf die weibliche Form verzichtet werden soll. © Verena Belzer/SZ

Radeberg. Wenn es um das Thema Gendern geht, dann kochen die Emotionen gerne mal hoch - so auch teilweise geschehen im Radeberger Stadtrat, der am Mittwochabend über entsprechende Formulierungen in der städtischen Hauptsatzung debattierte.

Um welches Dokument handelt es sich?

Die Radeberger Stadtverwaltung hat die Hauptsatzung in einigen Punkten inhaltlich angepasst - und im Zuge dieser Anpassung vorgeschlagen, künftig nur noch die männliche Form zu verwenden. Die Hauptsatzung regelt diverse Angelegenheiten der Stadt - beispielsweise die Zusammensetzung des Stadtrats, die Aufgaben der verschiedenen Ausschüsse, die Rechtsstellung des Oberbürgermeisters und alles rund um Einwohnerversammlungen, Einwohneranträge und Bürgerbegehren.

Das Dokument ist 13 Seiten lang und umfasst 17 Paragrafen. Hauptgrund zur Überarbeitung der Hauptsatzung sind Änderungen in der Sächsischen Gemeindeordnung. Was die Sächsische Gemeindeordnung jedoch nicht regelt oder festlegt, ist die Frage, ob in gemeindlichen Satzungen nun sowohl die weibliche als auch die männliche Form genannt werden sollen - oder eben nicht. Das ist Angelegenheit der Kommunen.

Wie ging Radeberg bisher mit dem Thema um?

Seit 2015 hatte die Stadt Radeberg in ihrer Hauptsatzung sowohl von Einwohnerinnen und Einwohnern, von Stadträtinnen und Stadträten, von Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister und von Stellvertreterinnen und Stellvertretern gesprochen.

Die beiden Geschlechter wurden mit Schrägstrich dargestellt. Auf Sternchen, Doppelpunkt, das Binnen-I oder das Partizip wurde verzichtet.

Welche Variante schlug OB Frank Höhme vor?

In der Beschlussvorlage, die dem Stadtrat nun vorgelegt wurde, war der Hauptsatzung folgende Vorbemerkung vorangestellt worden: "Die Satzung verwendet Personen-, Dienst-, Amts- und Funktionsbezeichnungen ausschließlich in der männlichen Form. Die Bezeichnung gelten jedoch für Personen jeden Geschlechts."

Kurz gesagt: Aus der bisher gegenderten Hauptsatzung sollten die weiblichen Formen gestrichen werden. Eine Begründung, wieso wieder zu einer rein männlichen Form zurückgekehrt werden sollte, lieferte Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) nicht.

Wie war das Stimmungsbild im Stadtrat?

Wie erwartet, wurde kontrovers diskutiert. Den Anfang der Debatte prägte die langjährige CDU-Stadträtin und ehemalige Landtagsabgeordnete Ingrid Petzold. "Ich bin seit 30 Jahren politisch tätig und kämpfe seitdem für Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern", sagte die CDU-Abgeordnete. Sie könne die neue Version mit der rein männlichen Form nicht akzeptieren. Sie erinnerte an die Entscheidung der Uni Leipzig von vor über zehn Jahren, in ihrer Grundordnung ausschließlich die weibliche Form von Berufsbezeichnungen zu verwenden. "Da hat man mal gesehen, was das mit einem macht, was Sprache ausmacht", sagte Petzold in der Sitzung.

Noch während Ingrid Petzold sprach, wurde im Plenum gemurmelt und man sah beispielsweise den ehemaligen Geschäftsführer der Wohnbau GmbH, Knut Mulansky, Teil der "Wir für Radeberg"-Fraktion, wie er sich mit beiden Händen an die Stirn fasste.

Aus der AfD-Fraktion kam der Vorschlag, man möge das Thema überhaupt nicht weiter diskutieren, man habe bereits ausführlich im Ältestenrat darüber gesprochen. Im Ältestenrat sitzen neben Oberbürgermeister Höhme die Fraktionsvorsitzenden - also insgesamt sechs Männer. Der Ältestenrat tagt nicht öffentlich und hat eine beratende Funktion.

Einem der Mitglieder des Ältestenrats, Freie-Wähler-Fraktionschef Detlev Dauphin, war die ganze Debatte zu "korinthenkackerhaft" - schließlich habe man der Satzung extra die Bemerkung vorangestellt, die männliche Form gelte für beide Geschlechter.

Sein Noch-Fraktionskollege Dirk Hantschmann brachte ein anderes Argument ins Spiel: Ihm sei es völlig egal, ob da nun Mann oder Frau stehe, das Dokument müsse aber lesbar bleiben. Dieses Argument griff dann auch Gabor Kühnapfel ("Wir für Radeberg") auf und schlug vor, einheitlich die weibliche Form zu verwenden, "das tut doch niemandem weh".

CDU-Stadtrat Andreas Känner und der Fraktionsvorsitzende der Grüne/SPD-Fraktion, Ulrich Hensel, sprachen sich für eine gegenderte Variante der Hauptsatzung aus. "Wir haben uns 2015 explizit dafür entschieden, beide Formen zu verwenden. Ich verstehe nicht, wieso wir das nun ändern sollten", sagte Känner. Es sei auch überhaupt nicht unpraktisch und unlesbar, nur weil von "Bürgerinnen und Bürgern" die Rede sei.

Ulrich Hensel argumentierte ähnlich: "Männern ist das Thema oft egal. Aber Privilegierte sehen nicht, dass sie zu den Privilegierten gehören." Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass Sprache Macht habe - Macht zur Veränderung.

Wie fiel die Abstimmung aus?

Mit 14 zu 9 Stimmen votierte der Stadtrat mehrheitlich für die Neufassung der Satzung - und damit gegen den Vorschlag, beide Geschlechtsformen zu berücksichtigen. Anschließend wollte Gabor Kühnapfel noch seine Idee zur Abstimmung bringen, ausschließlich die weibliche Form zu nennen, doch sein Antrag fiel mit nur fünf Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen und 16 Gegenstimmen durch.