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Gewalt gegen Einsatzkräfte: Was Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter im Rödertal erleben

Zu Silvester eskalierte in Berlin die Gewalt gegen Einsatzkräfte. Ein Großstadt-Phänomen? Was Einsatzkräfte aus Radeberg und Umgebung aus ihrem Alltag berichten.

Von Verena Belzer
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Die Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht in Berlin waren landesweit Thema - wie sieht die Situation bei Feuerwehr, Polizei, THW und Rettungsdienst im Rödertal aus?
Die Angriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht in Berlin waren landesweit Thema - wie sieht die Situation bei Feuerwehr, Polizei, THW und Rettungsdienst im Rödertal aus? © Sven Ellger, Paul Glaser, Danny Gohlke/dpa, Robert Michael/dpa

Radeberg. Radeberg ist nicht Berlin. Radeberg ist nicht Neukölln. Und dennoch haben die extremen Randale in der Silvesternacht in der Hauptstadt auch im Rödertal für Gesprächsstoff gesorgt: Radebergs Stadtwehrleiter Werner Hütter beispielsweise hat sein Profilbild in einem Messenger-Dienst aus Solidarität geändert: "Keine Böller und Gewalt gegen Einsatzkräfte" ist dort nun zu lesen, daneben ein Feuerwehrmann mit Atemschutzmaske.

Welche Erfahrungen hat die Feuerwehr gemacht?

"Auf dem Land sind wir von Attacken bisher zum Glück verschont geblieben", sagt Werner Hütter, Stadtwehrleiter der Radeberger Feuerwehr. "Aber man merkt schon, dass der Ton rauer wird." Der Chef der Radeberger Feuerwehrleute berichtet, dass schon manchmal Passanten unvermittelt vor Einsatzfahrzeuge springen und die Fahrer so zu Vollbremsungen zwingen. "Es kommt auch vor, dass Radfahrer oder Fußgänger Absperrungen, die wir errichtet haben, einfach ignorieren."

Häufen sich Angriffe auf Feuerwehrleute?

Diese Art von Vorfällen hätten sich in jüngster Zeit schon gehäuft, sagt Hütter. "Es wird schwieriger. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir in einer Ellbogengesellschaft leben, in der weniger an die Mitmenschen gedacht wird als früher." Auch würden Passanten häufig ungeduldig reagieren, wenn die Feuerwehr zugange ist - beispielsweise mit einer Drehleiter. "Da fehlt es mitunter an der Einsicht, dass es im Zweifel darum geht, Menschenleben zu retten."

Im Großen und Ganzen will sich Werner Hütter nicht beklagen, "es gab zum Beispiel noch nie Handgreiflichkeiten", aber man müsse sich schon vor Augen führen, dass die übergroße Mehrheit der Feuerwehren in Deutschland freiwillig und ehrenamtlich arbeitet.

Von der Politik erhoffe er sich da ein Zeichen. "Vielleicht sollte man diese Leute, die Mist bauen, dazu verdonnern, selbst mal einen ehrenamtlichen Dienst zu leisten."

Wie viele Angriffe auf Beamte zählt die Polizei?

In den Jahren 2019 bis 2022 wurden in Radeberg und Umgebung laut Angaben der Polizeidirektion Görlitz insgesamt acht Fälle des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und ein Fall des tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte erfasst. "Das Thema ist grundsätzlich immer präsent, da die Beamten zu vielen verschiedenen Einsatzlagen gerufen werden", teilt Polizeisprecher Marcel Malchow mit. "Normale Körperverletzungen hegen von Grund auf die Gefahr einer Eskalation."

Im Betrachtungszeitraum sei festzustellen, dass sich die Angriffe auf Polizeibeamten in Radeberg im niedrigen einstelligen Bereich bewegen. Dies habe sich von 2019 bis 2022 nicht verändert, sagt Marcel Malchow.

Wie oft wurden Polizisten Opfer von Beleidigungen?

Körperliche Gewalt gegen Polizeibeamte stellt die Eskalation eines Konflikts dar - doch Beamte werden auch Opfer von verbalen Beleidigungen. Betrachtet wurde wieder der Zeitraum zwischen 2019 und 202. "Hier ist festzustellen, dass sich dies in Radeberg jährlich im niedrigen einstelligen Bereich bewegt. Insgesamt sind 15 Beleidigungsdelikte erfasst", teilt die Polizei mit. "Statistisch signifikante Änderungen oder Steigerungen sind nicht ersichtlich."

Wie werden Polizisten auf Angriffe vorbereitet?

Bereits in der Ausbildung und dem Studium werden Polizisten entsprechend geschult und sensibilisiert, erklärt Malchow. In Trainingsszenarien würden in der Ausbildung auch Angriffe auf Polizeibeamte aufbereitet. "Hauptziel dieser Trainings ist es, Fertigkeiten zu vermitteln, welche gewährleisten, dass wir andere - wie Bürger oder Rettungs- und Feuerwehrkräfte - und uns schützen können", erklärt der Pressesprecher. "Diese Trainings fallen unter den Aspekt der Eigensicherung."

Ausschreitungen wie an Silvester in Berlin seien jedoch eher dem Einsatzmanagement zuzuordnen. Die Hochschule der sächsischen Polizei bietet mehrere unterschiedliche Fortbildungen an, welche sachsenweit den Polizeibeamten zur Verfügung gestellt werden. "Hierzu zählen auch Lehrgänge zum Beispiel der Kommunikation als Deeskalation polizeilicher Lagen."

Die Behandlung von Gewalt gegen Beamte im Einsatztraining sowie in Fortbildungsangeboten der Hochschule würde auch nicht erst seit Kurzem gelehrt, "sondern schon seit vielen Jahren praktiziert".

Sind Ausschreitungen wie in Berlin Thema unter Polizisten?

Die Bilder aus Berlin haben auf viele verstörend gewirkt - wie gehen die Polizeibeamten damit um? Sprechen sie darüber? Ja, sagt Marcel Malchow. "Solche Ausschreitungen sind zumeist Thema unter den Kollegen." Er selbst habe Einsätze solcher Art gerne zur Auswertung genutzt, um die Kolleginnen und Kollegen zu sensibilisieren. "Oberstes Ziel ist es natürlich, verletzungsfrei den Dienst zu beenden", stellt Malchow klar.

Unabhängig von den Ausschreitungen werden diese grundsätzlich ausgewertet. "Schwierige Einsatzlagen, insbesondere im täglichen Dienst, bedürfen einer stetigen Nachbereitung."

Wie beurteilt das DRK die Lage?

Tätliche Angriffe auf Rettungskräfte des Deutschen Roten Kreuzes seien eher selten, teilt DRK-Pressesprecherin Ulrike Peter mit. Verbale Angriffe gebe es hingegen mehrmals pro Woche. Die Mitarbeiter des DRK-Rettungsdienstes in Radeberg und Pulsnitz würden auch über Stichschutzwesten verfügen, aber die seien bislang nicht benötigt worden. Die Situation im ländlichen Raum unterscheide sich in Sachen Sicherheit von den Großstädten.

Zu welchen Vorfällen es konkret gekommen ist, kann Peter jedoch nicht sagen. "In Dresden werden Angriffe jeglicher Art auf den Rettungsdienst in der digitalen Einsatzdokumentation erfasst", erklärt sie. "Alle Daten aus dieser Einsatzdokumentation laufen beim Träger zusammen, in Dresden die Feuerwehr. Im Landkreis Bautzen werden Angriffe nicht digital erfasst." Die Zahl der Angriffe habe sich in den vergangenen Jahren jedoch nicht verändert.

Ähnlich wie bei der Polizei auch ist in der Ausbildung zum Notfallsanitäter Deeskalation fester Bestandteil. Darüber hinaus bietet das DRK-Bildungswerk Deeskalationstrainings an.

Mit welchen Problemen kämpft das THW?

Auch beim Technischen Hilfswerk (THW) haben es die Einsatzkräfte mitunter schwer: "Gerade bei Straßensperrungen werden wir angepöbelt und unfreundlich behandelt. Verbal liegt das mitunter weit unter der Gürtellinie", erklärt Andreas Heinrich, stellvertretender Ortsbeauftragter beim Technischen Hilfswerk Bautzen. Die THW-Mitarbeiter würden solche Fälle "weglächeln" oder erklären, warum sie gerade hier im Einsatz sind. "Oft hat das aber keinen Erfolg. Wenn die Polizei in der Nähe ist und es zu rabiat wird, geben wir den Beamten einen Hinweis", sagt Andreas Heinrich.