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Straßenblockade in Dresden gegen Kiesabbau in Würschnitz

Mitglieder der "Letzten Generation" protestierten in Dresden mit einer "Klebeaktion" gegen den Kiesabbau in Würschnitz bei Ottendorf. Wie die Polizei vorgegangen ist.

Von Christoph Springer & Siri Rokosch & Moritz Schloms
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Mitglieder von "Letzte Generation" blockieren den Zelleschen Weg in Dresden am Fritz-Foerster-Platz.
Mitglieder von "Letzte Generation" blockieren den Zelleschen Weg in Dresden am Fritz-Foerster-Platz. © Christian Juppe

Dresden/Ottendorf-Okrilla. "Nur kurz die Welt retten" von Tim Bendzko dröhnt aus einem Lautsprecher über den Fritz-Foerster-Platz in Dresden. Die Musik soll die Mitglieder der Initiative "Letzte Generation" unterstützen, die dort eine Protestaktion abhalten. Doch die Teilnehmer können nicht "148 Mails checken", wie im Bendzko-Song aus den Lautsprechern gefordert, weil sie ihre Hände gerade festgeklebt haben.

Mit der Blockade der Straße in Richtung Nürnberger Platz im morgendlichen Berufsverkehr wollen sie sich nach eigenen Aussagen für "das Ende des Kiesabbaus durch das Kieswerk Ottendorf-Okrilla" einsetzen. Zehn Aktionsteilnehmer setzen sich auf die Fahrbahn und protestieren, fünf Frauen und fünf Männer.

Mit Öl löst die Polizei die festgeklebten Hände. Das ging schneller als bei der letzten Protest-Aktion.
Mit Öl löst die Polizei die festgeklebten Hände. Das ging schneller als bei der letzten Protest-Aktion. © Symbolfoto: Christian Juppe
Die Polizei begutachtet die gelöste Hand.
Die Polizei begutachtet die gelöste Hand. © Christian Juppe
Ein heißer Tee bei kalten Temperaturen als Solidaritätsbekundung.
Ein heißer Tee bei kalten Temperaturen als Solidaritätsbekundung. © Christian Juppe
Die Teilnehmer der Aktion haben sich auf der Fahrbahn festgeklebt.
Die Teilnehmer der Aktion haben sich auf der Fahrbahn festgeklebt. © Christian Juppe

Was fordert die "Letzte Generation"?

Ihren Aussagen nach wird "Kies für Beton genutzt, einen CO2-intensiven Baustoff". Sie fordern, stattdessen "in Sachsen möglichst den Bestand weiterzunutzen sowie bei Dämm- und Baustoffen auf fossile Rohstoffe zu verzichten". Die "Klimaschützer" schlagen vor, mit recycelten und frisch gewachsenen Materialien zu bauen, statt zukünftigen Generationen Ressourcen zu stehlen.

Christian Bläul, 41, meint: "Mit der Straßenblockade am Freitag zeigen wir unsere Solidarität mit der Waldbesetzung Heibo. Der Kies hier und die Kohle unter Lützerath müssen im Boden bleiben, um die Zivilisation und die Demokratie zu schützen."

Der Dresdner, der für eine Straßenblockade bereits in Schweden im Gefängnis saß, war an diesem Freitag nicht dabei. Er besuche aktuell eine Klimaschutz-Weiterbildung, teilte "Letzte Generation" mit.

Einer der Demonstranten war der 24-jährige Niko. Seinen Nachnamen wollte er nicht nennen. Er sagte: "Wir sind nicht stolz darauf, das hier zu machen, wir müssen." Niko hatte sich einen Handwärmer auf die festgeklebte Hand gelegt und fügte noch hinzu, er empfinde es als ein Privileg, in einem Land zu leben, "wo man so demonstrieren darf". Legal war die Blockadeaktion allerdings nicht. Gegen die Teilnehmer wird im Anschluss unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt.

Die Busse der Linie 61 haben trotz der Blockade freie Fahrt. Auch Fahrzeuge mit Blaulicht hätten passieren können.
Die Busse der Linie 61 haben trotz der Blockade freie Fahrt. Auch Fahrzeuge mit Blaulicht hätten passieren können. © Christian Juppe

Etwa 45 Minuten nach dem Blockadebeginn startete die Polizei die Räumung der Straße. Dazu mussten die Beamten die festgeklebten Hände mit Speiseöl von der Fahrbahn lösen. Das dauerte rund eine halbe Stunde, um 9.30 Uhr war die Straße wieder frei. Die Polizei hatte die Teilnehmer zuvor gefragt, ob diese einen Arzt brauchen.

Kurz nach Beginn der Protestaktion begann es zu schneien. Die Mitglieder von "Letzte Generation" waren dick angezogen, trugen Handschuhe. Allerdings jeweils nur einen, die andere Hand klebte auf der Straße. Kurz vor Ende der Aktion brachte Susanne Kammil mit zwei Kolleginnen ihnen einen heißen Tee vorbei. Die drei arbeiten im Studentenwerk in der Kinderbetreuung und wollten ihre Solidarität bekunden.

Parallel zur Protestaktion stiegen viele Studenten aus den Bussen der Linie 61 aus, die trotz der Blockade fahren konnten. Etwa zehn Mitglieder von "Fridays for Future" hatten sich ebenfalls versammelt, um die "Letzte Generation" zu unterstützen. Sie spielten Musik über einen Lautsprecher und hielten immer wieder kurze Reden. So informierte der Sprecher die Umstehenden über den Grund der Aktion. Außerdem bat er sie um Solidaritätsbekundungen. Viel Rückmeldung bekam er aber nicht.

Etwa 45 Minuten nach Blockadebeginn startete die Räumung der Straße.
Etwa 45 Minuten nach Blockadebeginn startete die Räumung der Straße. © Moritz Schloms

Die "Letzte Generation" teilt mit, sie greife "nach genauer Überlegung zur Störung des Straßenverkehrs, weil Gespräche, Petitionen und andere Aktionen wie Fridays-for-Future-Demonstrationen mit Millionen Teilnehmern noch nicht genug für den Klimaschutz erreicht hätten". Fahrzeuge mit Blaulicht würden am Freitag in Dresden aber durchgelassen, heißt es. Auch der öffentliche Nahverkehr konnte passieren.

"Letzte Generation" unterstützt Heibo-Mitglieder

Im Waldgebiet in der Laußnitzer Heide zwischen Großdittmannsdorf und Ottendorf-Okrilla sitzen seit fast zwei Jahren "Heibo"-Mitglieder in Baumhäusern und Zeltlagern, um gegen die Abholzung der Bäume für den Kiesabbau zu protestieren.

Auch der Nabu kämpft für den Erhalt des Waldes, vor allem auch, weil dort seltene Tierarten in Mooren leben, die eine Abholzung erfahrungsgemäß nicht verkraften. Das Kieswerk Ottendorf-Okrilla beruft sich auf langjährige Verträge mit dem Oberbergamt Freiberg. Zuletzt hatte die Sächsische Landesregierung bekannt gegeben, sich mit dem Kieswerkbetreiber verständigt zu haben.

Die größeren Kiesabbauflächen im sogenannten Heidebogen in den Landkreisen Bautzen und Meißen im Bereich Würschnitz-West sollen nach der Auskiesung nicht mit Bauschutt oder anderem vergleichbaren Material verfüllt werden. Stattdessen werde "bergbaueigener Abraum und Oberboden" verwendet, hieß es am 14. Januar. Darauf hätten sich das Umweltministerium, das Wirtschaftsministerium, das Oberbergamt sowie das Kieswerk Ottendorf-Okrilla geeinigt. Diese Einigung wurde vom Nabu als "fauler Kompromiss" gewertet.

Am Montag, dem 23. Januar, läuft für die Waldbesetzer in der Würschnitzer Heide die vom Landratsamt Bautzen gesetzte Frist zum Abbau sämtlicher Bauten wie Baumhäuser, Zelte, Seile und Feuerstellen aus. Die jungen "Baumretter" wollen dennoch bleiben. Selbst wollten sie ihre Behausungen nicht vernichten, teilen sie auf Anfrage mit. Laut des Landratsamtes Bautzen bestünde das Versammlungsrecht weiterhin, doch Genehmigungen für offene Feuer im Wald und Baurecht für die "Waldhäuschen" bestünden nicht.

Die Protestaktion am Freitag endete um 9.30 Uhr. Die Polizei löste die Hände der Teilnehmer von der Straße und trug sie von der Straße. Gegen sie wird jetzt unter anderem wegen gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr ermittelt. Dazu wurden die Personalien aufgenommen. Das teilte Polizeiführer Pfeiffer mit.