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Radeberger CDU-Fraktionschef: "Es geht überhaupt nicht um Ideologie"

Er ist einer der alten Hasen im Radeberger Stadtrat: Im Interview skizziert CDU-Fraktionschef Frank-Peter Wieth seine Pläne für Radeberg und hält ein Plädoyer für die Parteiendemokratie.

Von Verena Belzer
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Der Teich in Ullersdorf ist sein Lieblingsort: Frank-Peter Wieth ist seit 21 Jahren Ortsvorsteher und seit 22 Jahren CDU-Stadtrat.
Der Teich in Ullersdorf ist sein Lieblingsort: Frank-Peter Wieth ist seit 21 Jahren Ortsvorsteher und seit 22 Jahren CDU-Stadtrat. © Sven Ellger

Radeberg. Politisch ist derzeit einiges geboten in Radeberg - trotz Sommerferien und Sitzungspause: Seit einer Woche hat die Stadt mit Frank Höhme (parteilos) einen neuen Oberbürgermeister und aus vier Fraktionen sind fünf geworden. Eine der Trennlinien im Gremium verläuft ganz offensichtlich an folgender Frage: Stehe ich für eine Partei oder nicht? Frank-Peter Wieth (CDU, 63) hat dazu eine dezidierte Meinung. Und nicht nur dazu.

Herr Wieth, Sie haben Frank Höhme nach der Wahl eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vorgeworfen. Haben Sie zwischenzeitlich mit ihm gesprochen?

Dieses Thema haben wir noch nicht angeschnitten. Ich warte noch darauf, was er in diesem Punkt tut. Ich halte an meinem Standpunkt fest, dass man sich abgrenzen muss und das erwarte ich auch von ihm.

Was, wenn er sich nicht abgrenzt?

Dann wird das immer ein Punkt sein, der zwischen uns steht. Man kann zwar mit den Menschen zusammenarbeiten, man muss aber wissen, wo man steht und was diese Ideologie mit der Gesellschaft macht. Gerade in Sachsen hat die AfD einen intensiven Rechtsruck vollzogen. Für mich als Demokrat ist es unerlässlich, der Bürgerschaft klarzumachen, was passiert, wenn man derartige Strömungen unkommentiert lässt.

Bisher gab es vier Fraktionen im Stadtrat, nun sind es fünf. Wird das die Arbeit und das Klima im Stadtrat verändern?

Ich gehe davon aus, dass das Klima nicht leidet, denn das Klima war im Grunde nie schlecht. Wir haben alle miteinander geredet und gearbeitet. Eine Fraktion mehr oder weniger, das wird nicht die Arbeit erschweren. Kritischer sehe ich jedoch das zunehmende Abwenden von den klassischen Parteien.

Was bedeutet das für die Politik? Frank Höhme hat das getan, ist aus der SPD ausgetreten und nun parteiloser OB. Und auch Gabor Kühnapfel, der dezidiert gesagt hat, die neue Fraktion wird keine Partei im Namen tragen?

Das halte ich für ein demokratisches Grundproblem, denn unser System basiert auf einer Parteiendemokratie. In der Flüchtlingsfrage oder der Ukrainekrise haben die Parteien gut zusammengearbeitet, anders geht es auch gar nicht. Parteien sind dafür da, zum Wohl der Allgemeinheit einen Konsens zu finden. Dahin muss man zurückfinden. AfD und Freie Sachsen vertiefen die Spaltung der Gesellschaft, während große Parteien verschiedene gesellschaftliche Gruppen binden, das ist ein klarer Vorteil. Abgesehen davon sind die parteilosen Kandidaten auch nur pseudo-unabhängig. Jeder Bürgermeister ist abhängig vom Stadtrat und der spiegelt die Gesellschaft wieder.

Was unterscheidet die CDU von anderen Parteien auf kommunaler Ebene?

Wir bieten den Dialog und greifen alle Probleme auf, die die Bürger an uns herantragen. Wir achten darauf, dass die Interessen der Gesamtstadt ausgeglichen sind und dass nicht ein Ortsteil mehr oder weniger bekommt. Wir sind uns da im Stadtrat alle im Grunde einig. Die Frage ist also: Welchen gesellschaftlichen Hintergrund habe ich? Welchen Wertekanon vertrete ich? Wofür stehe ich? Im Stadtrat geht es immer nur im die Sache, da geht es überhaupt nicht um Ideologie. Ich kann mich nicht erinnern, dass im Stadtrat jemals ideologisch gestritten wurde.

Wie wollen Sie als CDU wieder attraktiver werden?

Diese Aufgabe stellt sich uns natürlich, daran müssen wir arbeiten. Wir müssen den Bürgern zeigen, dass es Spaß machen kann, in einer Partei zu arbeiten und sich auszutauschen, dass man innerhalb der Partei etwas bewegen und entwickeln kann. Wir sind im Land, im Bund und in Europa vernetzt. Es gibt bei uns im Kommunalen auch keinen Fraktionszwang. Jeder kann bei uns mitmachen, das ist total niederschwellig.

Radeberg ist stolz darauf, schuldenfrei zu sein. Wird es dabei bleiben können?

Bei den Aufgaben, die vor uns stehen, bin ich mir nicht sicher, ob wir das beibehalten können. Unser Ziel ist es, aber die finanzielle Situation wird immer enger, und die Investitionszwänge sind einfach da.

Neben den Pflichtaufgaben wie Schul- und Kitabau: Wo sollte die Stadt außerdem investieren?

Unser Schwerpunkt ist Bildung, aber auch alles rund ums Thema "Gut Leben in Radeberg". Dazu gehört die Innenstadtsanierung, das grünes Band, Vereine und kulturelles Leben stärken.

Sie sind auch Ortsvorsteher von Ullersdorf: Was wünschen sich die Ullersdorfer für ihren Ortsteil am meisten?

Wir haben noch ein paar Wege um den Teich herum, die wir gerne ausbauen würden. Die Schule und der Kindergarten sollen weiterhin betrieben werden, das ist den Bürgern sehr wichtig und wir wünschen uns eine bessere Busanbindung nach Dresden. Auch an bestehenden Straßen müssen in den nächsten Jahren dringend Reparaturen vorgenommen werden.

Ullersdorf braucht ein neues Feuerwehrhaus. Der Stadtrat hat das bereits 2019 beschlossen. Woran hakt es?

Noch warten wir auf die Baugenehmigung, alle Vorbereitungen sind schon getroffen. Die Feuerwehr ist in ein Nebengebäude umgezogen, aber es wäre natürlich wichtig, dass es bald losgehen kann.

Was mögen Sie an Radeberg besonders?

Ich mag die ländliche Prägung, die sehr schöne Innenstadt mit Schloss Klippenstein, die naturnahe Umgebung der Heide, aber auch die kurze Strecke bis nach Dresden. Die Menschen hier sind sehr offen, man fühlt sich hier wohl.

Und zum Schluss: Wo gibt es Nachholbedarf?

Wir brauchen ein Konzept für die Innenstadt, wie wir sie attraktiver für die Bürger gestalten können, die hier leben und einkaufen. Die Umgehungsstraßen sollten auch in den nächsten Dekaden fertig werden. Das würde die Stadt deutlich entlasten. Und die Stadt Radeberg muss langfristig zusehen, dass sie noch mehr Arbeitsplätze schafft, damit mehr Menschen hier gut leben und arbeiten können.