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Kostenexplosion bei der Silberdiele

Die Kosten für die neue Begegnungsstätte Jung und Alt in der Silberdiele drohen aus dem Ruder zu laufen. Wie es nun weitergeht.

Von Verena Belzer
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Die Bauarbeiten an der Silberdiele sind in vollem Gange. Nun hat der Stadtrat den Auftrag für die Elektrotechnik vergeben - zu einem sehr viel höheren Preis als vorgesehen.
Die Bauarbeiten an der Silberdiele sind in vollem Gange. Nun hat der Stadtrat den Auftrag für die Elektrotechnik vergeben - zu einem sehr viel höheren Preis als vorgesehen. © Sven Ellger

Liegau-Augustusbad. Es ist ein tolles Projekt, das da gerade am Entstehen ist: eine Begegnungsstätte in der ehemaligen Gaststätte Silberdiele, die schon seit fünf Jahren leer steht. Das Gebäude in städtischem Besitz ist stark sanierungsbedürftig. Heißt konkret: Es wird kernsaniert, alle Inneneinbauten werden herausgerissen und abgebrochen. Innenwände, Türen, Böden. 2,5 Millionen Euro sind bei Planungsbeginn für das Bauprojekt veranschlagt worden.

Dass die Stadt Radeberg dieses Projekt derzeit realisiert, ist im Grunde auch einem glücklichen Umstand zu verdanken: Die geplante Begegnungsstätte, in die der Hort ebenso wie das Ortsamt untergebracht werden soll und zusätzlich ein Raum für Vereine und einer für die Jugend entstehen soll, ist in ein sächsisches Förderprogramm aufgenommen worden. Finanziert werden darin Projekte für die "Soziale Integration im Quartier". Und zwar zu sagenhaften 90 Prozent. "Das ist quasi die Maximalförderung, die man bekommen kann", erklärt Uta Schellhorn, Leiterin des Radeberger Bauamts, auf Nachfrage von Sächsische.de.

Radeberg trifft die Kostensteigerung mit voller Wucht

Zu schön, um wahr zu sein? Ein derart attraktives Projekt, quasi für lau? Nun zeichnet sich langsam ab, dass sich die Baumaßnahme für Radeberg doch zu einem größeren Problem auswachsen könnte. Erstens: Schon relativ zeitig nach dem positiven Förderbescheid wurde klar, dass die angepeilten 2,5 Millionen Euro nicht reichen würden. Bei konkreterer Planung wurde beispielsweise festgestellt, dass der Dachstuhl entgegen erster Annahmen doch komplett erneuert werden muss. Kostenfaktor für die anfangs nicht mit eingepreisten Erneuerungen: 1,5 Millionen, die die Stadt selbst schultern muss - die Mehrausgaben werden nicht zu 90 Prozent gefördert. Bezahlt werden soll aus der Finanzreserve der Stadt.

Zweitens: Die Kosten am Bau explodieren. Das bekam nun auch der Radeberger Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung am Mittwochabend zu spüren - und zwar heftig. Auf der Tagesordnung stand der unschuldig klingende Punkt "Beauftragung von Los 12 - Elektrotechnik". Ursprünglich waren für dieses Gewerk rund 230.000 Euro veranschlagt. Das einzige Angebot, das die Stadt Radeberg nun erhalten hat, sieht eine ganz andere Summe vor: knapp 400.000 Euro. "Wir haben massiv Probleme, Bieter zu finden", erklärte Oberbürgermeister Gerhard Lemm (SPD) in seiner letzten Stadtratssitzung als Rathauschef, bevor Frank Höhme übernimmt. "Mittlerweile laufen die Auftraggeber den Unternehmen hinterher und nicht anders herum."

Natürlich sei das Angebot viel höher als die Kostenschätzung, aber da müsse man nun wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. "Wir müssen beim Bau vorankommen, auch wenn ich Bauchschmerzen dabei habe." Er empfehle, das Angebot anzunehmen.

74 Prozent Kostensteigerung: "Das ist Wahnsinn"

Für Detlev Dauphin, Fraktionschef der Freien Wähler im Radeberger Stadtrat, ein absolutes Unding: "Eine Kostensteigerung von 74 Prozent, das ist Wahnsinn." Er könne dem Antrag nicht guten Gewissens zustimmen, "wir können das Geld nicht so rausschmeißen, das sind Steuergelder". Er lasse auch das Argument der Preiserhöhung für Rohstoffe nicht gelten. "Von wegen Preissteigerung. Ich habe mich informiert: Bei Kupfer sind die Preise sogar gesunken."

Im Rat schloss sich eine äußerst lebhafte und hitzige Diskussion darüber an, wie nun weiter zu verfahren sei. Dabei waren sich im Prinzip alle einig: Die Stadt stecke in der Falle. Nur: Wie weiter? Zwei Optionen standen zur Debatte: entweder man nimmt das Angebot an, schluckt also die bittere Pille der Kostensteigerung und baut wie geplant weiter. Oder man lehnt ab, schreibt neu aus und hofft auf ein neues, günstigeres Angebot. Ob man das dann auch erhalten werde? Unklar. "Ich halte das für hochgefährlich", sagte OB Lemm. Die Krux an der ganzen Sache ist zudem: Werden gewisse Summen für das Projekt dieses Jahr nicht mehr ausgegeben, entgehen der Stadt sehr hohe Fördergelder, wie Uta Schellhorn den Räten erklärte. So sähen nun einmal die Regeln des Förderprogramms aus.

Hitzige Diskussion, knappes Ergebnis

"Wir sind jetzt nun einmal in dieser Zwangslage", sagte OB Lemm. "Und ja, da hat sich eventuell jemand unsere Zwangslage zunutze gemacht." Bauamtsleiterin Uta Schellhorn berichtete auch, dass die Verwaltung sogar aktiv weitere Unternehmen um Angebote angefragt habe. Ergebnis: Fehlanzeige.

Nachdem sich die Fraktionen in einer kurzen Auszeit beraten hatten, stand am Ende das sehr knappe Ergebnis: 12 Räte votierten für die Auftragsvergabe, zehn dagegen. Damit kann die Elektrotechnik in der Silberdiele nun noch in diesem Jahr für knapp 400.000 Euro verbaut werden. Die neue Begegnungsstätte Jung und Alt soll planmäßig im Sommer 2023 bezogen werden.