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5.000 Euro Schmerzensgeld für ein blaues Auge?

Ein Radebeuler soll den Sohn seiner Lebensgefährtin geschlagen haben. Der Richter erspart dem knapp Achtjährigen einen Auftritt vor Gericht.

Von Jürgen Müller
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Eine hohe Summe an Schmerzensgeld forderte eine Mutter, weil ihr Sohn angeblich von ihrem Ex-Lebensgefährten geschlagen worden sein soll.
Eine hohe Summe an Schmerzensgeld forderte eine Mutter, weil ihr Sohn angeblich von ihrem Ex-Lebensgefährten geschlagen worden sein soll. © Fotostand

Meißen/Radebeul. Der 5. Geburtstag des Jungen endet mit Schmerzen und einem blauen Auge. Der damalige Lebensgefährte seiner Mutter soll ihn geschlagen haben. Nun sitzt der 35-jährige Radebeuler wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor dem Meißner Amtsgericht.
Seine damalige und jetzige Ex-Lebensgefährtin hat ihn angezeigt. Und nicht nur das. Sie fordert als Nebenklägerin auch 5.000 Euro Schmerzensgeld für das blaue Auge ihres Kindes. Eine stolze Summe, auch wenn ihr Anwalt betont, dies sei nicht nur wegen der Schmerzen und des Hämatoms, sondern auch wegen der psychischen Folgen der Tat.

Doch was ist passiert an jenem Septembertag 2019? Dazu muss man die Vorgeschichte kennen. 2016 lernen sich der Angeklagte und die Frau, die damals schon zwei Kinder hat, kennen, führen eine Wochenendbeziehung. Ein Jahr später ziehen sie zusammen, die Frau bekommt ein weiteres Kind. Es kommt regelmäßig zum Streit, dabei geht es immer ums Geld.

Wenig später merkt der Mann, warum die Frau ständig Geld braucht. Er findet erst eine Mahnung, später immer mehr, auch Vollstreckungsbescheide. Die Frau gesteht ihm, dass sie spielsüchtig ist. "Ich erfuhr auch, dass ihr meine Oma 5.000 Euro gegeben hatte", sagt der Angeklagte. Doch das reicht nicht. Die Frau hatte nach seinen Angaben 11.500 Euro Schulden.

Junge bekommt einen Wutanfall

Es kam, wie es kommen musste. Das Paar trennt sich, der gemeinsame Sohn bleibt beim Vater. Seit die Frau 2020 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrem jüngsten Kind.

Einer der beiden anderen Kinder, der spätere Geschädigte, ist regelmäßig bei dem Angeklagten. So auch an diesem Tag. Seine Mutter hat angeblich keine Zeit, Geburtstag zu feiern, sie ist arbeiten. "Es lief alles prima, bis ich ihm sagte, dass er sich zum Mittagsschlaf hinlegen soll. Da tickte er aus, bekam einen Wutanfall, bewarf den Kleinen mit Bausteinen, ging auf ihn los", so der Radebeuler.

Er geht dazwischen, will seinen Sohn schützen. Dabei muss er den Jungen der Lebensgefährtin getroffen haben. "Es ist beim Kampeln passiert, ich habe ihn weggeschoben, dabei wohl versehentlich am Auge getroffen. Aber ich habe ihn nicht geschlagen", beteuert er. Anschließend habe sich der gelernte Notfallsanitäter um das Auge gekümmert, habe es gekühlt. "Es war danach alles in Ordnung. Er hat geschlafen, danach haben wir einen Spaziergang an der Elbe gemacht", sagt er.

Abends kommt die Mutter nach Hause, sieht das blaue Auge, stellt den Mann zur Rede. Später geht sie mit dem Jungen zu einer Kinderärztin. Dieser soll der damals Fünfjährige gesagt habe, dies sei "aus Versehen" passiert.

Nach dem Arztbericht könne er keine Kausalität zur Tat feststellen, so der Richter. Den Schmerzensgeldanspruch hält er für überzogen.

Der Junge war schon vorher verhaltensauffällig, soll ein anderes Kind verletzt haben. "Eine Verhaltensauffälligkeit rechtfertigt es aber nicht, dass einem die Hand ausrutscht. Das sollte man nicht verharmlosen", so der Nebenklage-Vertreter.

Klar ist aber, dass es sich nicht wie angeklagt um eine vorsätzliche Körperverletzung handelt, sondern allenfalls um eine fahrlässige. Der Verteidiger bringt sogar Nothilfe ins Spiel. Den Vorschlag, das Verfahren wegen geringer Schuld gegen eine Geldauflage einzustellen, trägt die Staatsanwaltschaft zunächst nicht mit. Sie will zuvor den noch nicht Achtjährigen als Zeugen hören.

Richter: Kein Öl ins Feuer gießen

Richter Michael Falk möchte das verhindern, dem Kind einen Auftritt vor Gericht ersparen. "Kinder vor Gericht zu ziehen, sollte man möglichst vermeiden", sagt er. Die Kindsmutter hatte ihm gesagt, ihr Sohn habe große Angst, dass Polizisten im Saal sein könnten, die ihn niederringen würden.

Nach einem längeren Gespräch zwischen Richter und Staatsanwältin stimmt diese zu, auf die Vernehmung des Kindes zu verzichten und das Verfahren gegen eine Geldauflage von 600 Euro einzustellen. Diese Summe kommt dem Kind als Schmerzensgeld zu.

Der Angeklagte ist froh, dass es nicht zu einer Verurteilung kommt. "Mit einem Urteil würden wir nur Öl in ein Feuer gießen, das fast erloschen ist", so der Richter. Erloschen ist die Liebe des Paares schon lange. "Ich bin froh, dass ich es geschafft habe, von dieser Frau wegzukommen", sagt der Radebeuler.