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Die auf der Welle rudern

Kurz bevor es olympisch wird, haben vier Radebeuler eine noch exotische Sportart ausprobiert, und sogar gewonnen - Küstenrudern in Stralsund.

Von Peter Redlich
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Ziemlich rasant - Küstenrudern auf dem Meer.
Ziemlich rasant - Küstenrudern auf dem Meer. © Jacobi

Radebeul/Stralsund. Die Stimmung ist fantastisch. 25 Grad Luft, 22 Grad Wasser zeigt die Tafel am Stralsunder Stadtstrand. Im Hintergrund die Altstadtkulisse mit dem Hafen, vorn der Strelasund. Die besten deutschen Küstenruderer haben sich hier am vergangenen Wochenende versammelt. Darunter vier Radebeuler. Peter Heilsberg, Conrad Albert, Peter Leibnitz und auch eine junge Frau, Marie Luise Engelmann.

Aufgebaut am Strand ist ein großes Tor. Darunter ein roter Knopf zum Draufschlagen. Etwa 60 Meter entfernt, im seichten Wasser, werden Boote von zwei Helfern in Position gehalten. Das Startsignal ertönt und drei Zweierteams - Mann und Frau, eins davon Conrad und Marie Luise - rennen, was die Beine hergeben, zu ihrem Boot. Conny sitzt als erster drin, fasst die Skulls, bringt das Boot in Position und Marie Luise schwingt sich geschickt hinterher.

Die vier Küstenruderer aus Radebeul am Strelasund (von links): Peter Leibnitz, Marie Luise Engelmann, Conrad Albert und Peter Heilsberg.
Die vier Küstenruderer aus Radebeul am Strelasund (von links): Peter Leibnitz, Marie Luise Engelmann, Conrad Albert und Peter Heilsberg. © privat

Rudern können die beiden. Das haben sie bereits bei Deutschen Meisterschaften und Ausscheidungswettbewerben bewiesen. Doch auf dem Meer, bei Wellengang, 250 Meter sind es bis zur Boje auf dem Strelasund, dann um die Boje wenden und wieder Richtung Strand. Die Ruderblätter greifen gut und vor allem gleichmäßig.

Küstenrudern kommt aus England, aus Kalifornien in den USA, Italien und auch aus Australien und Neuseeland. Dort benutzen auch Küstenretter solche kürzeren und breiteren Ruderboote. Wettbewerbe, Europa- und Weltmeisterschaften gibt es dort schon länger.

In Radebeul hat Peter Heilsberg das Fieber für das Küstenrudern in seinem Verein SSV Planeta in Kötzschenbroda entfacht. Der 53-jährige Sozialpädagoge: „Ich habe nach neuen Rudermöglichkeiten gesucht, die auch richtig vielen Spaß machen.“ Anders als an üblichen Regattastrecken stehen bei den Küstenruderwettbewerben zumeist viel mehr Zuschauer und feuern die Wettkämpfer an. In Bremerhaven, Hamburg, Flensburg, auf Amrum und eben in Stralsund gibt es mittlerweile diese Coastal Rowings, wie es auf Englisch heißt.

Peter Heilsberg (l.) hat sogar Deutschland schon bei den Europameisterschaften 2021 in Italien vertreten, hier mit Kjetil Borch aus Norwegen, Olympiasieger im Einer in Tokio.
Peter Heilsberg (l.) hat sogar Deutschland schon bei den Europameisterschaften 2021 in Italien vertreten, hier mit Kjetil Borch aus Norwegen, Olympiasieger im Einer in Tokio. © privat

Marie Luise, die die Freunde Malu nennen und Conny ziehen durch. Kaum ein Blick nach rechts und links zur Konkurrenz. Den Gleichklang im Ruderschlag haben sie bereits auf der Elbe trainiert - hier allerdings kaum bei Wellengang.

Peter Heilsberg, der 2020 seinen ersten Küstenruderwettbewerb bestritten hat und dabei in Deutschland gleich auf vorderen Plätzen landete, kennt das auch mit richtig großen Wellen. 2021 zum Beispiel vor der italienischen Mittelmeerküste in Livorno. Dort hat er sich achtbar für Deutschland geschlagen und einen zwölften Platz im Doppelzweier unter 36 Teilnehmern erreicht. Dazu muss man wissen, dass es für Küstenrudern noch keine Altersklassen gibt. Peter: „Du trittst also auch gegen einen durchtrainierten Mitte-20-Jährigen an und hast gegen manchen kaum eine Chance - etwa den Ruder-Olympiasieger von Tokio im Einer.“ Aber immerhin, fürs Foto mit dem Radebeuler war sich Kjetil Borch aus Norwegen nicht zu schade.

Malu und Conny haben es fast geschafft. 500 Meter schaukelndes Meeresrudern ist doch was anderes als eine fast glatte Regattastrecke. Und anders ist auch, dass mit der Bootsankunft im flachen Wasser das Rennen noch lange nicht entschieden ist. Gerade noch wurden die Beine im Boot eingestemmt, jetzt sollen sie flink rausspringen und so schnell es geht über den Sand sprinten. Erst am Buzzer, dem roten Druckknopf, entscheidet sich mit der Zeitnahme die wirkliche Platzierung.

Wie eine große Strandparty

Peter Heilsberg: „Das alles geschieht bei poppiger Musik und den Anfeuerungsrufen der Zuschauer, die alles wie eine große Strandparty feiern.“ Das ist es auch, was Küstenrudern, Coastal Rowing, für Olympia so interessant macht. Die Zuschauer können sich am Strand versammeln, ähnlich den Wettbewerben beim Beach-Volleyball. In ständiger Folge treten einzelne Sportler oder Teams gegeneinander an. Das lässt sich gut und spannend im Fernsehen rüberbringen. Die großen Sender sind interessiert und das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat bereits Coastal Rowing 2021 als Show-Veranstaltung im Programm gehabt. 2024 oder spätestens 2028 soll es fest zu den Wettkämpfen gehören.

Das Radebeuler Team von Marie Luise und Conrad hat alles gegeben. Den Buzzer vor den anderen gedrückt und wartet nun auf die Ergebnisliste aus den anderen Rennen. Malu, noch ganz ausgepumpt: „Es hat riesigen Spaß gemacht und beim ersten Mal schon super geklappt.“ Das belegt schließlich auch das Resultat. Die beiden haben im Mix-Boot den ersten Platz belegt. Und eigentlich sollten sie jetzt bei den nächsten Ausscheidungswettbewerben in Flensburg für die Europa- und Weltmeisterschaften antreten. Doch die in Ausbildung befindliche Gemüsebäuerin und der Ingenieur für Automatisierungstechnik sind im Beruf gefordert. Im nächsten Jahr wollen sie aber wieder in Stralsund starten.

Und Peter Heilsberg, der im Einer am Strelasund den 5. Platz belegt hat - Peter Leibnitz wurde Zweiter, Conrad Albert im Einer Dritter - wirbt schon mal fürs Küstenrudern. „Ich habe ein solches Wettkampfboot im Bootshaus in Kötzschenbroda liegen. Wer es also mal ausprobieren will, gerne.“