Guter Teig braucht Zeit

Weinböhla. Montag ist der freie Tag von Eric Seiffert. Eigentlich. Denn jeden Montag, 17 Uhr, geht er in seine Bäckerei an der Beethovenstraße in Weinböhla und setzt dort einen großen Brötchenteig an. Und damit sind wir beim Kern dessen, was für ihn sein Handwerk ausmacht - neudeutsch würde man von Philosophie sprechen. Denn er gibt seinem Teig Zeit zu reifen, Aroma auszubilden, sodass seine Brötchen zwei Tage lang frisch bleiben. „Das ist Arbeit, sich nachmittags in die Backstube zu stellen, man könnte es sich viel einfacher machen“, sagt er.
Beim Backen aufs Wetter achten
Aber das ist nicht der Anspruch des Bäckermeisters, der ursprünglich Konditor im Dresdner Hotel Bellevue gelernt hat. Er kennt also beide Seiten des Handwerks und da verblüfft es schon, wenn er erklärt: „Brot und Brötchen zu backen, ist schwieriger als Kuchen und Torten. Als Konditor darf man nur nicht geizig sein.“ Beim Backen von Brot und Brötchen sei ganz viel Gefühlssache. Auch, wenn man es dabei auf den ersten Blick nur mit einer Handvoll Zutaten zu tun habe, „muss man auf sehr viel achten, ja selbst auf das Wetter - man braucht lange, um seinen Beruf richtig zu können“.
Ja, mehr noch: „Man kann nicht alles erklären.“ Bei diesen Worten fühlt man sich an die große Schweizer Buchautorin Alice Vollenweider (1927-2011) erinnert, die einmal über ein sehr einfaches toskanisches Rezept geurteilt hat, dass es zwar vollkommen vertrauenerweckend sei, aber nur „in seiner präzisen Wahrnehmung des Unpräzisen, Zufälligen und Wandelbaren“ gelingen könne.
Eric Seifferts Familie stammt eigentlich aus Schlesien, wo schon mindestens fünf Generationen vor seinem Großvater Bäcker gewesen sind. Der Großvater hat 1966 in Weinböhla seine eigene Bäckerei aufgemacht. Der Vater von Eric Seiffert hat sie ab 1973 übernommen und er selbst - der Enkel, der Sohn - hat seit 1998 in der Backstube mitgearbeitet. Im Jahr 2003 machte er schließlich seinen Meisterabschluss und heute führt er einen Betrieb, der immerhin 16 Mitarbeiter zählt, darunter eine Auszubildende. „Die Liebe zum und die Leidenschaft für den Beruf hat sich erst mit der Zeit entwickelt“, so Eric Seiffert.
Fast ein familiäres Verhältnis
Es erfüllt den Vater von drei Kindern, der in Weinböhla aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, mit Stolz, dass seine Mitarbeiter beides teilen. Es gebe Stammpersonal, wenige Wechsel und „wir versuchen, so gut wie möglich mit den Leuten umzugehen. Unter den Kollegen herrscht ein vertrauensvolles, fast familiäres Verhältnis“. Dazu gehört auch, dass ihnen niemand im Weg steht, wenn sie aus eigenem Antrieb etwas Neues ausprobieren wollen.
„Die Konditorei hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt“, stellt Erik Seiffert fest und nennt als Beispiel dafür eine auf den ersten Blick ebenfalls recht einfache Backware - „unsere Erdbeerschnitten“. Das Geheimnis ihres Geschmacks liege darin, dass frische Erdbeeren von Görnitz aus Sörnewitz verwendet werden und auch die restlichen Zutaten kommen nicht von weither. Zu 98 Prozent wird Mehl aus der Mühle Miltitz an der Beethovenstraße verbacken. „Es gibt Kunden, die sagen, unsere Erdbeerschnitten seien die besten weit und breit.“
Dabei komme dem Betrieb seine Kleinheit entgegen, so Eric Seiffert. Denn außer der Bäckerei gibt es nur noch einen festen Verkaufswagen am Penny an der Dresdner Straße im Weinböhlaer Unterdorf und einen Wagen, der an Markttagen vor dem Rathaus steht. „Wir wollen nicht fünf oder sieben Filialen haben, wir wollen klein bleiben, nur so können wir die Qualität halten, flexibel reagieren und Neues ausprobieren“, erklärt der Meister.
Das entspricht auch der Struktur des Unternehmens, denn die Bäckerei Seiffert ist ein Familienbetrieb und das in doppeltem Sinne. Zum einen arbeiten auch Eric Seifferts Frau und seine Mutter mit im Betrieb und auch sein Onkel hilft ihm bei der Arbeit. Zum anderen sind auch die Kunden oft Familien - nach den Großeltern und den Eltern kommen mittlerweile die Enkel und kaufen Brot, Brötchen und Kuchen.
Das Ungewöhnliche an Weinböhla: Die Bäckerei Seiffert ist eine von sieben handwerklichen im Ort - man hätte also sechs weitere solcher Gespräche führen können -, hinzukommen drei Filialbäckereien und das bei gerade einmal 10.000 Einwohnern!